Der „Feind Gottes und der Menschen“ in Germanien

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von Björn Schöpe

17. April 2014 – Der Schweizer Kunsthistoriker Jacob Burckhardt glaubte im 19. Jahrhundert in Caracallas Büsten „Satan“ zu erkennen, einen „Feind Gottes und der Menschen“. Noch bis vor kurzem war die Sicht auf den ältesten Sohn des Septimius Severus stark von den negativen Berichten seiner Zeitgenossen geprägt, die den Kaiser als Tyrannen darstellten.

Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg (Hrsg.), Caracalla. Kaiser Tyrann Feldherr. Philipp von Zabern, Darmstadt, 2013. 144 S., durchgehend farbige Abbildungen. Hardcover, 30,5 x 24,6 cm. ISBN: 978-3-8053-4611-5. Preis: 29,99 Euro.

Eine Sonderausstellung des Limesmuseums Aalen räumte im Herbst 2013 mit diesen überholten Wertungen auf und zeigte den Herrscher als das, was er war: ein brutaler Machtmensch, aber nicht tyrannischer als die meisten Kaiser. Es ging den Kuratoren aber nicht nur um die Person des Kaisers, sondern vor allem um seine Bedeutung für die germanischen Provinzen. Der Begleitband zur Ausstellung, „Caracalla. Kaiser Tyrann Feldherr“, ist im Verlag Philipp von Zabern erschienen und wie üblich prächtig illustriert.

Die Autoren ordnen die Familie der Severer, die um 200 n. Chr. mehrere Kaiser stellte, zunächst in ihre Zeitgeschichte ein. Im Zentrum steht dabei natürlich der ältere Spross des Dynastiebegründers Septimius Severus, Caracalla. Die Münzen der Severer sind ein beliebtes Sammelgebiet, und Sammler können sich in den ansprechend geschriebenen Texten auf der Höhe der Forschung über diese ereignisreiche Epoche informieren. Besonders erfreulich ist der Umstand, dass Münzen hier nicht nur als schmückendes Beiwerk, sondern als aussagekräftige Quelle herangezogen werden.

An diesen lässt sich beispielsweise der Konflikt zwischen den Prinzen Caracalla und Geta wunderbar aufzeigen. Beide wollten ihre Eignung als Kaiser mithilfe ausdrucksstarker und symbolträchtiger Bildnisse auf Münzen kommunizieren. Nach dem Tod des Severus glich Geta sein Porträt dem seines Vaters an, um seine Beliebtheit zu steigern. Doch Caracalla ermordete Geta kurzerhand und ließ dessen Bildnis sogar auf Münzen auskratzen.
Der Bildband regt durch interessante Details immer wieder zum Nachdenken an – auch über uns und unsere Zeit. Nehmen wir die Constitutio Antoniniana, ein kaiserliches Edikt, durch das Caracalla allen Einwohnern des Reiches das Römische Bürgerrecht verlieh und ein jahrhundertealtes Privileg der Einwohner Roms beendete. Caracalla konnte in der Folge von allen Einwohnern Steuern verlangen, die nur Römer zu zahlen hatten, und seine Finanzen massiv aufbessern.

Aber neben dem finanziellen Aspekt scheint diese Ausdehnung des Bürgerrechts auch die lokalen und regionalen Identitäten gestärkt zu haben. Die Provinzbewohner waren vielleicht stolz darauf, Römer zu sein, aber emotional besetzt war dieser Rechtsstatus für sie nicht. In Gallien kam es zu einer Art „Renaissance“ der eigenen Traditionen: Man produzierte wieder halbvergessene Keramikformen und huldigte besonders traditionellen keltischen Gottheiten. Da kommen einem neben den heutigen Steuergesetzen natürlich Europa und die regionalen Identitäten in den Sinn. Wie sehr die Severer die Rolle der Provinzen gegenüber der Hauptstadt Rom in zunehmendem Maß stärkten, zeigt dieses Buch sehr anschaulich am Beispiel der germanischen Provinzen.

Der Band ist, kurz gesagt, eine schön illustrierte, anregende und lehrreiche Lektüre nicht nur für die Sammler von severischen Münzen. Eine umfangreiche Bibliographie und ein Anmerkungsapparat führen den besonders Interessierten weiter in die Geschichte der Severer ein. Etwas bedauerlich ist nur, dass eine der wichtigsten literarischen Quellen, Cassius Dio, nicht nach der üblichen doppelten Zählung zitiert wird, so dass man bisweilen etwas suchen muss, um das Zitat zu finden. Aber das wiederum verspricht anregende Stunden mit Cassius Dio …

Das Buch finden Sie im Buchhandel oder im Internet.