Der Künstler Cranach im Dienst von Hof und Reformation

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von Uta Wallenstein

9. April 2015 – Zum Thüringer Cranach-Themenjahr anlässlich des 500. Geburtstags von Lucas Cranach d. J. (1515-1586) zeigt die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha in Zusammenarbeit mit der Museumslandschaft Hessen-Kassel bis 19.07.2015 im Herzoglichen Museum Gotha unter dem Titel „Bild und Botschaft – Cranach im Dienst von Hof und Reformation“ eine große Sonderausstellung. In dieser wird im Besonderen die propagandistische Wirkung der Bildschöpfungen Cranachs, seiner Söhne und seiner Werkstatt in den Fokus der Betrachtung gerückt.
Neben herausragenden Meisterwerken der eigenen Sammlungen konnten für die Präsentation zahlreiche nationale und internationale Spitzenwerke als Leihgaben gewonnen werden, die u. a. aus Kopenhagen, Prag und Toledo (USA) ihren Weg nach Gotha nahmen. Das Hauptwerk der reformatorischen Ikonographie, das „Gesetz-und Gnade-Motiv“ ist dabei durch mehrere bedeutende Kunstwerke aus unterschiedlichen Genres der Bildenden Kunst vertreten. Erstmals gemeinsam präsentiert werden dessen wichtigste Gemäldefassungen aus Gotha und Prag, was kunstgeschichtlich einer Sensation gleichkommt.

Bestandteil der großen Sonderausstellung sind auch 16 Münzen und Medaillen aus dem Gothaer Münzkabinett, denn neben den großformatigen künstlerischen Propagandawerken der Reformationskunst spielten Schaumünzen und vor allem das noch junge Medium Medaille eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung der lutherischen Lehre. Leichte Reproduzierbarkeit, Dauerhaftigkeit des Materials, aber auch Handlichkeit und die Möglichkeit einer gezielten Verbreitung in Kreisen des Adels und gebildeten Bürgertums prädestinierten diese geprägten und gegossenen Kleinreliefs in einer ideell bewegten Zeit, zu einem führenden bildlichen Propagandaträger zu werden.
So verwundert es auch nicht, dass die großen Künstler ihrer Zeit, wie Lucas Cranach d. Ä. und Albrecht Dürer, an den Entwürfen einzelner Medaillen auf Kaiser Karl V. (1500-1558) und Kurfürst Friedrich III., den Weisen, von Sachsen (1463-1525) beteiligt waren.
Mit dem gewachsenen Bedarf an religiösen Schaustücken im Rahmen der theologischen Auseinandersetzungen der Zeit erlebten die biblischen und allegorischen Medaillen, die ab 1528 in den erzgebirgischen Münzstätten geprägt und bis in das 17. Jahrhundert hinein wegen ihrer Beliebtheit oft nachgegossen bzw. nachgeahmt wurden, einen bedeutenden Aufschwung.

Als eine frühe Form der biblischen Schaugroschen gelten die dort entstandenen, in einer Vielzahl von Varianten existierenden Pesttaler. Sie sind gleichsam Übergangsgepräge von der erzgebirgischen Großsilbermünze zur religiösen Prägemedaille und ab 1525 nachweisbar.
Mit der Darstellung der „Ehernen Schlange“ des Moses auf dem Avers und der Kreuzigung Christi auf dem Revers des Pesttalers wird bereits auf den heilsbringenden Opfertod des Gottessohnes verwiesen, der sich im zentralen Bildthema der Reformation Gesetz und Gnade in unterschiedlichsten Kunstmedien und Darstellungsvariationen wiederfinden wird. Die „Eherne Schlange“ gilt dabei als Prophezeiung des Opfertods Christi und der Erlösung der Menschheit von Tod und Bösem.

Die szenenreiche biblische Medaille „Sündenfall und Erlösung“ des sächsischen Goldschmieds und Medailleurs Hans Reinhart d. Ä. aus dem Jahr 1536 widmet sich dem zentralen reformatorischen Thema, das von Lucas Cranach d. Ä. als antithetisch-dogmatischer Darstellungstyp konzipiert wurde und in seinem Werk einen bildlich-didaktischen Höhepunkt erreichte.
Theologischer Hintergrund der Gegenüberstellung von Altem und Neuem Testament war bei diesem Bildmotiv die Rechtfertigungstheorie Luthers, in der er auf Berufung des Briefes des Apostels Paulus an die Römer (3,28) zur Sündhaftigkeit der Menschheit verkündete, dass die Menschen gerecht werden vor Gott durch ihren Glauben an Jesus Christus (Glaubensgerechtigkeit), der durch seinen Kreuzestod die Sünden von der Welt nahm.
Bemerkenswert ist die hohe künstlerische Qualität der Medaille, die in der harmonischen und zugleich spannungsreichen Gestaltung der Szenen im Medaillenrund und durch ihre perspektivische Wirkung infolge einer geschickten Herausarbeitung von Bildvorder- und hintergrund zum Ausdruck kommt. Ihr filigraner optischer Reiz ergibt sich durch aufgelötete Silberplättchen, die z. B. das Laub des Baumes, die Haare Evas und den Lendenschurz Christi in besonders kunstvoller Manier erscheinen lassen.

Beeindruckende Zeugnisse aus der Geburtsstunde des Medaillenschaffens in Deutschland sind die Gedenkstücke auf die Generalstatthalterwürde Friedrichs III. des Weisen (1463-1525) von Sachsen. Anlass für deren Entstehung war die Ernennung des Kurfürsten zum Stellvertreter (imperii locum tenens generalis) Kaiser Maximilians I. in Zeiten seiner Abwesenheit vom Reich am 8. August 1507 auf dem Reichstag zu Konstanz. Unmittelbar nach diesem Ereignis gab Friedrich III. Münzen als Verehrpfennige und Medaillen heraus, die dieses Amt und die ihm verliehene exponierte gesellschaftliche Stellung propagieren sollten. Kurfürst Friedrich III. beauftragte mit der Umsetzung seines ehrgeizigen Münz- und Medaillenvorhabens im Verlaufe der Jahre vier Stempelschneider, um die Contrafeitenmünzen nach seinen persönlichen Vorstellungen und Wünschen bestmöglich umzusetzen.
Die Mitwirkung eines herausragenden Künstlers seiner Zeit an den Medaillen-Modellen zeugt jedenfalls im Besonderen von den hohen Qualitätsansprüchen des Kurfürsten. Lucas Cranach d. Ä. stand hierfür zur Verfügung, den er 1504 als Hofmaler nach Wittenberg berufen hatte und der dort seit 1505 ansässig war.

Im Zeitraum von 1513 bis1519 schuf der Nürnberger Hans Krafft d. Ä. (1481-1543) auf der Grundlage von zwei verschiedenen Stempelpaaren Statthaltermedaillen mit dem typischen Brustbild in tiefem Fond.

Die Medaille auf den Sieg über den Schmalkaldischen Bund in der Schlacht bei Mühlberg 1547 und die Gefangennahme des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen von Nickel Milicz feiert den Habsburger Kaiser Karl V. (1500-1558), der sich gemäß der mittelalterlichen Idee des obersten Kirchenherren und des universalen Kaisertums (monarchia universalis) als Schützer der katholischen Christenheit und als Verfechter der Reichseinheit verstand, auf dem Höhepunkt seiner Macht.
Die Vorderseite der Medaille zeigt das katholische Reichsoberhaupt zusammen mit seinem Bruder und Thronnachfolger Ferdinand I. (1503-1564) in imposantem und bedeutungsträchtigem Herrscherporträt. Die Brustbilder der Brüder sind in Profilansicht einander gegenübergestellt, zwei Arkadenbögen auf prunkvoll verzierter Brüstung im Hintergrund bilden eine außergewöhnliche architektonische Rahmung für die plastisch stark erhabenen und physiognomisch ausdrucksstarken Bildnisse. Die Rückseite der Medaille gibt minutiös und aktionsreich das Schlachtfeld bei dem Städtchen Mühlberg (auf der Locherheide) an der Elbe mit Reiterei, kämpfendem Fußvolk und Booten wieder.

Nach der Entscheidungsschlacht bei Mühlberg, dem Sieg des Katholischen Heiligen Bundes unter Führung Kaiser Karls V. von Habsburg (1500-1558) und seines Bruders, König Ferdinand I. (1503-1564), über den protestantischen Schmalkaldischen Bund am 24. April 1547 geriet Kurfürst Johann Friedrich (1503-1554) in Gefangenschaft. Das Kriegsgericht unter dem Befehlshaber des kaiserlichen Heeres Ferdinand Alvarez de Toledo, Herzog von Alba (1508-1582), verurteilte ihn am 10. Mai zunächst zum Tode.
Durch die Fürsprache einiger einflussreicher Reichsfürsten, vor allem aber durch seinen Verzicht auf die Kurfürstenwürde und große Teile seines Territoriums in der Wittenberger Kapitulation vom 19. Mai gelang es schließlich, dieses Urteil zu einer lebenslangen kaiserlichen Gefangenschaft abzuwenden. Die Kurfürstenwürde ging an seinen albertinischen Vetter Moritz von Sachsen (1521-1553) über. Landesterritorial sollte Johann Friedrichs Söhnen durch das Verhandlungsgeschick seiner Räte immerhin der Großteil thüringischer Besitzungen mit der Residenz Weimar verbleiben.

Die qualitätsvolle Medaille von Matthes Gebel aus dem Jahre 1551, die überzeugend die stattliche und charakterfeste Persönlichkeit des Dargestellten festhält, ist ein Auftragswerk Johann Friedrichs und manifestiert seinerseits seinen gesellschaftlichen Status nach der verlorenen Schlacht bei Mühlberg. Die Rückseitenumschrift zitiert seinen glaubensfesten und unerschütterlichen Wahlspruch „Meine Hoffnung liegt in Gott“, die Umschrift auf der Vorderseite nimmt Bezug auf den Verlust der Kurwürde und die Gefangenschaft. Als sichtbare Kriegsverletzung, die Johann Friedrich in der Schlacht bei Mühlberg durch einen Schwerthieb zugefügt worden war, kennzeichnet sein Porträt auf der linken Wange eine große Narbe. Diese findet sich gleichermaßen auch bei Bildnissen Johann Friedrichs in der zeitgenössischen Grafik und Malerei als wesentliches Persönlichkeitsdetail.

Mehr Informationen über die Ausstellung auf Schloss Friedenstein Gotha bietet die Internetseite des Museums.

Über die verschiedenen Ausstellungen und Aktivitäten während des großen „Cranachjahrs“ versammelt die Seite Cranach2015 alle Informationen.