Ein Kampf um Rom

Kaum ein Bürger des Weströmischen Reiches nahm es zur Kenntnis, als Odoaker im Jahr 476 n. Chr. den letzten, politisch völlig unbedeutenden weströmischen Kaiser Romulus absetzte. Den oströmischen Kaiser Zeno informierte Odoaker durch eine Gesandtschaft, über die er freundlich mitteilen ließ, man benötige nun im Westen keinen Kaiser mehr.
Italien war für das Gesamtreich verloren und das auf eine Art und Weise, die nicht allzu schmeichelhaft für die kaiserliche Macht erschien. Es galt also etwas zu unternehmen, ohne allerdings allzu viele Ressourcen einzusetzen. Denn der Kaiser war schwach, der Feinde viel. Wie man sich ihrer entledigen sollte, ein großes Problem.

Solidus des Theoderich im Namen des oströmischen Kaisers Anastasius, geprägt in Rom. Das wertvolle Stück kommt in der Auktionswoche der Firma Künker / Osnabrück zwischen dem 8. und 12. Oktober 2012 zur Versteigerung.

Da kam Zeno die Konkurrenz zweier ostgotischer Verbände gerade recht. Theoderich Strabo (Strabo = der Schieler) wollte sich gegen einen zweiten Theoderich durchsetzen, der sein Königsamt von seinem Vater Thiudimir erbte, nachdem er einige Jahre am Hof in Konstantinopel als Geisel verbracht haben soll. Doch der Schieler hatte Pech. Er fiel vom Pferd, und seine Anhängerschaft lief zu Theoderich über. Damit waren die Ostgoten unter Theoderich vereinigt und ein Machtfaktor, dessen sich Kaiser Zeno zu entledigen wusste, indem er sie mit einem Feldzug gegen Odoaker beauftragte. Theoderich solle im Namen des Kaisers nach dem Sieg die Herrschaft in Italien antreten, bis der Kaiser selbst nachkommen würde.

25.000 bewaffnete Krieger zogen mit Theoderich. Insgesamt dürften rund 100.000 Menschen in Italien eingefallen sein, wo sie am 28. August 489 das Heer Odoakers am Isonzo besiegten. Dies war noch nicht der Schlusspunkt. Mehr als drei Jahre dauerte es, bis es Theoderich gelang, Odoaker zu Verhandlungen zu nötigen. Der ahnte wahrscheinlich die Skrupellosigkeit seines Gegners: Theoderich ermordete Odoaker höchstpersönlich anlässlich eines Festmahls am 15. März 493. Unter dessen Gefolgschaft ließ er ein Blutbad anrichten.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Theoderich bereits eine Gesandtschaft nach Konstantinopel geschickt, die in seinem Namen mit Zeno verhandelte. Der starb jedoch 491 und eröffnete damit beiden Parteien die Möglichkeit, alle Übereinkünfte in Frage zu stellen.

Palast des Theoderich in den Mosaiken von Sant’Apollinare Nuovo / Ravenna.
Foto: The York Project / Wikipedia.

Der neue Kaiser Anastasios brauchte erst einmal Zeit. Es hätte schlecht ausgesehen, wenn er als erste Amtshandlung den Westen mit der alten Hauptstadt Rom zu Gunsten Theoderichs aufgegeben hätte. Er wartete, bis die Ermordung Odoakers die Situation grundlegend veränderte. Damit hatte Theoderich faktisch die Macht in Italien. Anastasius tat nichts als das anzuerkennen. Er schickte Theoderich 497 einige Insignien und machte ihn damit zu seinem Stellvertreter. So blieb die Oberherrschaft des Anastasios zum Schein gewahrt, auch wenn Theoderich sich in seine Regierung nicht hineinreden ließ.

In diesem Sinne sind auch die Goldmünzen zu verstehen, die Theoderich prägen ließ. Man kann sie auf den ersten Blick kaum von den Solidi des Anastasios unterscheiden. Auf der Vorderseite ist mit der Umschrift D(ominus) N(oster) ANASTASIVS P(ius) F(elix) AVG(ustus), also „Unser Herr Anastasius, der Fromme, der Glückliche, Augustus“, die gepanzerte Büste des Kaisers mit Helm, Speer und Schild abgebildet. Die Rückseite zeigt eine Victoria mit langem Kreuz nach links stehend.

Auffällig ist eigentlich nur der Stil und die ungelenken Buchstaben, die klar machen, dass hier eine italienische Münzstätte, in diesem Fall Rom, für Stempel und Prägung verantwortlich zeichnete. Nur ein einziges zeitgenössisches Medaillon mit dem Bildnis des Theoderich existiert, ein heute im römischen Nationalmuseum zu sehender dreifacher Solidus, dessen Umschrift REX THEODERICVS PIVS PRINC(eps) I(nvictus) S(emper) lautet.

Damit hielt sich Theoderich bei seiner Goldprägung in Grundzügen an das, was schon sein Vorgänger, Odoaker getan hatte: Münzen im Namen des offiziellen Kaisers zu prägen, ohne den eigenen Namen zu erwähnen. Odoaker hatte die Münzstätten in Rom, Ravenna und Mailand weiter geführt, Münzen zunächst im Namen des Iulius Nepos, dann im Namen Zenos herausgegeben.
Theoderich fügte nur bei einigen wenigen Gold-Emissionen sein eigenes Monogramm auf der Rückseite hinzu. Auf den Silbermünzen dagegen ließ er sein Monogramm bildfüllend auf die Rückseite setzen.

Die numismatische Doppelgleisigkeit passt zu der gesamten Politik des Theoderich. Er definierte seine Stellung nie genau, um so allen Bürgern seines Reiches ein Herrscher sein zu können. Er vermied es, den oströmischen Kaiser zu brüskieren, indem er dessen Titel und Privilegien nicht benutzte. Auf der anderen Seite übernahm er Elemente der kaiserlichen Repräsentation wie zum Beispiel die Feier der Herrschaftsjubiläen. Der Historiker Prokop sollte über diese fein abgewogene Politik später schreiben: „Die Insignien und Bezeichnung eines römischen Kaisers anzunehmen, lehnte er ab. Zeitlebens ließ er sich nur rex nennen – so heißen die Barbaren ihre Führer –, regierte aber über seine Untertanen mit kaiserlicher Machtfülle. […] So war Theoderich dem Namen nach ein Gewaltherrscher, in Wirklichkeit jedoch ein echter Kaiser und stand keinem seiner berühmten Vorgänger irgendwie nach.“

Grabmal des Theoderich in Ravenna. Foto: Eulenjäger / Wikipedia (Creative Commons Lizenz 3.0).

Theoderich fungierte gleichzeitig als König für sein Volk und als Vertreter des Kaisers für Ostrom und die römische Zivilverwaltung. Es war ein Balanceakt, den seine Nachfolger nicht mehr beherrschten. Erbe des Theoderich wurde nach seinem Tod im Jahre 526 ein 10-jähriges Kind namens Athalarich, das bereits im Alter von 18 Jahren starb.
Es sollte vom Tod Theoderichs bis zum Ende des ostgotischen Reichs in Italien ein knappes Vierteljahrhundert vergehen, sechs Könige und eine Königin herrschen. 552 vernichtete der kaiserliche Feldherr Narses im Auftrag von Kaiser Iustinian das Heer der Ostgoten. Das einst so große Volk hörte damit auf zu existieren.

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