Eine amerikanische Münzbörse gesehen mit europäischen Augen

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von Ursula Kampmann

1. September 2011 – Vom 16. zum 20. August 2011 fand nahe dem Flughafen von Chicago die World’s Fair of Money der American Numismatic Association statt. Es war eine typisch amerikanische Börse, wie ein Europäer sie sich kaum vorstellen kann.

Supersized – das gilt nicht nur für Chicagos Wolkenkratzer, auch die Börse hatte übermenschliche Ausmaße. Foto: UK.

Allein die Dauer: 5 Tage waren offiziell für die Börse angesetzt. Und wem das immer noch nicht genügte, der konnte bereits am Freitag, dem 12. August um 16.00 mit der Pre-Show beginnen. Nimmt man dann noch die ausgedehnten Öffnungszeiten von 9 bis 18 Uhr dazu, dann standen zum Geldausgeben insgesamt 74 Stunden zur Verfügung. Eine geradezu endlose Zeit verglichen mit europäischen Börsen, die häufig mit 8 Stunden auskommen.

Das Donald E. Stephen Convention Center. Foto: Wikipedia.

Genauso überdimensioniert wie die Dauer waren die geographischen Gegebenheiten. Das Donald E. Stephen Convention Center verfügt über 780.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. 780.000 Quadratmeter! Die konnten nicht einmal die fast 500 Aussteller der World’s Fair of Money füllen. Es gab also gleichzeitig noch eine zweite Veranstaltung.

Durch unendlich lange Gänge gelangt man zum Convention Center. Foto: UK.

Das Convention Center ist über Kilometerlange Gänge mit zwei großen Hotels und den Parkgaragen verbunden. Diese Gänge sind schmal, mit großen Fenstern versehen und über Klimaanlagen auf Antarktis getrimmt – genauso wie übrigens die Räume der Münzenbörse selbst. Daran muß man sich als Energie bewußter Deutscher erst gewöhnen, daß man trotz einer Außentemperatur von weit über 30 Grad für den Börsensaal eine dicke Jacke braucht.

Mitten in Chicago ein deutsches Dorf. Foto: UK.

Die endlosen Gänge werden durch einen Raum aufgelockert, der ein deutsches Dorf wiedergeben will. Schließlich waren die Deutschen um 1870 die größte ethnische Gruppe in der Stadt und noch heute gibt es ein „Germantown“mit deutschen Spezialitäten und einem Oktoberfest. – Ach ja, typisch amerikanisch ist vor allem der leicht abwaschbare Glasschutz der Malereien. Anscheinend hat man hier schon mehr Erfahrung wie man mit Graffiti umgeht.

Der Eingang zur Münzbörse. Hier kann man nur lernen. Foto: UK.

Die Kassen sind auf Ansturm vorbereitet: Schnüre sind gespannt, damit sich die Einlaß Suchenden ordentlich anstellen können, ohne daß es zu einem Gedränge kommt.

Ein Blick in den Börsensaal. Foto: UK.

Eine Gesamtaufnahme des Börsenraums? Vergessen Sie’s. Keine Chance, dafür ist er einfach zu groß. Das Problem dabei ist, daß trotz guter Geschäfte die Gänge immer so wirken, als seien keine Sammler anwesend. Trotz hoher Besucherzahlen verlaufen sich die Leute.

Jack H. Beymer und seine Frau, Spezialisten für US-Münzen. Foto: UK.

Viele deutsche Sammler würden sich schwer tun damit, daß sie nicht – geschützt durch den allgemeinen Andrang – das Lager eines Händlers mustern können, ohne angesprochen zu werden. Hier auf der ANA gibt es keine heimlichen Blicke. Der Händler begrüßt jeden Kunden und fragt, ob er helfen kann. Er wartet geradezu auf einen Schwatz. Schließlich vergehen so die 74 Stunden, die er hinter seinem Tisch sitzen muß, ein wenig schneller. Ich habe auf der anderen Seite niemanden gesehen, der einen Kunden zu einem Kauf drängte. Es hat eine gewisse Selbstverständlichkeit, wenn der Kunde sich die Ware ansieht, und dann wieder den Tisch verläßt, ohne etwas gekauft zu haben.

Der Tisch von Baldwin mit einigen Stücken aus der Prospero Sammlung. Foto: UK.

Bei einigen Stationen stand sowieso das Ansehen im Vordergrund, so bei dem Londoner Auktionshaus Baldwin, das hier einige Münzen der Prospero Sammlung ausstellte, die im Januar in New York versteigert werden. Das war, als hätte das British Museum eine Zusammenstellung seiner griechischen Highlights zur ANA mitgebracht.

Der Tisch der ANS, der American Numismatic Society. Foto: UK.

Die ANA hatte gleich einen ganzen Bereich aufzuweisen, in dem verschiedene amerikanische Münzsammlervereine um neue Mitglieder warben. Nicht nur ANA und ANS waren da, sondern auch eine Reihe von lokalen Münzvereinen, darunter in unseren Augen exotische wie das Philippine Collectors Forum, der Liberty Seated Collectors Club oder die International Organization of Wooden Money Collectors.

Der Stand der Münze Österreich mit seinen charmanten Vertreterinnen. Foto: UK.

Einige Münzstätten waren ebenfalls anwesend, so die Münze Österreich, die einen eindrucksvollen Stand gleich neben dem Eingang hatte. An der imposanten Bergkulisse konnte man gar nicht vorbei gehen.

Der Stand der Japan Mint. Foto: UK.

Und das Lächeln, das einen am Stand der Japan Mint erwartete, war einfach unschlagbar.
Dabei fand das Hauptgeschäft der Münzstätten gar nicht im Börsensaal statt. Während nur wenige Münzstätten einen eigenen Stand aufgebaut hatten, fand man viele Vertreter der einzelnen Länder in den verschiedenen Hotel-Lobbies bei geschäftlichen Verhandlungen.

Der Pagenservice der ANA. Foto: UK.

Keine europäische Börse kennt diese starke Integration von Freiwilligen bei der Organisation. Eine besonders liebenswerte Erscheinung dabei ist der Pagenservice. Buben und Mädchen, bei der ANA in rote Umhänge gekleidet, helfen den Münzhändlern mit Besorgungen oder dem Putzen der Glasvitrinen, um sich ein kleines Taschengeld zu verdienen.

Darth Vader wirbt für eine neue Münzserie aus Neuseeland. Foto: UK.

Ich hoffe, daß die beiden Jungen, die in diesen Masken steckten, mehr verdienten. Ihre Verkleidung muß scheußlich heiß gewesen sein! Die beiden Figuren aus Star Wars warben für die Münzstätte von Neuseeland, die eine Serie zum Krieg der Sterne herausgebracht hat.

Werbefigur für die U.S. Mint. Foto: UK.

Diese Werbefigur gehört zu einer Reihe von Comic-Charakteren, die die U.S. Mint für Kinder entwickelt hat. Auf ihrer Website gibt es ein ausgedehntes Programm, mit dem sie Jugendliche an das Sammeln heranführen will.

Der Stand der U.S. Mint. Foto: UK.

Auch der Stand der U.S. Mint war eindrucksvoll. Es gab Werbegeschenke, Prospekte und eine Schau derzeit aktueller Münzen.

Der Stand des Bureau of Engraving and Printing. Foto: UK.

Der Stand der Notendruckerei stellte die U.S. Mint allerdings spielend in den Schatten.

Souvenirs vom Bureau of Engraving and Printing. Foto: UK.

Es gab ein Gewinnspiel, eine alte Notenpresse, eine Ausstellung und eine ganze Palette an Souvenirs: Mein Favorit sind die Golfbälle mit Banknoten-Design. Leider habe ich keine Möglichkeit entdeckt, diese Produkte im Internet zu kaufen.

Dollarnoten nach einem Wasserschaden. Foto: UK.

Haben Sie schon einmal überlegt, was Sie mit einem kleinen Vermögen in Banknoten machen, wenn die ins Wasser geraten sind, die Mäuse sie gefressen haben oder ein Feuer sie zerstört hat?

Dollarnoten zerstört von einem Feuer. Foto: UK.

In den Vereinigten Staaten reicht man solches Geld dem Bureau of Engraving and Printing ein. Es gibt eine Stelle, die sie wieder zusammensetzt, um den Verlust zu verifizieren, der dem Eigentümer erstattet wird.

Das Ausstellungsgelände der World’s Fair of Money. Foto: UK.

Wenn wir gerade beim Ausstellen sind: Die ANA veranstaltet einen Wettbewerb, der ihren Mitgliedern die Möglichkeit gibt, ihr spezielles Sammelgebiet einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen.

Sparkassen aus Papier – und das in den verschiedensten Designs. Foto: UK.

Es ist eindrucksvoll, was da im Rahmen dieses Ausstellungswettbewerbs alles präsentiert wird. Jeder gibt sich Mühe, sein Sammelgebiet möglichst umfassend den Betrachtern darzustellen. Mich haben besonders diese „Spardosen“ beeindruckt, einfache Papierbögen, in die Münzen eingesteckt wurden zu einer Zeit, als diese Münzen noch etwas wert waren.

Gewinner-Vitrine. Foto: UK.

Die stolzen Gewinner werden mit einer Schleife dekoriert.

Achten Sie bitte auf das Namenschild. Foto: UK.

Ach ja, Dekorationen. Dies gehört zu den Dingen, die für einen Europäer wirklich exotisch sind. Betrachten Sie bitte das ausgedehnte Namensschild, das der Herr um seinen Hals trägt. Es gibt dem Gegenüber gleich zu verstehen, mit wem er es zu tun hat, nämlich mit einem Aussteller, der seit 25 Jahren Mitglied der ANA ist und diverse Funktionen ausübt.

Preisverleihung der ANA. Foto: UK.

Und damit wären wir bei dem Grund, warum die World’s Fair of Money so lange dauern muß. Sie ist lediglich der Hintergrund für eine ganze Fülle von Aktivitäten. Da gibt es die Vorträge, aber auch die Preisverleihungen an alle, die sich um die Numismatik im allgemeinen und ihren Verein im besonderen verdient gemacht haben. Wenn ich alle europäischen Preise zusammenzähle, komme ich noch nicht einmal auf einen Bruchteil der Preise, die während einer einzelnen Zeremonie der ANA innert zwei Stunden verliehen wurden. Da gibt es Preise für den besten, den zweitbesten, den drittbesten Artikel in soundso viel Kategorien. Da werden diejenigen ausgezeichnet, die am meisten neue Mitglieder für die ANA geworben haben (und die Zahlen, die ich dabei hörte, sind imposant!). Es gibt Preise für den wichtigsten Nachwuchsnumismatiker und und und…

Das Treffen von WIN: Women in Numismatics. Foto: UK.

Selbstverständlich nutzen auch zahlreiche Vereine die Gelegenheit, um sich zu treffen. Ich besuchte das Treffen von WIN, von Women in Numismatics. Ja, das gibt es in den Vereinigten Staaten, und ich überlege mir ernsthaft, ob man nicht einen europäischen Zweig einrichten sollte.

Die Auktionen spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle. Foto: UK.

Neben den vielen Veranstaltungen, die in den fünf Börsentagen untergebracht werden müssen, gibt es natürlich noch die Auktionen, bei denen nicht nur Tausende von Münzen verkauft werden. Sie sind auch eine Haupteinnahmequelle der Börseninhaber. Schließlich zahlt der Auktionator dafür, daß er seine Auktion im Rahmen der Börse abhalten darf.

Und das war’s aus Chicago. Ach ja, eine lustige Kleinigkeit in eigener Sache gibt es noch nachzutragen. Daß die World’s Fair of Money ihren Namen nach einer deutschen Münzenmesse gewählt hat, dürfte den Kennern der Szene klar sein. Nun gibt es auch eine amerikanische online Publikation, die ihren neuen Namen „Coin Week“ in Anlehnung an die damals schon länger erscheinende CoinsWeekly festlegte. Daß sie nun im Programm der ANA unter eben diesem Namen erschien, nun das zeigt wieder einmal, daß Qualität ein Produkt bekannt macht und nicht ein Name.