Expeditionen ins Reich der Numismatik Teil 2: Herkules im Hinterhof und eine paduanische Herkules-Medaille

von Michael Matzke

Eine Herkules-Medaille mit besonders hohem Relief wird den sogenannten „Paduanern“ zugerechnet, da die Stempel für diese Medaille zusammen mit denen der eigentlichen „Paduaner“, d.h. der Sesterz-Kopien von Giovanni da Cavino (1500-1570), in Paris aufbewahrt werden. Stil und Signatur dieser Stücke sprechen aber gegen eine Autorschaft Cavinos. Gleichwohl laufen in Padua die Fäden für die Lösung des Rätsels um diese beeindruckende Prägemedaille zusammen.

Medaille auf Herkules mit der Übergabe des vergifteten Gewands der Deianeira an den Helden, Exemplar der Sammlung Ludovic Demoulin de Rochefort (1515-1582) überliefert über das Amerbach-Kabinett, Historisches Museum Basel (HMB), Inv. 1905.744.

Eine große Serie von Prägestempeln aus der Werkstatt des paduanischen Goldschmieds und Medailleurs Giovanni da Cavino (1500-1570) wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts von seinen Nachfahren nach Paris verkauft und dort werden sie noch heute im Cabinet des Medailles der Bibliothèque nationale de France aufbewahrt. Bereits im Jahr 1692 veröffentlichte Claude du Molinet auf fünf Tafeln die damals im Cabinet de la Bibliothèque de Ste. Geneviève verwahrten Stempel des auch in dieser Zeit sehr geschätzten italienischen Medailleurs.

Prägestempel der Medaille auf Herkules aus der Werkstatt des Giovanni da Cavino (1500-1570), Bibliothèque nationale de France, Cabinet de Medailles, SC. PAD. 24 & 45.

Als Nummer XL wird dort das Medaillon auf Herkules verzeichnet und beschrieben. Der Autor konnte zwar das Stück problemlos beschreiben, sowohl den Kopf mit Eichblattkranz und Löwenfell als auch die Szene der Übergabe das Gewands mit dem Gift des Minotauros Nessos, doch die Signatur der Rückseite, ein ligiertes HB, konnte er nicht auflösen.

Seitenverkehrte Reproduktion der Medaillenstempel für das Herkules-Medaillon in der Publikation von Claude du Molinet, Universitätsbibliothek Basel, Sign. AD I 85:1-2.

Während Claude du Molinet mit Bezug auf einen ungenannten Freund vorschlug, HB als „Hercules Bassiani“ aufzulösen – Alessandro Bassiano war der antiquarische Gelehrte, der zusammen mit Cavino die Medaillen in antiker Manier konzipierte –, wurde in jüngerer Zeit von Giovanni Gorini eine Auflösung als „Hercules Benavidis“ vorgebracht. Denn der Kopf des Herkules auf dem Medaillon entspricht weitgehend dem der über sieben Meter hohen Monumentalstatue, die Marco Mantova Benavides (1489-1582), der herausragende Jurist seiner Zeit und führende Kunstmäzen in der venezianischen Universitätsstadt, um 1544/45 im Hinterhof seines neuen Palazzo errichten ließ. 

Herkules-Medaille im Vergleich mit der Herkules-Statue im Hinterhof des Palazzo von Marco Mantova Benavides (1489-1582), unweit der Eremitani-Kirche, in der er sich auch ein Monumentalgrab errichten ließ.

Er sah die sprichwörtlichen Mühen des antiken Heroen und Tugendhelden als Vorbild für seine eigenen Mühen an. In der Inschrift einer Grafik von Enea Vico (1523-1567), die diese paduanische Herkules-Statue in einer antiken Landschaft idealisiert darstellt, wird hervorgehoben, dass Benavides dieses Denkmal errichten ließ, weil Herkules die Welt von allem Unheil befreite („tristitiam orbis depulit omnem“). Entsprechend wird Herkules auf der Medaille auf der Vorderseite als Triumphator mit Eichenlaubkranz und Löwenfell sowie auf der Rückseite vor einem Triumphbogen und mit einer zepterartigen, überlangen Keule dargestellt; andererseits gemahnt die Szene der Rückseite ganz im Sinne eines Vanitas-Motivs sogleich an den Tod des Helden. Die unmittelbare Vorlage für diese Darstellung der Rückseite – allerdings ohne Triumphbogen – stammt von einem um 1545 datierbaren Kupferstich des Hans Sebald Beham (1500-1550), auf den sich auch das Kürzel beziehen könnte. So stehen Triumph und Tod wie bei vielen Renaissance-Medaillen einander unmittelbar gegenüber.

Medaille von Giovanni da Cavino auf Marco Mantova Benavides (1489-1582), rückseitig mit Tempelädikula und Inschrift auf die „Ewigkeit [der Familie?] des Mantua“ („Aeternitas Mant.“), HMB Inv. 1905.582.

Über das Amerbach-Kabinett sind noch weitere Medaillen und Plaketten auf Herkules überliefert, die möglicherweise auch auf den Umkreis des Benavides zurückgehen, aber von anderen Künstlern stammen. Daher ist es durchaus wahrscheinlich, dass Benavides dieses Medaillon auf den von ihm besonders verehrten Helden in Auftrag gegeben hat, so wie er auch von Giovanni da Cavino mehrere Medaillen mit seinem Porträt anfertigen ließ. 

Plakette auf Herkules mit Löwenfell, HMB Inv. 1905.5082.

Medaille auf Alexander den Großen als Herkules nach einer makedonischen Tetradrachme, aber mit weiteren Herkules-Motiven wie der Keule und den Äpfeln der Hesperiden auf der Rückseite, HBM Inv. 2009.180.1.

So wäre die Signatur als Kürzel für „Hercules Benavidis“ ein Verweis auf die paduanische Herkules-Statue, und der für Cavino außergewöhnliche Stil des Vorderseiten-Porträts wäre durch die Anlehnung an die Statue zu erklären. Doch lässt sich Benavides zum Beispiel auf Medaillen und in der Inschrift der Grafik von Enea Vico nur „Mantua“ nennen („peramplo hoc signo Mantuae cura reflorescit“), den Namen Benavides also als Beinamen behandeln. Zudem widerspricht die Verschlüsselung in zwei ligierten Initialen in gewisser Weise einer klaren Aussage-Absicht, zumal die Vereinnahmung des idealen Heroen als „Herkules des Benavides“ auch Benavides‘ Verehrung für ihn widerspräche. Die Herkules-Statue bietet aber auch noch einen weiteren Schlüssel zur Auflösung der Signatur auf der Medaille. Denn der junge toskanische Künstler Bartolomeo Ammanati (1511-1592) schuf diese erste monumentale Herkules-Statue der Neuzeit und einige weitere Werke im Auftrag von Benavides, bevor er nach Florenz weiterzog, um dort einer der führenden Bildhauer und Architekten zu werden. Sein Name lautet auf Lateinisch „Bartolomeus Hammanatus“, seine Initialen wären mithin B und H. In diesem Sinne könnte man annehmen, dass zumindest der Entwurf für diese Medaille von Bartolomeo Ammanati stammt, die Stempel aber von Giovanni da Cavino als dem technisch versiertesten Meister der Prägemedaille geschnitten wurden. Denn technisch weichen die Stempel für diese Medaille nicht von denen der Paduaner-Medaillen nach römischen Sesterzen ab. In ähnlicher Weise gibt es auch eine Plakette mit dem Kopf der Lucretia, die das Dürer-Monogramm und die Jahreszahl 1508 trägt, weil sie nach einer Zeichnung des Selbstmords der Lucretia von Dürer gestaltet wurde. Auch in diesem Fall ist der Entwerfer nicht der Medailleur, der übrigens unbekannt ist.

Plakette mit dem Kopf der Lucretia nach einer Zeichnung von Albrecht Dürer (1471-1528), nach 1508, HMB Inv. 1905.591.

Marco Mantua Benavides hat also zu seiner monumentalen Marmor-Statue auch eine Medaille von demselben Bildhauer Bartolomeo Ammanati entwerfen lassen, während die Gravur der Stempel und die aufwendige Prägung durch den herausragenden Meister der Prägemedaille, Giovanni da Cavino, angefertigt wurden. So erweist sich die Herkules-Statue im Hinterhof des Palazzo von Benavides als Schlüsselobjekt zum Verständnis der beeindruckenden Medaille. Daher wurde die bezugreiche Medaille als Leitstück der Ausstellung „Gefälschte Antike? Die Paduaner und die Faszination der Antike“ gewählt, die noch bis zum 8. Mai im Historischen Museum Basel zu sehen ist.

Hier kommen Sie direkt zum historischen Museum Basel.

Sie können sich ein paar ganz besondere Stücke aus dem Münzkabinett Basel auch im Internet ansehen.

Wenn Sie es etwas ausführlicher und etwas Numismatischer wollen, hier gibt es einen Artikel von Michael Matzke zur Geschichte des Münzkabinetts.

Teil 1 der „Numismatischen Expeditionen“ lesen Sie hier.