Momente der Ewigkeit: Italienische Medaillen der Renaissance in Winterthur

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31. Juli 2014 – Die neue Wechselausstellung des Münzkabinetts Winterthur präsentiert noch bis zum 19. April 2015 rund 60 Objekte aus einer bedeutenden Schweizer Privatsammlung und aus dem eigenen Fundus.

Matteo de‘ Pasti (um 1420-1467/68), Medaille von 1446 für Sigismondo Pandolfo Malatesta, Herr von Rimini (1432-1468). Copyright: Münzkabinett der Stadt Winterthur, Foto: Lübke & Wiedemann, Stuttgart.

Zu sehen sind Werke der besten italienischen Medailleure der italienischen Renaissance wie Pisanello, Fiorentino, Matteo de’ Pasti, Sperandio, Lysippus oder Giovanni Boldù.
Sie enthalten prägnante Porträts, aber auch auf die Antike zurückgehende Figuren und mythologische Szenen, die christliche und antike Tradition verbinden. Die Ausstellung „Momente der Ewigkeit“ thematisiert verschiedene spannende Aspekte, welche zu einer Hochblüte der Medaillenkunst in der italienischen Renaissance geführt haben.

Der vitruvianische Mensch, Proportionsstudie nach Vitruv von Leonardo da Vinci (1492). Quelle: Wikicommons / Foto: Luc Viatour / www.Lucnix.be.

Unsere Sicht auf die Zeit der Renaissance ist geprägt von starken Bildern: Die Epoche steht für die Herausbildung des Menschen als Individuum im Geiste des Humanismus, für den Rückgriff auf Werte, Figuren und Ästhetik der Antike. Sie ist aber auch geprägt von einer Herrscherschicht, die in der Spannung zwischen Machtdenken und Kunstgefühl, zwischen kriegerischer Grausamkeit und verfeinerter höfischer Kultur lebte. Im Italien des 15. und 16. Jahrhunderts, das in der Ausstellung „Momente der Ewigkeit“ als Wiege der Medaillenkunst im Fokus steht, kommt eine komplexe politische Landschaft hinzu, die sich in ständiger Dynamik befand − ausgehend von gesellschaftlich und kulturell aktiven Fürstenhöfen sowie den wirtschaftlich prosperierenden Städten jener Zeit.

Pisanello (1395-1455), Medaille von 1447 für Cecilia Gonzaga (1424-1451).Rückseite: Eine halb bekleidete Jungfrau zähmt in einer Mondlandschaft ein Einhorn durch Handauflegen. Copyright: Münzkabinett der Stadt Winterthur, Foto: Lübke & Wiedemann, Stuttgart.

So ist es kein Zufall, dass in dieser Aufbruchszeit die neue Kunstform der Medaille entstand. Sie war ein portables Kleinkunstwerk, das wichtigen geistigen und gesellschaftlichen Tendenzen eine feste Form verlieh und als Metallguss von dauerhaftem Charakter war. In kleiner Auflage hergestellt und sozusagen in der Hand der Betrachter liegend, erfüllte die Medaille zudem den Wunsch nach kleinen Momenten der Ewigkeit auf hervorragende Weise. In den Darstellungen begegnete das Flüchtige dem Unsterblichen. Die Medaille versprach fama (Ruhm) und memoria (Gedenken).
Weil sie nicht dem Warentausch dienten, waren Medaillen die perfekte Gabe: Sie wurden im Freundes- und Familienkreis verteilt, Gästen gewidmet und auch gesammelt. In Bauten wurden Medaillen als Grundsteingaben für die „Ewigkeit“ deponiert.

Das geistige Umfeld: Die Herausbildung des Renaissance-Humanismus
Neben dem mittelalterlichen Menschenbild, das vom einzelnen ein Gott zugewandtes Erdulden diesseitiger (und oft widriger) Lebensbedingungen abverlangte in der Hoffnung auf eine Erlösung im Jenseits, entstand eine Bewegung, die auf das antike Konzept der „Humanitas“ zurückgriff.

Sperandio von Mantua (1425/27-nach 1504), Medaille von 1462 für Giovanni II. Bentivoglio, Signore von Bologna (1463-1506). Vorderseite: Brustbild nach links mit Kappe und Kette. Copyright: Münzkabinett der Stadt Winterthur, Foto: Lübke & Wiedemann, Stuttgart.

Durch die Verbindung von Wissen und Tugend soll der Mensch ein neues Selbstbewusstsein und die Fähigkeit entwickeln, seine individuelle Bestimmung zu verwirklichen. Das neue Selbstverständnis des Individuums kommt auch in Porträts zum Ausdruck, die nicht mehr nur der herrschenden Elite vorbehalten waren. Noch früher als im Gemälde erlaubte die Medaille das Einzelporträt von Kaufleuten, Gelehrten und anderen Personen der Gesellschaft.

Im Wettstreit der Künste – die neue Stellung der Medaillen-Künstler
Die Renaissance-Medaille erlaubte durch ihre Größe ausgefeilte Bilddarstellungen.

Niccolò Fiorentino (1430-1514), Medaille von 1498 für Alessandro di Gino Vecchietti (1472-1532), um 1498. Vorderseite: Brustbild nach rechts. Copyright: Münzkabinett der Stadt Winterthur, Foto: Lübke & Wiedemann, Stuttgart.

Selbstbewusste und gebildete Künstler wie Pisanello oder Fiorentino sahen diese Möglichkeiten und traten mit der Medaille in einen Wettstreit mit anderen Künsten wie der Malerei oder der Poesie: Die Medaille sollte als bildnerisch und emblematisch überlegene Kunst erscheinen.

Unter ihnen entstand eine lebendige Debatte über den Rang der Künste, die in der Form der „Paragone“ geführt wurde, als Vergleich der Kunstformen. Die Medailleure, die eine neue und „handwerkliche“ Kunst vertraten, beteiligten sich mit Stolz an diesem Wettstreit.

Pisanello (1395-1455), Medaille von ca. 1441 für Francesco Sforza, Herzog von Mailand (1450-1466). Rückseite: Pferdekopf, daneben drei Bücher, darunter Schwert. Copyright: Münzkabinett der Stadt Winterthur, Foto: Lübke & Wiedemann, Stuttgart.

Pisanello schuf im Umkreis des Este-Hofes in Ferrara und des aragonesischen Königshauses in Neapel – beide hatten sich 1444 durch Heirat verbunden – thematisch komplexe Medaillen, die als Kommentar zum Wettstreit der Künste gelesen werden können. In sehr direktem Symbolismus, aber unter vielschichtigem Rückgriff auf antike Traditionen führen diese Medaillen die Debatte weiter. Sie sind nicht leicht zu entschlüsseln und geben uns zum Teil auch heute noch Rätsel auf.

Einzigartige Objekte
Die Ausstellung „Medaillen der italienischen Renaissance“ zeigt einzigartige Objekte aus einer bedeutenden Schweizer Privatsammlung und macht diese zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Das Buch zur Ausstellung von Peter Volz, einem ausgewiesenen Kenner von Renaissance-Medaillen und -Plaketten, ist im Museumsshop erhältlich.

Nähere Angaben zu den Öffnungszeiten und zur Ausstellung finden Sie auf der Seite des Münzkabinetts Winterthur.