Neues aus der Welt der Münztechnologie – Teil 2

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von Ursula Kampmann

18. Februar 2016 – Es gibt ein paar Fixpunkte im Kalender der Münztechniker: Als einer der wichtigsten hat sich in den letzten Jahren das Technical Forum etabliert, das jedes Jahr am Donnerstag vor der Eröffnung der World Money Fair von Dieter Merkle / Schuler Pressen und Thomas Hogenkamp / Spaleck organisiert wird. 

Zusammenfassungen zu den ersten sechs Vorträgen lesen Sie hier.

Robert Newman und Timothy Buck / Artcam: Digital Sculpting

Sie sind schon fast ein fester Bestandteil des Technical Forum, die Vertreter der Firma Artcam, die ihre neuesten Tools vorstellten. Mit Hilfe des von Artcam entwickelten Computerprogramms wird die alte Kunst des Gravierens in die moderne Welt transferiert.
Ihre wichtigste Botschaft war, dass das Programm inzwischen noch schneller geworden ist.
Aber natürlich gibt es auch sonst ein paar hübsche neue Features. So zum Beispiel kann man den Figuren, die zu gestalten sind, „Knochen“ geben, anhand derer Bewegungen völlig natürlich nachvollziehbar sind. Als Beweis diente ein (eigentlich knochenloser) Seestern, der computeranimiert völlig natürlich im Gangnamstyle tanzte.

Phoenix Ascendant. Foto: The Royal Mint.

Gordon Summers / The Royal Mint: The Future of Craftsmanship in a Technologically Advanced Business

Dazu passte eigentlich wunderbar der Vortrag von Gordon Summers, dem Chief Engraver der Royal Mint. Er stellte die unendlich komplizierte traditionelle Produktion eines Münzstempels der neuen, wesentlich schnelleren Herstellung mit Computerdesign und Lasertechnik gegenüber.
Er wies auf das Problem hin, dass die Öffentlichkeit und damit vor allem die Kunden von Gedenkmünzen immer noch davon ausgehen würden, dass alle Mutterstempel von Hand von einem Künstler gestaltet würden.
Wie soll man damit umgehen, das war seine Frage: Verlangt die Kundenvorstellung mehr oder weniger Technologie? Oder soll man vielleicht versuchen, die Vorurteile der Käufer zu verändern?
Gordon Summers antwortete, wie wohl alle von der Technik begeisterten Münztechniker geantwortet hätten. Natürlich müsse man mehr und bessere Technologie für die Prägung einsetzen. Am Beispiel einer Medaille mit dem Namen Phoenix Ascendant (= der aufsteigende Phönix) habe man in der Royal Mint einmal alle Technologien angewandt, die man derzeit beherrsche. Das Ergebnis ist das so genannte „Masterpiece“, von dem nur zwei Exemplare auf den freien Markt gelangen werden.

Rüdiger Böhm / Rösler Oberflächentechnik: Surface preparations for the minting industry

Rüdiger Böhm sprach über die jüngsten Entwicklungen in Sachen Oberflächentechnik für Gedenk- und Umlaufmünzen bzw. Prägestempel. Für die Gedenkmünzen verzichte man in den Maschinen MPA 07.1 E/SA und 17.1 E/SA auf die Schritte, die ein Schleudern in der Fliehkraft-Gleitschliffmaschine (Centrifugal Tumbling Machine) involvieren, wodurch die gereinigten Ronden eine wesentlich bessere Qualität besitzen.
Für Umlaufmünzen stellte Rüdiger Böhm zwischengeschaltete, kippbare Magazine vor, dank derer man die Menge der gleichzeitig die Maschine durchlaufenden Münzen besser kontrollieren kann.
Überhaupt die Kontrolle: Dank modernster Computertechnologie kann der gesamte Reinigungsvorgang auch von außerhalb gesteuert werden.
Ein Patent erwartet Rösler derzeit für seine automatische Optimierung der Spaltbreite bei seinen Fliehkraft-Gleitschliffmaschinen. Von dem neuen Verfahren erhofft man sich niedrigere Wartungszeiten, niedrigere Kosten für Ersatzteile und größere Produktionskapazitäten.
Auch zur Bearbeitung von Münzstempeln offerierte Rüdiger Böhm ein neues Verfahren. Mittels der Rundvibratortechnik könne man mit Hilfe von kunststoffgebundenen Schleifkörpern in ca. 6 Stunden und mit trockenem Polieren in ca. 1 Stunde sehr gute Ergebnisse bei der Stempelbearbeitung erzielen.

Ingo Löken / Spaleck Oberflächentechnik: New innovative drying / anti-tarnishing protection methods within the surface finishing process for circulation coin blanks

Ingo Löken von Spaleck beschäftigte sich mit der besten Methode, innerhalb einer Stunde 1.600 kg Ronden für Umlaufmünzen zu trocknen. Dafür hat Spaleck im Dezember 2015 eine neue Maschine, die Z44 BFC eingeführt, die das Doppelte dessen abwickeln kann, was bisherige Maschinen schafften. In ihr ist ein völlig neues Trocknungssystem integriert.
Seit den 90er Jahren beruhte die Trocknung der gereinigten Ronden auf heißer Luft, mit der wie in einem gigantischen Föhn die Ronden trocken geblasen wurden. Doch die hohe Temperatur, der die Ronden dabei ausgesetzt sind, schadeten der Beschichtung gegen das Anlaufen. Deshalb wird die Trocknung in der neuen Z44 BFC völlig neu gestaltet: Neben ein Vortrocknen mit kalter Luft tritt ein Trocknungsverfahren auf einer HighTech-Stoffbahn. Dieses System zeigt wesentlich bessere Ergebnisse beim Trocknungsverfahren und kann problemlos in existierende Systeme integriert werden. Es erzeugt Ronden in Umlaufmengen mit einer Qualität, die man bisher nur von Edelmetallronden gekannt hat.

Martin Stahlschmidt / Gräbener Pressensysteme: High-Speed Pick&Place System for Gräbener Flexmedal FM250

Martin Stahlschmidt, neuer Geschäftsführer von Gräbener Pressensysteme, widmete seinen Vortrag der Flexmedal, einer Prägepresse, die speziell zur Herstellung von kleinen Losgrößen in bester Qualität entwickelt wurde. Mit einer Presskraft von 2500 kN kann sie – mit Hilfe der automatischen Zuführung „Pick & Place“ – bis zu 10 Münzen in der Minute bei einem Durchmesser von 50 mm und einer Dicke von 4 mm pressen.
Durch die hohe Pressensteifigkeit werden hervorragende Prägeergebnisse erzielt. Dank einer Reduzierung der Prägegeschwindigkeit nahe dem unteren Totpunkt ist eine brillante Oberflächenqualität garantiert. 

Siemowit Kalukiewics / Mint of Poland: Tarnishing – No Problem any more

Der letzte Vortragende des Tages war Siemowit Kalukiewics, der ja schon bei mehreren Technical Fora für Überraschungen gesorgt hatte. Man denke nur, um ein Beispiel zu nennen, an die erste geprägte Münze in Kugelform von 2015, die er anlässlich der World Money Fair 2015 präsentierte.
Diesmal beschäftigte sich Siemowit Kalukiewics mit dem Anlaufen von Münzen. Was in der klassischen Numismatik als Patina geschätzt und hoch bezahlt wird, ist in der zeitgenössischen Numismatik ein ungeliebter Prozess, bei dem sich Sulfur in der Luft mit dem Silber der Münze verbindet und Silbersulfid erzeugt, das sich meist in unschönen Flecken auf der Münze ablagert.
Die durchsichtigen Münzkapseln, in denen heutzutage zahlreiche Münzen verkauft werden, dürften der bekannteste Schutz gegen diesen Prozess sein.
Siemowit Kaukiewics stellte nun unter dem Namen nSILVER eine neue Technologie vor. Sie kreist um eine 10-90 nm dicke Schicht. Wer sich das nur schwer vorstellen kann: 1 nm entspricht 10-9 Metern, zum Vergleich, ein Haar ist etwa 1000mal so dick. Diese Schicht besteht aus Aluminiumoxid und Titanoid und wird mittels des ALD (= Atomic Layer Deposition) Verfahrens aufgetragen. Entwickelt hat die Mint of Poland das neue Verfahren zusammen mit Beneq, einem Spezialisten für ALD Beschichtung.
In Tests nach dem Tucillo-Nielsen-Verfahren zeigten die so beschichteten Münzen eine bisher nicht gekannte Beständigkeit.
Das Verfahren ist auch bei bedruckten Münzen und bei Münzen mit hohem Relief anwendbar.

Wie üblich, fand anschließend an die inhaltsschweren Vorträge ein angenehmes Beisammensein statt, bei dem nicht nur die offen gebliebenen Fragen an die Vortragenden gestellt werden konnten, sondern auch alte Freundschaften wiederbelebt, neue geschlossen wurden.

Den ersten Teil der Vorträge, die im Rahmen des Technical Forums der World Money Fair präsentiert wurden, lesen Sie hier.