Parva ne Pereant – Ein Besuch bei der ANS

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von Ursula Kampmann

30. Januar 2014 – Parva ne Pereant – damit das Kleine nicht verloren gehe! Was für einen besseren Wahlspruch könnte es für eine Gesellschaft geben, die sich ausschließlich den kleinsten historischen Objekten, den Münzen und anderen numismatischen Zeugnissen, widmet. Unter diesem Motto betreibt die American Numismatic Society mittlerweile seit mehr als 150 Jahren numismatische und wirtschaftsgeschichtliche Forschungen.

Wer die ANS heute besuchen möchte, muss nach Lower Manhattan fahren, in den New Yorker Finanzdistrikt. An der 75 Varick St. hat die Gesellschaft seit 2008 ihren Sitz. Und der ist von außen als solcher gar nicht so leicht erkennbar. Im Erdgeschoß wird demnächst ein neues Museum eröffnet – nicht für Münzen, sondern für Jackie Robinson, einen bedeutenden schwarzen Baseball-Spieler.

 

Die ANS teilt sich den 11. Stock des Gebäudes mit dem Metropolitan College of New York. Foto: UK.

Rechts davon liegt der Eingang. Auch wenn seine Aufschrift „One Hudson Square“ nicht mit der offiziellen Adresse übereinstimmt, befinden sich hier im 11. Stock die heiligen Hallen der ANS. Für den notwendigen Besucherschein muss man seinen Pass vorweisen. Aber das ist die einzige Einschränkung. Grundsätzlich erhalten alle Zutritt. Mitglieder dürfen nach Anmeldung die Sammlung jederzeit konsultieren. Nicht-Mitglieder können das auch, müssen aber pro Tag 10 $ dafür zahlen. Studenten haben – ob Mitglied oder nicht – freien Eintritt. Die gleichen Bedingungen gelten für die gewaltige Bibliothek, die in der ANS zur Verfügung steht, für das Archiv und die Vorträge, die regelmäßig in der ANS stattfinden.

Einige Vitrinen ermöglichen kleine Ausstellungen. Foto: UK.

Der Eintritt zu den Ausstellungen ist dagegen kostenlos. In ihrem Eingangsbereich besitzt die ANS nämlich einige Vitrinen. Oft sind darin Neuerwerbungen zu sehen. Derzeit sind Teile des Archivs von Vladimir und Elvira Clain-Stefanelli ausgestellt und ausgewählte Stücke der Huntington Collection, über deren Schicksal die MünzenWoche ausführlich berichtete. Diese Sammlung, die praktisch seit der Gründung der ANS als Dauerleihgabe von Archer M. Huntington die Sammlung bereicherte, war von ihrer Eigentümerin, der Hispanic Society of America, aus Geldnöten versteigert worden. Der ANS war es aber durch großzügige Sponsoren gelungen, einen großen Teil der Sammlung wieder zurückzubekommen.

Andrew Meadows zeigt uns eine der jüngsten Stiftungen: Alan Helms schenkte 2012 der ANS seine Sammlung von afrikanischem Eisengeld. Foto: UK.

Überhaupt, die Sponsoren! Ohne sie könnte die ANS höchstens einen Bruchteil von dem leisten, was sie tut. Anders als viele Museen und Forschungseinrichtungen bekommt sie kaum Unterstützung vom Staat. Sie muss die Gehälter, Unkosten, Publikationen und Projekte über Drittmittel finanzieren. Darin haben die verantwortlichen Kuratoren eine Meisterschaft entwickelt. Die meisten europäischen Museen können nur staunen über die hoch differenzierten Methoden, mit denen verschiedene Zielgruppen angesprochen werden.
Schenkungen von bedeutenden Sammlungen sind geradezu Alltag. Derzeit ist eine Vitrine der Sammlung Alan Helms gewidmet. Der schenkte 2012 der ANS seine Kollektion von afrikanischem Eisengeld.

Der Vortragssaal. Foto: UK.

Direkt hinter dem Eingangsbereich liegt der Vortragssaal. Hier finden nicht nur Vorträge statt, sondern auch das berühmte Sommerseminar, das jedes Jahr ausgewählte Studenten versammelt. Es richtet sich dabei nicht an Numismatiker, sondern an Kunsthistoriker, Historiker und Archäologen, denen an der Universität keine numismatische Ausbildung geboten wird. Sie lernen in einem straff durchorganisierten, zweiwöchigen Lehrgang Grundzüge der Bestimmung und Benutzung von Münzen.

Plakette mit dem Bild von Chief Joseph. Foto: UK.

Geschmückt ist der Vortragssaal mit beeindruckenden Bildern und Plaketten, so zum Beispiel mit dieser riesigen Bronzeplakette aus dem Jahr 1889 von Olin Levi Warner, die als Vorbild für eine Medaille des berühmten Indianerhäuptlings Chief Joseph diente. Der gehörte einem Stamm der Nez Perce an. Die Art, wie er mit seinen Kriegern den Kampf gegen die amerikanische Armee führte, gewann ihm große Bewunderung auch in den Kreisen seiner Feinde und trug ihm die Ehrenbezeichnung „roter Napoleon“ ein. Die ANS erhielt dieses Objekt im Jahr 1921 direkt von der Ehefrau des Künstlers.

Das Büro von Ute Wartenberg Kagan, Executive Director der ANS. Foto: UK.

Hinter den Bereichen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, liegen die Büros der Verwaltung und der Numismatiker. In diesem Büro residiert Ute Wartenberg Kagan. Sie stammt aus Deutschland und hat in Saarbrücken und Oxford studiert. Seit 1999 wirkt sie als Executive Director und hat in dieser Funktion den Wandel der ANS von einer rein akademischen Gesellschaft zu einem Verein mit Breitenwirkung maßgeblich geprägt. Typisch für ihre Projekte ist die Zusammenarbeit mit der Federal Reserve Bank of New York. Dort organisierte sie zum Beispiel die Ausstellung „Drachmas, Doubloons und Dollars, The History of Money“, die von Alan Greenspan 2002 eröffnet wurde und etwa 30.000 Besucher anlockte. Auch wurde unter ihr der Umzug von der weit abseits gelegenen Audubon Terrace zwischen Harlem und der Bronx in den Finanzdistrikt realisiert.

Peter van Alfen, Margaret Thompson Associate Curator of Greek Coins. Foto: UK.

Wer zum Herz der ANS, dem Tresor, weitergeht, passiert das Büro von Peter van Alfen, zuständig für die griechischen Münzen, die Medaillen und die Organisation des Sommerseminars.

Hier kann man auf Anfrage Teile der Sammlung sehen. Foto: UK.

Gleich daneben wartet ein Tisch auf Besucher, die Teile der Sammlung sehen wollen.

Kenneth Sheedy, Damian Gore und Gil Davis nehmen die Münzen der ANS für ein Korpus der frühen Münzprägung Athens auf. Foto: UK.

Für Wissenschaftler, die länger in der ANS verweilen, gibt es einen zweiten, größeren Tisch. Derzeit ist er in Beschlag genommen von Ken Sheedy und seinen Kollegen Damian Gore und Gil Davis, die gemeinsam ein Korpus der frühen Münzen Athens vorbereiten.

Ein tragbares Gerät, mit dem mittels der Röntgenfluoreszenz-Spektrometrie das Metall der Münzen untersucht werden kann. Foto: UK.

Ihr wichtigster Mitarbeiter ist ein kleiner, tragbarer Apparat, mit dem vor Ort – ohne die Münzen zu verletzen – das Metall der attischen Prägungen untersucht werden kann.

Ein Tablett voll archaischer Münzen Athens. Foto: UK.

Dafür holen die Kuratoren ein Tablett nach dem anderen aus der Sammlung.

Hinter den Schranktüren liegen Schätze. Foto: UK.

Mehr als 800.000 Münzen und numismatische Objekte sind in den großen Münzschränken des gewaltigen, begehbaren Tresors verstaut.

Ein Blick auf Syrakus. Foto: UK.

100.000 griechische Münzen gibt es in der ANS. Und wer MANTIS, das Suchsystem der ANS, konsultiert, stellt schnell fest, dass in der Sammlung 54 syrakusanische Dekadrachmen liegen, 30 aus Silber und 24 aus Gold.

Brutus – und die Münzen der Republik. Foto: UK.

6.000 Münzen der römischen Republik, 56.000 Münzen der römischen Kaiser und dazu noch einmal 13.000 aus Alexandria liegen im Tresor. Und natürlich sind hier auch die großen Raritäten zu finden, so zum Beispiel der Denar des Brutus mit der EID MAR Rückseite. Davon hat die ANS ein echtes und ein wahrscheinlich falsches Stück in der Sammlung.

Ein Blick auf ein Tablett mit Renaissance-Medaillen. Foto: UK.

Umfangreich ist natürlich auch die Abteilung Medaillen und Orden. Hier ein Blick auf ein Tablett mit frühen Renaissance-Medaillen.

Jetons aus amerikanischen Casinos. Foto: UK.

Etwa 32.000 us-amerikanische Münzen besitzt die ANS. Darunter befindet sich unter anderem die wohl berühmteste Dauerleihgabe der Welt, der Double Eagle von 1933 aus dem Besitz von König Faruk von Ägypten, der 2002 bei Sotheby’s für 7.590.020 Dollar versteigert wurde.
Aber die ANS beschäftigt sich nicht nur mit den großen Raritäten, sondern auch mit dem numismatischen Alltag. So hütet sie eine Sammlung von Jetons, wie sie in Las Vegas benutzt werden.

Chinesischer Spatenmünzen aus der Sammlung von John Reilly Jr. Foto: UK.

Ein besonderer Schatz ist die Sammlung chinesischer Zahlungsmittel von John Reilly (1883-1935). Er hatte das Glück, die Sammlung Ramsden zu erwerben, die zu einer Zeit zusammengetragen wurde, als noch nicht so viele Fälschungen existierten wie heute. Deshalb ist die Reilly-Sammlung eine wichtige Referenzsammlung, die dazu dient, fragliche Stücke mit sicher echten Originalen zu vergleichen.

Ein deutscher Notgeld-Schein aus der Papiergeldsammlung der ANS. Foto: UK.

Es gibt auch eine Sammlung von Papiergeld in der ANS …

Die Stempel der US-Münzstätte. Foto: UK.

… sowie ein großes Archiv mit ehemaligen Stempeln der US-Münzstätte, natürlich alle vorschriftsmäßig ungültig gemacht.

Elena Stolyarik im Vordergrund, dahinter Peter van Alfen und Andrew Meadows. Foto: UK.

Elena Stolyarik ist die Sammlungsmanagerin. Sie ist diejenige, die Neuerwerbungen katalogisiert, Leihanfragen bearbeitet und Wünsche nach Fotos und Publikationsrechten erfüllt.

Elizabeth Hahn ist zuständig für die zweite große Sammlung der ANS: Die Bibliothek. Foto: UK.

Die ANS verfügt über die weltweit größte Bibliothek von numismatischer Literatur mit mehr als 100.000 Büchern, Manuskripten, Auktionskatalogen und vielem mehr. Sie steht Mitgliedern von Montag bis Freitag zwischen 9.30 und 16.30 zur Verfügung. Ihre Hüterin ist Elizabeth Hahn. Sie steht hier in einem durch Glaswände abgetrennten, klimatisierten Teil der Bibliothek.

Ein Blick in die Bücherregale. Foto: UK.

Die moderneren Bücher brauchen keine Klimatisierung. Sie sind in einer gewaltigen Kompaktusanlage gelagert.

Die Arbeitsbibliothek. Foto: UK.

Die moderneren Bücher brauchen keine Klimatisierung. Sie sind in einer gewaltigen Kompaktusanlage gelagert.

Die alten Karteikarten im Arbeitszimmer von Andrew Meadows. Foto: UK.

Auch wenn heute in der DONUM-Datenbank die Publikationen in der Bibliothek der ANS über das Internet jederzeit abgefragt werden können, ist der alte Karteikarten-Katalog immer noch ein wichtiges Instrument. Immerhin haben darin 21 Bibliothekare seit der Gründung der Gesellschaft die Neuzugänge katalogisiert und verschlagwortet.

Die American Numismatic Society gehört mit ihren vielen innovativen Aktivitäten zu den wirkungsmächtigsten numismatischen Institutionen weltweit. Gleichzeitig ist sie fest verankert in ihrer Geschichte und den Zielen ihrer Gründungsväter immer noch verpflichtet. Dies kommt zum Ausdruck in dem Vereinszweck, wie ihn die ANS 2003 neu formuliert hat: „Ziel und Mission der Gesellschaft soll die Schaffung und Erhaltung einer bedeutenden nationalen Institution sein, die das Studium und die öffentliche Wahrnehmung von Münzen, Zahlungsmitteln, Medaillen, Orden und Auszeichnungen, sowie verwandten Objekten aller Kulturen als historische und künstlerische Dokumente und Artefakte fördert. Sie tut dies indem sie zuvorderst eine numismatische Sammlung, ein Museum und eine Bibliothek unterhält; indem sie wissenschaftliche Forschung und Publikationen unterstützt; und indem sie weiterbildende Veranstaltungen für verschiedene Zielgruppen veranstaltet.“

Die ANS ist seit mehr als 150 Jahren eine der weltweit wichtigsten numismatischen Institutionen. Und die Chancen stehen gut, dass das mindestens weitere 150 Jahre so bleibt.

Mehr über die ANS finden Sie auf der eigenen Website.

Wenn Sie einmal nachsehen wollen, wie viele Münzen die ANS aus Ihrem Sammelgebiet besitzt, versuchen Sie es bei MANTIS.

Wenn Sie eine Literaturrecherche machen wollen, ist der Bibliothekskatalog DONUM sehr nützlich.

Wenn Ihnen die Bilder noch nicht genügt haben, auch die ANS bietet eine virtuelle Tour an.

Wenn Sie Mitglied der ANS werden wollen, das ist die Seite.

Und natürlich sucht die ANS immer nach Sponsoren und Freiwilligen.

Im Internet können Sie alle Publikationen der ANS bestellen.

Natürlich hat die ANS einen Facebook Account.

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