Restauriert oder karikiert? Vom Schicksal antiker Mosaiken in der Türkei

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von Björn Schöpe

20. August 2015 – Wieder einmal hören wir von einer Panne in einem türkischen Museum. Diesmal sollen kostbare antike Mosaiken im Museum von Antakya, dem antiken Antiochia am Orontes, bei der Restaurierung schwer beschädigt worden sein. Im Dezember 2014 wurde ein Neubau des Museums eingeweiht, der eine der weltweit größten Sammlungen antiker Mosaiken angemessen beherbergen soll. Zu diesem Anlass wurden einige der Exponate von einer Firma restauriert, die viel Erfahrung mit solchen Arbeiten hat. Was dann passierte, steht im Zentrum einer Untersuchung, die das türkische Kulturministerium angeordnet hat.

Im März 2015 berichtete die türkische Presse von dem Ergebnis der Restaurierungen: Im Fall von etwa zehn Mosaiken aus der Zeit zwischen dem 2. und dem 6. Jahrhundert nach Christus sprechen Fachleute von schweren Beschädigungen und unsachgemäßem Vorgehen.
Auf den ersten Blick zeigen die veröffentlichten Vorher-Nachher-Bilder teils gewaltige Unterschiede – und nicht zum Besseren. Völlig andere Farben, veränderte Konturen und Schattierungen führten zu Beschreibungen wie „Karikaturen ihrer selbst“.
Das Museum in Antakya hat vorerst die neuen Räumlichkeiten geschlossen, die restaurierten Mosaike werden von Experten untersucht. Die Firma, die die Arbeiten durchgeführt hat, weist alle Vorwürfe zurück. Man habe vielmehr den richtigen Zustand wieder hergestellt. Der Eindruck sei all die Jahre verfälscht gewesen, weil französische Restauratoren in den 1930er Jahren farbige Steine in Lücken eingesetzt und eine Glasur über den Mosaiken angebracht hätten. So etwas werde heute beim Restaurieren nicht mehr gemacht. Außerdem, so ein Mitarbeiter der Firma, hätten die türkischen Medien die Fotos manipuliert.

Die englischsprachige Seite für Kulturgüterschutz Committee for Cultural Policy ordnete diesen Fall in den größeren Rahmen der türkischen Kulturpolitik ein. Diese zeichnet sich vor allem durch rigoroses Sparen aus, sowie durch Skandalfälle in Museen. Und in der Tat beschuldigt die Oppositionspartei MHP die Regierungspartei AKP, sie habe durch ihre Unfähigkeit in der Verwaltung dieses „Massaker der Geschichte“ provoziert. Doch gerade in diesem Fall stellt sich die Frage, ob es wirklich ein finanzielles Problem war, oder ein Grundproblem des Restaurierens. Schließlich verteidigt die Firma ihre Arbeit weiterhin als korrekt.

Restaurierungen sind wichtig, doch müssen die Eingriffe allen Beteiligten vorher klar sein, sie sollten wieder rückgängig gemacht werden können, und man muss sich bewusst sein, dass jede Restaurierung eine Veränderung und damit potenzielle Beschädigung des historischen Objekts darstellt. Zeitgebundene Ansichten können überholt werden, wie der Verweis auf die französischen Restaurierungen vor 80 Jahren zeigt.

Blick auf eine rekonstruierte Fassade des Palastes von Knossos. Foto: Deror avi / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0

Man mag auch an die berüchtigten Restaurierungen des Archäologen Sir Arthur Evans in Knossos auf Kreta denken. Aus heutiger Sicht sind es eher fantasievolle Nachbauten, die über den originalen Befund aufgezogen wurden und sich nicht mehr entfernen lassen.

Nahezu alle Artikel zum Thema der Mosaiken von Antakya verweisen als Vergleich auf einen Fall in Spanien, wo vor mehreren Jahren ein Jesusbild aus dem 19. Jahrhundert so stümperhaft „restauriert“ wurde, dass es heute wie moderne Kunst aussieht – und zu einem Publikumsmagnet avancierte.
Dabei bleibt außen vor, dass es einen ganz grundlegenden Unterschied gibt: In Spanien hatte eine alte Dame die Initiative ergriffen und ohne Genehmigung und Kompetenz einfach mal in bester Do-it-yourself-Mentalität Hand an das Bild gelegt. In der Türkei dagegen geht es um professionelle Restaurierung. Wenn Restauratoren und Museumsleute nicht einer Meinung darüber sind, was eine Restaurierung ist und was eine Beschädigung, dann ist um den Zustand der Exponate auch weiterhin zu fürchten.

Der Tagesspiegel berichtete darüber.

Ausführlich und mit mehr Bildern lesen Sie einen Text im Guardian.

Den Artikel von Committee for Cultural Policy finden Sie hier.

Bilder des Jesus in Borja zeigt dieser Artikel.

Einen Reisebericht zum alten Archäologischen Museum in Antakya finden Sie übrigens hier.