Seltene Mittelaltermünze in der nächsten Künker-Auktion – Ein unedierter Denar Karls des Großen (768-814) aus Bourges

von Sebastian Steinbach

In der Märzauktion 2010 der Münzenhandlung Fritz Rudolf Künker in Osnabrück wird eine außergewöhnliche Münze der Regierungszeit Karls des Großen versteigert.

Abb. 1: Karl der Große (768-814). Denar, Bourges (Saint-Étienne). Zweizeilig CARo / LVS//Zweizeilig SCS / S-TF, getrennt durch Balken. Morrison/Grunthal – (Exemplar der Auktion Fritz Rudolf Künker 165, Nr. 65).

Das Exemplar (Abb. 1) zeigt auf seiner Vorderseite den zweizeiligen Herrschernamen CARo / LVS und auf der Rückseite die ebenfalls zweizeilige Inschrift SCS / S-TF, getrennt durch einen Horizontalbalken. Der Durchmesser von 18,25 mm und das Gewicht von 1,11 g lassen die Prägung als einen Denar erkennen.
Das Bild mit zweizeiligem Königsnamen weist die Münze als eine Prägung der 2. Münzperiode Karls des Großen aus. Demnach stammt der Denar wohl aus der Zeit zwischen dem Tod von Karls Bruder Karlmann (768-771) und vor der Einführung der denarii novi, die in den Beschlüssen der Reichssynode von Frankfurt 793/794 genannt werden.
Die Zuweisung der Rückseite ist schwieriger. Ein solcher Typ Karls des Großen ist weder bei K. Morrison / H. Grunthal, noch G. Depeyrot, M. Prou oder E. Gariel verzeichnet. Es gibt allerdings einen in drei Exemplaren nachgewiesenen Denar aus der Regierungszeit seines Vaters, Pippin des Kurzen (752-768), dessen Rückseite eine ähnliche Inschrift aufweist.

Abb. 2: Pippin der Kurze (752-768). Denar, (Saint-Étienne). PxF zwischen Schlüssel und Kreuz//Zweizeilig SCO / STEF, getrennt durch Balken. Morrison/Grunthal 77. Abbildung bei G. Depeyrot (S. 185, Nr. 212).

Dieser Münztyp (Morrison/Grunthal 77, Depeyrot 212, Gariel III, 61) zeigt auf der Vorderseite den Herrschernamen in der Form PxF (= Monogramm Rex Pippinus) zwischen einem Schlüssel und einem kreuzähnlichen Symbol. Auf der Rückseite ist die zweizeilige Inschrift SCO / STEF zu erkennen, die durch einen Horizontalbalken getrennt wird (Abb. 2). Während K. Morrision / H. Grunthal auf eine Zuweisung des Denars verzichteten und den Typ lediglich unter der Reihe der „Epigraphical Reverses“ mit unbekannter Münzstätte einordneten, löst G. Depeyrot das SCO STEF zu SanCtOs STEFanvs auf und verortet die Münze in Bourges, dessen gotische Kathedrale ein Stephanus-Patrozinium (Saint-Étienne) aufweist.
Liest man den Balken über dem T der Rückseitenlegende des unedierten CAROLVS-Denars der Künker-Auktion als Ligatur aus E und T, lässt sich dessen Rückseiteninschrift ebenfalls zu SanCtvS STEFanvs auflösen. Demnach wäre die Münze ebenfalls in Bourges / Saint-Étienne geprägt worden.
G. Depeyrot verzeichnet noch einen weiteren Denar (Nr. 213) aus der 2. Münzperiode Karls des Großen, der als Einzelstück im Fund von Dijon vorgekommen sein soll. Der Beschreibung zufolge (eine Abbildung liegt leider nicht vor) zeigt diese Münze auf ihrer Vorderseite ebenfalls den zweizeiligen Namen CARo / LVS und auf der Rückseite ein zweizeiliges SCI / SEPHF – also ebenfalls Saint-Étienne.
Somit lässt sich festhalten: Fraglos gehört der zu versteigernde unedierte Denar mit der Inschrift SCS / ST-F in den Kontext der Münzstätte Bourges / Saint-Étienne. In welchem Verhältnis die Prägung zu den weitaus häufigeren Münzen mit dem Stadtnamen BITVRICES oder dem Unikat eines Denars aus Bourges / Saint-Sulpice mit zweizeiligem SCI / SVLP (geprägt unter Ludwig dem Frommen, 814-840, Depeyrot 215) steht, bleibt jedoch rätselhaft. Möglicherweise ist letzterer eine Art von „Gedenkprägung“, da Sulpicius II. im Jahre 624 Bischof von Bourges wurde und somit das 200-jährige Jubiläum in die Regierungszeit Ludwigs des Frommen gefallen wäre – aber das ist nur Spekulation. Anhand dieser Münze wird erneut deutlich, dass die Münzprägung des Frühmittelalters dem Numismatiker noch viele Rätsel aufgeben wird.

Literaturverzeichnis:

  • Depeyrot, G.: Le numéraire carolingien. Corpus des monnaies, Wetteren 2008.
  • Gariel, E.: Les monnaies Royales de France sous la Race Carolingiennes, Paris / Strasbourg 1884 / 1885.
  • Grierson, P. / Blackburn, M.: Medieval European Coinage. I. The Early Middle Ages (5th-10th centuries, Cambridge 1986. 
  • Kluge, B.: Numismatik des Mittelalters. Handbuch und Thesaurus Nummorum Medii Aevi, Berlin / Wien 2007.
  • Morrison, K. F. / Grunthal, H.: Carolingian Coinage (Numismatic Notes and Monographs, No. 158), New York 1967.
  • Prou, M. M.: Catalogue des monnaies françaises de la Bibliothèque Nationale. Les Monnaies Carolingiennes, Paris 1896.

Mehr karolingische Münzen in der Auktion Fritz Rudolf Künker 165 (März 2010) unter:
http://www.kuenker.de/onlineAuctionListe.asp?lid=4&nid=145&s2id=101388&lager=00058