Ute Wartenberg wird mit dem Ehrenpreis der GIG ausgezeichnet

[bsa_pro_ad_space id=4]

23. Juli 2015 – Am 27. Juni 2015 wurde Ute Wartenberg mit dem Ehrenpreis der Gesellschaft für internationale Geldgeschichte geehrt. Sie ist damit die 20. Preisträgerin dieser renommierten Auszeichnung. Die Laudatio, die wir hier im Anschluss wiedergeben, hielt Dr. Bernhard Weisser, Direktor des Münzkabinetts von Berlin.

Es war einmal, so beginnen häufig die Märchen der Gebrüder Grimm. Und etwas märchenhaft erscheint auch das, was ich zu der neuen Preisträgerin zu berichten habe.
Also, … es war einmal in einem südwestlichen Bundesland, da lebte, arbeitete und lehrte ein Numismatiker in Saarbrücken. Numismatiker, liebe Festgäste, das müssen Sie wissen, ist eine fast ausgestorbene Spezies Mensch. Früher jedoch gab es die noch häufiger, auch in Saarbrücken. Dieser Numismatiker, Peter Robert Franke ist sein Name, hatte Kinder, und ein Kind von ihm ging mit einem Mädchen zur Schule. Dieses Mädchen fiel dem Numismatiker auf, denn es hatte gute Augen und ein auffallendes visuelles Gedächtnis. Nun, dachte sich der Numismatiker, ob dieses Tausendschönchen wohl einmal eine Numismatikerin wird? Und das schien ein merkwürdiger Gedanke zu sein, schauen Sie sich nur um, Numismatikerinnen sind nämlich vielleicht noch viel seltener zu finden als Numismatiker. Nun, der Numismatiker schien sich auch zu irren. Das Mädchen wuchs und gedieh, aber ihr Sinn stand nach Olympiaqualifikationen im Fechten und dem Theater. Zeitungsartikel zu Theateraufführungen gehörten zu ihren ersten schriftstellerischen Erfahrungen. Ihr Grundstudium der Geschichte, Klassischen Archäologie und Griechischen Philologie absolvierte sie dann in Saarbrücken (1982-1985). Dazu gehörte auch der Besuch numismatischer Veranstaltungen bei Peter Robert Franke, wo sie in jener Zeit Numismatiker wie Andreas Furtwängler, Ursula Kampmann, Dietrich Klose, Wolfgang Leschhorn, Katarina Liampi und Jannis Touratsoglou treffen konnte. Bald jedoch zog es sie mit aller Macht nach Oxford, jenem magischen Sehnsuchtsort für jeden Gelehrten. Auch dort besuchte sie numismatische Veranstaltungen. So ist sie etwa als jüngste Teilnehmerin des legendären Kolloquiums zur Rekonstruktion des frühklassischen Dekadrachmenhortes aus der Türkei genannt, der immer noch nur durch den Oxforder Symposiumsband publiziert ist.

Dr. Ute Wartenberg.

Ute Wartenberg – denn um sie geht es hier – blieb in Oxford, erhielt das renommierte ‚Cecil-Rhodes-Stipendium’ (1987-90) und promovierte in ‚Classical literature’ mit einem Thema aus der Papyrologie (1990). Zu den sich dann eröffnenden Möglichkeiten gehörte die Stelle als Kuratorin für Griechische Numismatik im British Museum (1991-1998) und damit die Verantwortung für die bedeutendste Sammlung griechischer Münzen weltweit. Diese Stelle war durch den plötzlichen Tod ihres Vorgängers Martin Jessop Price verwaist, und so galt es zunächst, viele lose Fäden wieder zu verknüpfen. Sie belebte die Stelle auf ihre Weise neu, hatte immer ein offenes Ort für die Besucher und entwickelte einen engen Kontakt zu den Sammlern und Händlern. Ihr besonderes Interesse gilt der archaischen und klassischen Münzprägung, und gerade in diesem Bereich hat es in den letzten Jahren viele neue Erkenntnisse gegeben, die ohne den beispielhaften und engen Austausch von Wissenschaftlern, Sammlern und Händlern nicht möglich gewesen wären. Dies gilt auch gerade für die Registrierung von Funden als einem wesentlichen Werkzeug für die numismatische Forschung. Im Auftrag der British Academy entwickelte sie schon früh ein System zur Digialisierung von Sammlungsbeständen für die Reihe Sylloge Nummorum Graecorum, die inzwischen die britischen Bestände auch online präsentiert.

1998 entschloss sie sich zu einem erneuten Wechsel. Von dem altehrwürdigen British Museum in die private American Numismatic Society in New York mit ganz anderen Verantwortlichkeiten. Von der Wissenschaftlerin zur Administratorin, erst als Assistant Director, dann als Executive Director. Es war deren damaliger Präsident Arthur Houghton, der sie zu dieser Position überredete, und seine Idee, das wissenschaftliche Profil der ANS durch die Berufung einer Wissenschaftlerin auf diese Leitungsposition zu stärken, ging glänzend auf. Die American Numismatic Society steht im Jahr 2015 in vielerlei Hinsicht an der Spitze aller numismatischen Einrichtungen weltweit. Keine Sammlung hat ihre Bestände seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts so umfänglich und qualitativ hochwertig vermehrt wie New York. Für über 1.700 Mitglieder bietet die ANS ein attraktives und anspruchsvolles Programm. In dieser Einrichtung im Herzen von New York sind über 30 Vollzeitkräfte angestellt, für die sie die Verantwortung trägt. Das Publikationsprogramm ist umfangreich, und Ute Wartenberg ist selbst eine engagierte und akribische Redakteurin und Herausgeberin. Die ANS hat mit der Sorge um die numismatische Literatur und Fundregistrierung Aufgaben übernommen, die ursprünglich in Deutschland und Großbritannien beheimatet waren.

Auch als Numismatiker in Deutschland profitieren wir unmittelbar auch gerade von den Entwicklungen der letzten Jahre:

  • konsequent veröffentlicht die ANS ihre Bestände online,
  • erschließt mithilfe einer eigenen Bibliotheksabteilung ihre über 100.000 Bände umfassende Forschungsbibliothek online und
  • digitalisiert Archivalien und Altbestände wie zuletzt die Berliner Zeitschrift für Numismatik

Neben diesen wichtigen traditionellen Aufgaben verfolgt die ANS im Verbund mit anderen Einrichtungen jedoch wie keine zweite Einrichtung die Vision eines weltweit vernetzten Arbeitens in der Numismatik. Seit kurzem hat diese alte Vision einer internationalen Zusammenarbeit, dessen technischen Voraussetzungen erst in den letzten Jahren geschaffen wurden, an Dynamik gewonnen. Arbeitsgruppen sitzen an Konkretisierung und Umsetzung und viele Fäden laufen in der American Numismatic Society zusammen. Wo bleibt die Wissenschaftlerin Ute Wartenberg bei all diesen herkulischen Aufgaben? Sie ist da und präsent, sie forscht und publiziert zu ihren Themen, wir haben dies wieder beispielhaft heute morgen erlebt. Von Saarbrücken, über Oxford und London nach New York, von dem Gelehrtenparadies in das dynamische World Wide Web, wenn das kein Märchen ist … .

Herzlichen Glückwunsch, liebe Ute, für den Ehrenpreis der Gesellschaft für internationale Geldgeschichte 2015!

Auch die MünzenWoche schließt sich diesen Glückwünschen an!