Wikipedia – wie es funktioniert und wie sich Münzstätten einbringen können

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von Marcus Cyron

Seit nunmehr rund elf Jahren gibt es das Internetlexikon Wikipedia. War es zunächst nur als Hilfsmittel für ein anderes Lexikonprojekt im Internet gedacht, machten die Autoren daraus binnen kürzester Zeit und auch für die Schöpfer der Wikipedia, Jimbo Wales und Larry Sanger, überraschend eines der erfolgreichsten Internetprojekte bislang und zugleich eines der ungewöhnlichsten Wissensprojekte in der Geschichte der Menschheit.

http://en.wikipedia.org/wiki/Main_Page

Schon binnen dreier Jahre überschritt die englischsprachige Wikipedia mit mehr als 100.000 Artikeln eine magische Grenze und dies fünf Jahre eher, als optimistische Schätzungen von Wales selbst es hatten vermuten lassen. Trotz vieler Probleme und Rückschläge setzte das Internetlexikon seinen nie für möglich gehaltenen Siegeszug nicht nur fort, sondern beschleunigte lange Zeit sein Wachstum. Heute gibt es Wikipedia in mehr als 280 Sprachen mit zusammen etwa 21 Millionen Artikeln. Größte Sprachversion mit fast vier Millionen Artikeln ist die englischsprachige, die auch als eine Art informelles Zentralprojekt fungiert. Schon auf dem zweiten Rang folgt die deutschsprachige Version mit bald 1,4 Millionen Artikeln.

http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite

Die „deutsche“ Wikipedia
Die „deutsche Wikipedia“ gilt international als eine der qualitativ hochwertigsten Sprachversionen. Tests, etwa vom Nachrichtenmagazin Stern im Dezember 2007, attestierten der Wikipedia, zumindest nicht schlechter zu sein als gedruckte Lexikonklassiker. Dabei hat Wikipedia einen Vorteil, der mittlerweile immer mehr zum Tragen kommt: Anders als in gedruckten Werken kann man Wikipedia laufend und dauerhaft korrigieren, verbessern und aktualisieren. Selbst mutwillig eingeschleuste Falschaussagen haben selten eine Verweildauer von mehr als wenigen Minuten. Ein Fall wie die weit über die Wikipedia hinaus bekannte „Causa Guttenberg“ ist eher die Ausnahme, als dem deutschen Ex-Verteidigungsminister zu seinen ohnehin schon vielen Vornamen ein weiterer hinzu gedichtet wurde – ausgerechnet ein „preußischer“ Wilhelm, der bei einem altfränkischen Adelsgeschlecht eher unwahrscheinlich ist.

Die Autorenschaft der deutschsprachigen Wikipedia ist vielfältig. Die Mehrzahl der Autoren stammt aus den drei großen Ländern mit Muttersprachlern: Deutschland, Österreich und der Schweiz. Daneben gibt es aber auch Autoren aus Südtirol, den Niederlanden, Polen, Luxemburg, Belgien oder Frankreich. Nichtmuttersprachler sind aber anders als etwa in der englischen Sprachvariante des Lexikons selten. Der Bildungsstand der Wikipedia-Autoren ist im Schnitt recht hoch. Das Klischee des für Wikipedia schreibenden Hauptschülers ist eben genau das: ein Klischee. Der durchschnittliche Wikipedianer ist männlich, Mitte 30, Student oder hat einen Hochschulabschluß. Der Anteil der Frauen ist vergleichsweise gering, neuere Studien sprechen von neun Prozent. Wie tragfähig diese Studien sind, ist jedoch umstritten. Nichts desto trotz steht das Jahr 2012 im Zeichen der gezielten Frauenförderung. Daneben sind auch andere Personengruppen stark unterrepräsentiert: z.B. Rentner, Handwerker oder Bauern, sprich Personengruppen, die aus verschiedenen Gründen nicht als sehr „netzaffin“ gelten.

Augenfällig ist immer wieder die zufällige Zusammensetzung der Autorenschaft, die zudem in einem stetigen Fluss ist. War ein Bereich vor mehreren Jahren noch besonders gut besetzt, kann er dies heute schon nicht mehr sein, und morgen kann ein Bereich, der noch vor kurzem eher schlecht dastand, einen qualitativen und quantitativen Sprung machen. Dadurch kann es leider auch immer wieder in einigen Bereichen Schieflagen geben. So können Artikel über Haie oder schwarzfigurige Vasenmaler gut vertreten sein, die Germanistik aber ein Schattendasein führen. Die Numismatik wurde lange von Gelegenheitsautoren vertreten, und eine zielgerichtete Arbeit fand vielfach nicht statt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Goliath613

Wie schreibt man einen Artikel?
Die Teilnahme an der Wikipedia ist recht leicht. Grundsätzlich gilt der Grundsatz: „Gute Autoren sind immer willkommen.“ Zumindest theoretisch kann jeder Mensch am „Projekt zur Erstellung einer Enzyklopädie“ teilnehmen. Einschränkende Voraussetzungen wie der Zugang zum Internet möchte ich an dieser Stelle nicht thematisieren, wenngleich die Wikipedia nur deshalb im Internet angesiedelt ist, weil dies der derzeit beste Weg zum Erstellen einer derartigen Enzyklopädie ist. Auch muss man sich nicht einmal anmelden, sondern kann auch als sogenannte „IP“-Texte verfassen. Vorteile einer Anmeldung sind jedoch, dass man eine eigene Diskussionsseite bekommt und Reputation erwerben kann. Mit einem Benutzernamen ist man sogar anonymer als ohne Anmeldung, da bei der Abspeicherung der Beiträge von unangemeldeten Beiträgern anstatt des Benutzernamens die IP-Adresse abgespeichert und somit dauerhaft bewahrt wird.

http://de.wikipedia.org/wiki/Swissmint

Einer der Vorteile von Wikipedia ist die einfache Verlinkung zwischen den Artikeln. So werden Verweise auf schon vorhandene Artikel in Blau, auf noch fehlende Artikel in Rot angezeigt. Viele Neuautoren beginnen ihre Mitarbeit damit, dass sie einen solchen roten Link zu finden und ihnen damit ersichtlich wird, dass der zugehörige Artikel fehlt. Klickt man einen derartigen Link an, öffnet sich ein Bearbeitungsfenster, in das man sofort den Text hinein schreiben kann.

http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Swissmint&action=history

Wichtige Grundregeln
Neuen Autoren sieht man im Allgemeinen nach, wenn sie die intern verwendete Syntax, etwa doppelte Eckklammern ([[Verweis]]) für Verweise auf andere Artikel noch nicht beherrschen. Solche Feinheiten lernen Mitarbeiter aber recht schnell. Von Beginn an sollten jedoch die Grundprinzipien beachtet werden:

  • Wikipedia ist eine Enzyklopädie: Sie dient dazu, eine Enzyklopädie aufzubauen; sie ist kein Telefonbuch, kein Branchenverzeichnis, keine Werbeplattform.
  • Neutralität: Ein neutraler Standpunkt versucht, Ideen so zu präsentieren, dass sowohl deren Gegner als auch deren Befürworter sie tolerieren können. Er erfordert nicht die Akzeptanz aller; dies wird man selten erreichen, zumal manche Ideologien alle anderen Standpunkte außer ihrem eigenen ablehnen. Daher sollte das Ziel darin bestehen, eine für alle rational denkenden Beteiligten tolerable Beschreibung zu formulieren. Zudem wertet Wikipedia in seinen Artikeln nicht selbst, und die Autoren forschen in ihren Artikeln nicht selbst. Es wird der aktuelle Stand der Wissenschaft so gut abgebildet, wie das im jeweiligen Fall möglich ist. Minderheitenmeinungen können dargestellt werden, allerdings entsprechend ihrer Wertigkeit. Wikipedia ist nicht der Ort, um reale oder vermeintliche Ungerechtigkeiten zu korrigieren.
  • Freie Inhalte: Wikipedia ist eine freie Enzyklopädie, die Inhalte müssen unter einer freien Lizenz stehen. Der Text steht unter der „Creative Commons-Lizenz Attribution-ShareAlike 3.0 Unported“, die eine auch kommerzielle Weiternutzung und Bearbeitung unter der Bedingung der Autorennennung und der weiteren Verbreitung unter gleichen Bedingungen (Copyleft) erlaubt. Die Bilder haben verschiedene Lizenzen. Für diesen Aspekt steht auch der Zusatz in der Bezeichnung „Wikipedia – die freie Enzyklopädie“. Der Bestandteil „frei“ meint nicht – wie oft angenommen wird – , dass hier ein jeder schreiben kann, was er oder sie möchte. Vielmehr ist es so, dass mit den Texten unter der Beachtung der Lizenzvorgaben alle Freiheiten bei der Nutzung bestehen.
  • „Wikiquette“: Analog zu den üblichen Gepflogenheiten im zwischenmenschlichen Umgang wird auch von den Wikipedia-Autoren ein pfleglicher Umgang untereinander erwartet.
  • Hinzu kommt, dass möglichst alle Informationen in einem Artikel belegt sein sollten. Die Nutzung von externen Belegquellen, in erster Linie Fachliteratur, aber auch Webseiten und anderer, ist seit mehreren Jahren in der deutschsprachigen Wikipedia Pflicht. Die Verbreitung von Privatmeinungen verletzt somit nicht nur das Grundprinzip der Neutralität, sondern auch die Belegpflicht. Belege können in Form von Einzelnachweisen in Fußnoten, in der Angabe von Literatur oder auch von Webseiten gegeben werden.

 

http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Eidgenössische_Münzstätte_(Bern)?uselang=de

Bildrechte
Von besonderer Problematik sind in der Wikipedia die Bildrechte. Das hat mehrere Gründe. Zum einen sind diese Rechte anders als die der Texte nicht einheitlich geregelt. Es gibt nicht nur eine mögliche freie Lizenz. Die gängigsten Lizenzen sind Creative Commons- (CC) und Public-Domain-Lizenzen (PD). Während letztere oftmals eine weitestgehend freie Nachnutzung zulassen, fordert die CC-Lizenz die Nennung des Autors und die Nennung der Lizenz. Auch wenn es eigentlich nicht korrekt sind, akzeptieren viele Fotografen auch schon die Nennung der Wikipedia oder besser und korrekter noch der zentralen Datensammlung „Wikimedia Commons“, da sie hier zumindest einen guten Willen zur korrekten Lizensierung bei der Weiternutzung sehen.

http://de.wikipedia.org/wiki/25-Euro-Bimetallmünze

Bei selbst erstellten Fotografien ist die Wahl der Lizenz oft recht einfach. Bei der CC-Lizenz behält man alle Rechte, erlaubt aber die uneingeschränkte Weiternutzung. Wer selbst darauf verzichtet, kann seine Bilder unter einer PD-Lizenz veröffentlichen. Wie so oft bei den äußerst komplizierten Bildrechten gibt es auch hier einige Einschränkungen. Das bedeutet z.B., dass man sich beim Fotografieren in Museen folgende Fragen stellen muss: Hat man überhaupt das Recht, Bilder machen? Und wenn ja, darf man diese dann veröffentlichen? Ist der Urheber des Kunstwerkes schon seit 70 Jahren tot und damit das Kunstwerk gemeinfrei im Sinne eine Reproduktion? Werden anderweitig Persönlichkeitsrechte verletzt?

Wenn man Bilder beisteuern möchte sollte man sich – wie eigentlich bei allem was man zur Wikipedia beiträgt – darüber im Klaren sein, dass auch diese frei verwendbar sein müssen und dann auch sein werden. Wer seine Bildwerke zur Verfügung stellt, erlaubt ausdrücklich die Weiternutzung. Bei Münzen etwa, die ohnehin amtliche Werke sind, wird man eine Abbildung in der Wikipedia nicht verhindern können. Bei anderen Formen, etwa Medaillen, muss dem Einsteller immer bewusst sein, dass deren Bilder vielleicht an anderer Stelle weiter genutzt werden.

http://en.wikipedia.org/wiki/US_Mint

Selbstdarstellung und Neutralität
Wie sieht es nun mit der Selbstdarstellung in der Wikipedia, etwa durch Vertreter der Münzstätten aus? Grundsätzlich ist eine Selbstdarstellung nicht verboten. Manche Mitarbeiter der Wikipedia sehen sie nicht gerne, vor allem dann nicht, wenn nicht klar ist, ob sich hinter einem Benutzernamen ein „offizieller“ Vertreter des „Artikelgegenstandes“ versteckt. Ein offener Umgang mit der eigenen Identität als Firma oder Institution ist immer der bessere Weg.

http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Mentorenprogramm

An vielen Stellen in der Wikipedia kann man Hilfe bekommen. So kann man auf Wunsch einen Mentor an die Seite gestellt bekommen, der in der Anfangsphase bei der Arbeit behilflich ist. Auch ich selbst habe schon mehrfach für Vertreter von Institutionen die Rolle eines Begleiters übernommen. Schon vor der Artikelanlage sollte einem klar sein, was man genau mit einem Wikipedia-Artikel erreichen möchte. Zur Werbung ist er weniger gut geeignet, wenngleich bei den mittlerweile bekannten „Relevanzkriterien“ vor allem der deutschsprachigen Wikipedia das Vorhandensein eines Artikels für eine relative Bedeutung spricht. Die Institutionen die ich bislang begleitete, wollten durchweg in angemessener aber durchaus auch neutraler Form in der Wikipedia vertreten sein. Die Attraktivität eines Eintrages wird mittlerweile erkannt. Klar muss dabei aber immer sein, dass durchaus auch Kritisches in einem solchen Artikel stehen kann. Mehrfach haben Unternehmen, Organisationen aber auch Einzelpersonen schmerzlich feststellen müssen, dass der Versuch einer verzerrten Darstellung eher zum sogenannten „Streisand-Effekt“ führt: Der Versuch der Reinwaschung führt erst recht zu Aufmerksamkeit und schlechter Presse, selbst dann, wenn das eigentliche Anliegen etwa wegen eines schlechten Artikels berechtigt war. In solchen Fällen sollte man die Autoren, die man anhand der „Versionsgeschichte“ finden kann, ansprechen oder eine Mail an das Support-Team der Wikipedia schicken. Wenn möglich, findet man dort Hilfe. Die „Versionsgeschichte“ eines Artikels findet man über den entsprechenden Reiter am Kopf der Artikel. Die Grundprinzipien von Neutralität und Belegpflicht gelten natürlich auch für Artikel über die eigene Institution.

Fazit
Wenn Sie als Einzelperson oder Institution Interesse daran haben, an der Wikipedia mitzuarbeiten oder etwas im Rahmen der Grundprinzipien zu präsentieren, sind Sie immer willkommen und gerne gesehen. Ihnen wird Hilfe geleistet, wo auch immer das möglich ist. Artikel und Artikelbereiche können nur so gut sein wie die zufällig vorhandenen Projektautoren. Während etwa die Bereiche Zoologie, Botanik oder Medizin schon ein gutes Niveau erreicht haben und sich auch funktionierende Qualitätssicherungen für ihre Artikelbereiche herausgebildet haben, sind andere Bereiche weniger gut bis schlecht. Dazu gehört auch die Numismatik. Die Großkategorie „Numismatik“ umfasst derzeit knapp 1500 Artikel, viele mit erheblichen Mängeln. Es bleibt viel zu tun.