Zwei Geschichten zur Sincona-Auktion 31 „Tunesien“

[bsa_pro_ad_space id=4]

von Ruedi Kunzmann

20. Oktober 2016 – Jede Münze hat eigentlich ihre individuelle Geschichte, nur kennen wir sie meistens nicht. Wer hat sie in der Hand gehabt, der König oder der Bettler, die Händlerin am Marktstand oder der Dieb, der das Huhn stiehlt, und zu welchem Zweck wurde das Geldstück überhaupt geschlagen, für den länderübergreifenden Güteraustausch oder als unterwertige Scheidemünze für den Umlauf innerhalb der Stadtmauern? Kam sie gar nicht in den Geldkreislauf und wurde, um die Trägerin vor Bekümmernis zu schützen, als Amulett an der Halskette getragen oder sie wurde zur einem Schmuckstück umfunktioniert?

Sultan Mustafa III.

Hier zwei Geschichten aus der uns nur wenig bekannten tunesischen Numismatik, welche zeigen, wie Münzen Ereignisse widerspiegeln.

Mustafa III. 8 Kharub 1188. Aus Sincona-Auktion 31, Los 39.

Zuerst diejenige von einer speziellen Münze, die zur Regierungszeit von Sultan Mustafa III. (1171-1187ah / 1757-1774ce) geschlagen wurde. Es handelt sich eine Billonmünze im Wert von acht Kharub – auch Halbriyal oder Halbpiaster genannt – mit dem Namen des Sultans auf der Vorderseite. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man jedoch einen eindeutigen Anachronismus.

Die Rückseite gibt das Jahr 1188ah (1775ce) an, obwohl Mustafa III. bereits im vorherigen Jahr gestorben war.

Auf der Rückseite dieser Münze liest man das Jahr 1188ah (1775ce). Mustafa III. starb in Istanbul jedoch bereits im Jahr zuvor! Anscheinend hat die Nachricht von seinem Tod die Münzstätte in Tunis zu spät erreicht. Auch eine Bronzeprägung mit Mustafas Namen und demselben Datum existiert übrigens. Beide Münzen sind Raritäten.

Tunesien als französisches Protektorat. 20 Centimes 1942 Zink.

Und hier noch eine zweite Geschichte im Zusammenhang mit den während des Zweiten Weltkriegs geprägten Zinkmünzen Tunesiens. Jedoch zuerst einmal zur politischen Situation Tunesiens im 19. und 20. Jahrhundert.
Ab dem Jahr 1830 hatte sich Frankreich in der ganzen Region der nordafrikanischen Küste entlang, besonders in Tunis, etabliert. 1881 wurde das „Protectorat Français“ ins Leben gerufen, und zehn Jahre später das dezimale Geldsystem des französischen Francs eingeführt. Auch den Münzen sieht man den französischen Einfluss klar an. Bekanntlich wurden Kleinmünzen in mehreren europäischen Ländern in den 1940er Jahren aus Zink hergestellt. Die tunesischen Zinkmünzen zu 10 und zu 20 Centimes wurden – wie diejenigen in Frankreich zur gleichen Zeit – mit einem Loch in der Mitte produziert. Diese Löcher sind der Grund für eine Zweitverwendung der Zinkmünzen.
Da nach Kriegsende weiterhin ein Mangel an Installationszubehör für Sanitärarbeiten herrschte, konnte man die veralteten Wasserleitungen in der Stadt Tunis nicht immer nach herkömmlichen Methoden reparieren. Als Dichtungsringe wurden deshalb öfters die kleinen Zinkmünzen verwendet – so oft, dass der Sammler heutzutage Mühe hat, solche Prägungen, vor allem diejenigen aus dem Jahr 1945, überhaupt zu finden. 

Die besprochenen Stücke werden am 24.10.2016 angeboten in der Sincona Auktion 31. Den Onlinekatalog finden Sie hier.

Einen ausführlichen Auktionsvorbericht lesen Sie in der MünzenWochen.