Mettler-Waagen: Die Geschichte eines Präzisionsinstruments

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von Clemens Fässler, Verein für wirtschaftshistorische Studien Zürich

10. August 2017 – Präzision dank Einfachheit. Dies war das Prinzip der Waagen von Erhard Mettler (1917-2000), der heute seinen hundertsten Geburtstag feiern würde. Sein Lebenslauf war der eines mustergültigen Pioniers. Mettler war zugleich ein unnachgiebiger Tüftler, ein erfolgreicher Geschäftsmann und ein wohltätiger Patron.

Porträt von Erhard Mettler, Foto: Mettler Toledo Inc. / CC BY-SA 3.0

Bereits in seiner Kindheit begeisterte sich Erhard Mettler für technische Apparate, und er tüftelte lieber an seinen Motoren als die Schule zu besuchen. Nach abgeschlossener Lehre als Feinmechaniker, Militärdienst und einigen Berufsjahren drängte es ihn, als Ingenieur und Unternehmer selbständig zu werden. „Mach etwas für die Chemie, die haben Geld“, war der Rat seines Bruders. Und so untersuchte Mettler die Abläufe in chemischen Laboratorien auf Verbesserungsmöglichkeiten. Er fand diese bei den Laborwaagen, deren Technik veraltet und ungenau war.

Schema einer Substitutionswaage mit nur zwei Schneiden (S1, S2). Wägegut (W) und Gewichtsstücke (G1, G2) sind auf einer Seite, auf der anderen ein konstantes Gegengewicht (GK). Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik 103.

Präzision dank Substitutionswaage

Also beschloss Mettler, bessere Waagen zu konstruieren, und gründete im Sommer 1945 eine Firma in Küsnacht (ZH). Bereits im November desselben Jahres entwickelte er zusammen mit seinem ersten Mitarbeiter, Hans Meier, eine neue Analysenwaage – eine Substitutionswaage. Gegenüber herkömmlichen Balkenwaagen hatte sie ein anderes Wägeprinzip, bei dem nur eine Waagschale notwendig war und sich Gewichtsstücke und Wägegut auf derselben Seite befanden. Dadurch waren nur noch zwei anstatt drei Schneiden notwendig, was die Messgenauigkeit massiv erhöhte. Doch auf dem Markt waren Mettlers Präzisionswaagen vorerst nur wenig gefragt. Im Januar 1947 ging die erste Mettler-Waage als Leihgabe ans Labor der ETH. Gleichzeitig besuchte Erhard Mettler persönlich die großen Basler Chemieunternehmen, wo er aber zunächst auf taube Ohren stieß. Bei den kleinen und mittelständischen chemischen Betrieben hatte er den durchschlagenden Erfolg.

Von Küsnacht nach Stäfa und Greifensee

Die Nachfrage nach Mettlers Analysenwaagen und damit die Mitarbeiterzahl wuchsen kontinuierlich, sodass die Firma Mettler im Oktober 1952 nach Stäfa umzog. Schließlich wurden 1967 in Greifensee die Verwaltung, Forschung und Entwicklung sowie der Verkauf zentralisiert. Mettler profitierte vom Wirtschaftsboom der Nachkriegsjahre. Er hatte zu einer Zeit, in der Europa und vor allem Deutschland mit dem Wiederaufbau beschäftigt waren, mit der neuen Substitutionswaage einen technischen Fortschritt erzielt. Diesen Vorsprung konnte er in den folgenden Jahren und Jahrzehnten ausnutzen.

Elektronische Waagen

Doch Erhard Mettler ruhte nicht auf seinen Lorbeeren aus und revolutionierte die Wägetechnik ein zweites Mal. 1973 brachte er die weltweit erste elektronische Präzisionswaage auf den Markt, die die höchste Genauigkeitsklasse erreichte. In der Folge lösten die elektronischen Waagen die mechanischen Schritt für Schritt ab.

Verkauf auf einer Seite

Ende der 1970er Jahre stellte sich die Frage der Nachfolgeregelung. Die Firma Mettler war auf rund 1.100 Mitarbeiter angewachsen und am Markt höchst erfolgreich. Erhard Mettler entschied sich für den Verkauf der Firma an die Ciba-Geigy in Basel. Als geradezu pionierhaft kann der Kaufvertrag vom 29. August 1980 betrachtet werden, denn er umfasste nur 1 Seite. Ebenso einmalig war, was Erhard Mettler nach dem Verkauf tat. Er schenkte 20 Millionen Franken vom Erlös seinen über 1.100 Mitarbeitern, jedem rund 18.000 Franken.
Nach einem ruhigen Lebensabend verschied Erhard Mettler am 25. August 2000.

Der Artikel ist zuerst im Newsletter „Pionier des Monats“ erschienen.

Mehr über Erhard Mettler erfahren Sie im Pionierband 103 „Erhard Mettler. Gewagt – Gewogen – Gewonnen“.

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