Die Münze im Maul des Fisches

von David Hendin

Vor dem Pessach-Fest zu Beginn des hebräischen Monats Adar erinnerten die Eintreiber an die jährliche Tempelabgabe. Am ersten Tag des hebräischen Monats Nissan, mit dem Beginn des Tempeljahres, konnten die Abgaben dann für die täglichen Opfer verwendet werden. Überschüsse wurden für andere Ausgaben des Tempels verwendet.

Ein Modell des Tempels, wie ihn Herodes erbaut hat. The Israel Museum / Jerusalem. Quelle: Berthold Werner / Wikipedia.

Am fünfzehnten Tag des Adar wurden im ganzen Land Geldwechslertische aufgebaut, um die Jahresabgabe entgegenzunehmen. Die Talmudtraditionen erwähnen mehrere Städte in Galiläa, in denen Listen gesammelt und nach Jerusalem überbracht wurden. Nach zehn Tagen, am 22. Adar, stellten die Geldwechsler ihre örtlichen Sammlungen ein und führten sie nur noch im Jerusalemer Tempel fort.

Nahezu alle Juden sandten ihre Beiträge zum Tempel – sogar diejenigen, die Vorbehalte gegenüber dem aktuellen Zustand des Tempels und seinem Opfersystem zum Ausdruck gebracht hatten. Matthäus 17,24-27 berichtet, wie auch Jesus und seine Jünger angesprochen wurden und ihren Beitrag entrichteten:
„Als Jesus und die Jünger nach Kafarnaum kamen, gingen die Männer, die die Tempelsteuer einzogen, zu Petrus und fragten: Zahlt euer Meister die Doppeldrachme nicht? Er antwortete: Doch! Als er dann ins Haus hineinging, kam ihm Jesus mit der Frage zuvor: Was meinst du, Simon, von wem erheben die Könige dieser Welt Zölle und Steuern? Von ihren eigenen Söhnen oder von den anderen Leuten? Als Petrus antwortete: Von den anderen!, sagte Jesus zu ihm: Also sind die Söhne frei. Damit wir aber bei niemand Anstoß erregen, geh an den See und wirf die Angel aus; den ersten Fisch, den du heraufholst, nimm, öffne ihm das Maul und du wirst ein Vierdrachmenstück finden. Das gib den Männern als Steuer für mich und für dich.“

Nach diesen Worten wird die Geschichte von der Münze im Maul des Fisches nie bestätigt – mit anderen Worten: Wir wissen nicht, ob tatsächlich eine Münze gefunden wurde. Aber falls sie gefunden wurde, so geht aus Matthäus’ Beschreibung hervor, dass es ein tyrischer Schekel gewesen sein muss: Denn mit ihr sollte die jährliche Tempelabgabe von einem halben Schekel für Jesus und Petrus den Fischer entrichtet werden.

Ein neuer Hortfund tyrischer Silbermünzen
Amerikanische und europäische Händler haben kürzlich tyrische Schekel (Tetradrachmen) und Halbschekel (Didrachmen) aus einem großen Hortfund angeboten, der offensichtlich vor nicht allzu langer Zeit etwa in der Gegend des antiken Phönikien entdeckt worden war.

Tyrischer Schekel von 96/95 v. Chr. (links) und Halbschekel von 90/89 v. Chr. Beide stammen aus der Gruppe, die kürzlich auf dem Markt angeboten wurde.

Ich habe mehrere hundert dieser Münzen untersucht, sie stammen größtenteils aus dem frühen 1. Jahrhundert v. Chr. Die Münzen sind wunderbar geprägt und in gutem Zustand. An vielen war das Silber leicht körnig oder uneben, aber das Gewicht war hoch: Die Schekel wogen an die 14 g, die Halbschekel nahezu 7 g.

Diese große Gruppe erinnerte mich wieder daran, dass die Schekel und Halbschekel aus Tyros (gemeinsam mit ein paar seleukidischen Tetradrachmen und Didrachmen, die oft in Tyros, Sidon oder Antiocheia geprägt wurden) zwischen dem 1. Jahrhundert v. Chr. und dem Jüdischen Krieg gegen Rom, der im Jahr 70 n. Chr. endete, die am weitesten verbreiteten Silbermünzen im Heiligen Land waren.
Wie oben schon besprochen ist ebenfalls bekannt, dass diese Münzen damals die einzigen waren, die für die Begleichung der jährlichen Tempelabgabe in Höhe eines halben Schekels pro erwachsenem jüdischen Mann, akzeptiert wurden.

Ya’akov Meshorer nimmt an, dass es zwei Hauptemissionen tyrischer Silbermünzen gab. Die erste Emission wurde demnach in Tyros von 126/125 bis 19/18 v. Chr. geprägt, die zweite in Jerusalem von 18/17 v. Chr. bis 69/70 n. Chr. Das ist möglich, allerdings haben andere Numismatiker sich dafür ausgesprochen, dass die zweite Emission – in Stil und Machart grober als die erste – zwar nicht in Tyros geprägt worden sein mag, aber wahrscheinlich auch nicht in Jerusalem.

Ob sie nun in Tyros oder weiter südlich geprägt wurden, klar ist, dass die Münzen in der antiken Welt geschätzt waren wegen ihres Gewichtes und Silbergehaltes. Der Talmud stellt fest, dass „Silber, wenn es im Pentateuch erwähnt wird, tyrisches Silber ist.“ (Tosephta Kethuboth 13,20)
Aufgrund dieses Zitates und gestützt auf die große Menge Münzen, die einmal geprägt worden sein müssen, ergibt sich, dass viele Geschichten des Testamentes von eben diesen tyrischen Schekeln und Halbschekeln handeln. Nicht nur die oben erwähnte von der Münze im Maul des Fischs, sondern auch die von den dreißig Silberlingen, die Judas für seinen Verrat an Jesus erhielt. Auch die Silbermünzen, mit denen die Soldaten bestochen wurden, die daraufhin am Ostermorgen von ihrer Wache am Heiligen Kreuz flohen, dürften tyrische Prägungen gewesen sein.

Wir danken David Hendin für die Erlaubnis, diesen Artikel zu übersetzen und in der MünzenWoche zu publizieren.

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