Die Russen in Königsberg: Ein numismatisches Zeugnis des Siebenjährigen Krieges

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Eigentlich könnte man den Siebenjährigen Krieg (1756-1763) als den ersten Weltkrieg der Geschichte verstehen: Alle maßgeblichen europäischen Mächte beteiligten sich daran. Auf Preußens Seite England und Portugal, auf Seiten der Habsburger Frankreich, Russland und Schweden; und das waren lediglich die wichtigsten Protagonisten. Ihre Feldzüge beschränkten sich nicht auf europäischen Boden, sondern griffen auf Nordamerika, Indien und die Karibik über. Die Entscheidung fiel letztendlich in Europa – und hatte keine militärischen Gründe.

Karte von Ostpreußen aus der Zeit der Weimarer Republik. Der Versailler Vertrag hatte die Polnischen Teilungen im Wesentlichen wieder rückgängig gemacht und Deutschland einen Korridor zu Ostpreußen belassen. Die Insellage des Gebiets wird aber auch auf dieser
Karte deutlich.

Ostpreußen

Ein wichtiger Kriegsschauplatz war Ostpreußen, der Teil des preußischen Königreichs, nach dem die Hohenzollern ihren Titel trugen. Dies war nur deshalb möglich, weil Ostpreußen so weit im Osten lag, dass es nicht mehr zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörte. Geographisch handelte es sich um eine Exklave im polnischen Königreich. Ostpreußen unterstand nur deshalb nicht der Oberhoheit des polnischen Herrschers, weil dieser 1657 auf seine Hoheitsrechte verzichtet hatte. Damit war der ostpreußische Herrscher souverän und mochte sich eine Krone aufs Haupt setzen. Dies änderte nichts an den beiden Schwächen seiner ostpreußischen Herrschaft: Das weit von seinen Stammlanden entfernte Gebiet war schwer zu verteidigen. Und die Polen hätten es natürlich nur zu gerne wieder ihrem eigenen Reich eingegliedert.

Und was wollen die Russen in Ostpreußen?

Elisabeth I. von Russland hegte ehrgeizige Pläne. Und dafür kam ihr der Siebenjährige Krieg gerade recht. Ihr Vater Peter I. hatte das Land modernisiert. Nun plante sie, diese Anstrengungen in Gebietsvergrößerungen umzumünzen, vorzugsweise in Richtung Westen, wo die wirtschaftlichen Zentren dichter gestreut waren. Allerdings lag dort das Königreich Polen. Wäre sie nun in der Lage gewesen, diesem einen sinnvollen Landtausch anzubieten, würde sie dafür bestimmt das für sie hochinteressante Herzogtum Kurland eintauschen können.
Ostpreußen war also nicht nur ein strategisches Ziel, als die russische Armee am 1. Juli 1757 unter General Apraxin angriff. Er gewann die Schlacht bei Groß-Jägersdorf, konnte seinen Sieg aber nicht ausnützen. Auch seine Versorgungslinien waren zu lang. Damit musste sich die russische Hauptstreitmacht zurückziehen.
Sie griff schon im Frühjahr des nächsten Jahres wieder an. Die Schlacht von Zorndorf wurde zu einem entsetzlichen Blutbad, bei dem sich Historiker heute noch fragen, wer nun eigentlich gewonnen hat. Die Preußen verloren 13.000, die Russen 18.000 Mann!
Kein Wunder, dass die Lage Friedrichs immer bedrohlicher wurde. In der Schlacht von Kunersdorf erlitt er eine vernichtende Niederlage. Die Eroberung Berlins wurde nur deshalb vermieden, weil die Verbündeten andere Interessen hatten. Elisabeth wollte Ostpreußen, und dort richteten sich die russische Verwaltung nun erst einmal häuslich ein.

Börse und Hafen von Königsberg, zwischen 1890 und 1900. Library of Congress. Detroit Publishing Co., catalogue J-foreign section. Detroit, Mich. Detroit Photographic Company, 1905.; Print no. „8393“.

Russische Münzen für Ostpreußen

Elisabeth hatte kein Interesse, Ostpreußen zu ruinieren. Es musste ein attraktives, funktionierendes Wirtschaftsgebiet bleiben, wollte sie es gegen einen anderen Teil Polens eintauschen. Und für eine funktionierende Wirtschaft braucht es nun mal ein funktionierendes Münzsystem.
So nutzten die Russen die Münzstätte von Königsberg, um dort in den Jahren zwischen 1759 und 1762 Münzen für Ostpreußen prägen zu lassen. Die Nominale entsprachen dem, was man vor Ort gewohnt war. 

1/3 Taler 1761, Königsberg. Aus Auktion Tempelhofer Münzenhaus, Berlin am 6. April 2017.

Geprägt wurden Dritteltaler, …

1/6 Taler 1761, Königsberg oder Moskau. Aus Auktion Tempelhofer Münzenhaus, Berlin am 6. April 2017.

… Sechsteltaler, …

18 Gröscher 1759, Königsberg. Aus Auktion Tempelhofer Münzenhaus, Berlin am 6. April 2017.

… 18 Gröscher, auch Tympf genannt, …

6 Gröscher 1761, Königsberg oder Moskau. Aus Auktion Tempelhofer Münzenhaus, Berlin am 6. April 2017.

6 Gröscher bzw. Szostak, …

3 Gröscher 1761, Moskau. Aus Auktion Tempelhofer Münzenhaus, Berlin am 6. April 2017.

… 3 Gröscher bzw. Düttchen, …

2 Gröscher 1759, Königsberg. Aus Auktion Tempelhofer Münzenhaus, Berlin am 6. April 2017.

… 2 Gröscher, …

Groschen 1761, Königsberg. Aus Auktion Tempelhofer Münzenhaus, Berlin am 6. April 2017.

… Groschen …

Schilling 1759, Königsberg. Aus Auktion Tempelhofer Münzenhaus, Berlin am 6. April 2017.

… und Schilling.

Natürlich änderte sich das Münzbild. Auf der Vorderseite sehen wir vom Dritteltaler bis hinunter zum 3 Gröscher das Brustbild der Zarin Elisabeth I. mit einer lateinischen Umschrift (in Übersetzung): Elisabeth I. von Gottes Gnaden Kaiserin von ganz Russland. Der 2 Gröscher beschränkt sich auf den russischen Doppeladler mit der lateinischen Aufschrift (in Übersetzung): silberne Münze. Das kleinste Nominal, der Schilling, von dem drei auf einen Groschen gingen, zeigt ein verschlungenes Monogramm aus E und P für Elisabetha Petrowna (= Elisabeth, Tochter des Peter).
Die Rückseite aber bleibt preußisch: Sie präsentiert den gekrönten Adler mit Szepter und Reichsapfel. Außerdem ist jedes Nominal mit einem klar angegebenen Wert versehen, ja bei den Groschen wird ausdrücklich erwähnt, dass es sich um eine Münze des Königreichs Preußen handle (Moneta Regni Prussiae).

Münzimporte aus Moskau

Diese Münzen waren sehr beliebt, denn die Zarin hatte sich nicht von der allgemeinen Münzverschlechterung, mit der andere Herrscher wie zum Beispiel Friedrich II. ihren Krieg finanzierten, anstecken lassen. Ihre Münzen wurden in Vorkriegsqualität ausgebracht. Das schlechte Kriegsgeld wurde per Verordnung von den ostpreußischen Märkten fern gehalten.
Da die Münzstätte von Königsberg nicht genug Münzen prägen konnte, um den Bedarf zu decken, wurde auch die Münzstätte in Moskau beauftragt. Ihre Prägungen sind schwer vom Königsberger Vorbild zu unterscheiden. Sie lassen sich lediglich durch ein flacheres Relief sowie stilistische Unterschiede erkennen. 

18 Gröscher 1759, Berlin. Aus Auktion Tempelhofer Münzenhaus, Berlin am 6. April 2017.

Wie beliebt die russischen Prägungen bei der einfachen Bevölkerung waren, zeigt die Tatsache, dass die in Friedrichs Auftrag agierenden Münzbetrüger den Tympf zu 18 Groschen nachprägten, natürlich mit wesentlich verringertem Feingehalt. Diese Berliner Imitationen erkennt man an der Vorderseitenumschrift. Sie endet statt mit RUSS wie normal auf RUSSIA oder wie in unserem Fall auf RUSSIAE.

Der Himmel greift zu Gunsten Friedrichs ein

Zu Beginn des Jahres 1762 sah die Zukunft für das preußische Königreich mehr als düster aus. Mit dem Sturz des britischen Premierministers William Pitt stellte Großbritannien die Subsidienzahlung ein. Damit wäre alles gelaufen gewesen, wäre nicht am 5. Januar 1762 Zarin Elisabeth I. gestorben.
Ihr Erbe war Peter III., ein glühender Verehrer des Preußenkönigs. Er hatte schon als Zarewitsch einen ausgedehnten Briefwechsel mit Friedrich unterhalten. Er besaß eine nach preußischem Vorbild geschulte Garde von deutschen Soldaten, die er am liebsten in preußischer Uniform kommandierte. Schon bei Kriegsbeginn hatte Peter versucht, seine Tante von einem Angriff auf Preußen abzuhalten. Nun besaß er die Macht, selbst zu tun, was er für richtig hielt. Und das bedeutete sofortige Friedensverhandlungen.

Dekret zur Öffentlichen Bekanntmachung des Friedens von St. Petersburg in Ostpreußen.

Ostpreußen und der Frieden von Sankt Petersburg

Damit schied Russland aus dem Krieg aus. Ostpreußen wurde ohne eine Entschädigung zurückgegeben. Per Dekret ließ der Russische Prokurator die Ostpreußen wissen, dass die … „zu einem blutigen Kriege ausgebrochenen Irrungen zwischen Ihro Kaiserlichen Majestät, meinem allergnädigsten Herrn und seiner Majestät dem Könige von Preußen glücklich gehoben und durch einen feierlich geschlossenen Vertrag zwischen beiden Allerhöchsten Höfen ein ewiger Friede hergestellt“ sei. Damit sei Friedrich „… in den völligen Besitz dieses Königreichs zurückgetreten.“

Eine Entscheidung von historischer Tragweite

Das Edikt wurde am 8. Juli 1762 publiziert. Am 9. Juli war Peter tot, Opfer eines Staatsstreichs seiner eigenen Gemahlin. Die dürfte keine Probleme gehabt haben, Verbündete zu finden. Wer wollte schon einen Herrscher, der eine Eroberung, die Zehntausende von russischen Soldaten das Leben gekostet hatte, einfach zurückgab?
Für Friedrich spielte das keine Rolle. Mit dem Ausscheiden Russlands war der Krieg mehr oder minder beendet. Am 15. Februar 1763 wurde der Frieden von Hubertusburg geschlossen.

Und Ostpreußen?

Ostpreußen blieb ein Teil des Königreichs Preußen, ein Teil, um dessen Gefährdung man wusste. Deshalb war Friedrich sofort bereit, der Ersten Polnischen Teilung zuzustimmen. Er gewann dadurch eine Landverbindung zu Ostpreußen. Das machtlose Polen verschwand in etwas mehr als 20 Jahren für ein gutes Jahrhundert vollständig von der Landkarte.

Ein Unrecht, das anderes Unrecht vorbereitete.

Zur Website des Tempelhofer Münzenhauses / Berlin, das diese Münzen anbietet, kommen Sie hier. 

Die Münzen können Sie ansehen unter Auktionen / Katalog 153 anklicken / Sachgebiet.

Und noch mehr Hintergrundinformationen zur Münzprägung Friedrichs liefert dieser MünzenWoche-Beitrag von Bernd Kluge.

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