Seleukidische Münzen – Teil 1

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von David S. Michaels (CNG)

Nachdem Alexander der Große das riesige Reich der Perser erobert hatte und bis ins weit entfernte Nordindien vorgedrungen war, kehrte er Mitte des Jahres 323 v. Chr. nach Babylon zurück und soff sich zu Tode. Seine Generale, die Diadochen („Nachfolger“), prügelten sich 40 Jahre lang um die Vorherrschaft und zerschlugen dabei das mächtige Weltreich der Makedonen in mehrere kleinere Stücke.

Seleukos I. Nikator, 312-281. Tetradrachme, Susa, 300-295. Aus Auktion CNG 109 (2018), 202.

Seleukos Nikator („der Sieger“) gründete das bei weitem größte und am dichtesten bevölkerte Königreich unter all den Diadochenstaaten. Er war einst Alexanders charismatischer Infanteriegeneral gewesen und ernannte sich selbst im Jahr 305 v. Chr. zum König. Seine Herrschaft dehnte sich über 2 Millionen Quadratmeilen aus, reichte vom südlichen Kleinasien bis zum Hindukusch im heutigen Pakistan. Es umfasste Hunderte von Städten und mehrere zehn Millionen Unterworfene, die Dutzenden von Ethnien angehörten, darunter die Perser, die Armenier, die Assyrer, die Meder, die Juden, die Araber, die Afghanen, die Inder, die Skythen und – natürlich – die Griechen. In dieser Form überdauerte sein Reich rund zweieinhalb Jahrhunderte.

Antiochos II. Theos, 261-246. Stater, Tarsos, ca. 261-253. Aus Sammlung Arthur Houghton. Aus Auktion CNG 109 (2018), 231.

Nach dem Vorbild Alexanders produzierten die seleukidischen Herrscher in Dutzenden von Münzstätten eine umfangreiche Münzprägung in Gold, Silber und Bronze aus den Metallvorräten, die sie aus den persischen Schatzhäusern „befreit“ hatten. Trotzdem blieben die Seleukiden bis vor nicht allzu langer Zeit ein relativ häufig übersehenes Gebiet der Numismatik, das von anderen klassischen und hellenistischen griechischen Reichen, vor allem dem benachbarten Ägypten, in den Schatten gestellt wurde. Dies änderte sich in den späten 1960er Jahren, als die seleukidische Münzprägung einen begeisterten Förderer in Arthur A. Houghton III. fand. Der Wissenschaftler und Diplomat brachte eine umfangreiche Sammlung zusammen und verfasste mehrere Monographien und Bücher zu diesem Thema.

Seleucid Coins Online – ein nützliches Werkzeug der ANS für Sammler und Wissenschaftler.

Die vergangenen 20 Jahre haben geradezu eine Explosion an Forschung erlebt, die sich mit der seleukidischen Münzprägung beschäftigt. Sie hat Sammlern und Historikern ausgezeichnete, sorgfältig recherchierte Referenzwerke geliefert, die als Leitfaden dienen können. Dazu gehört das monumentale Buch „Seleucid Coins“ in zwei Bänden, verfasst von Arthur Houghton, Catherine Lorber, Oliver Hoover und Brian Kritt sowie das wesentlich kompaktere, sehr nützliche „Handbook of Syrian Coins“ (HGC Series 9) von Hoover. Erst dieses Jahr hat die American Numismatic Society ihre Website “Seleucid Coins Online” gestartet. Es handelt sich um eine äußerst wertvolle Website, die sich mit dieser Münzprägung beschäftigt.

Porträt von Seleukos I. Archäologisches Museum Neapel. Foto: KW.

So haben Sammler mit den unterschiedlichsten Interessen und Budgets die seleukidischen Münzen entdeckt und bringen diesem attraktiven, historisch so spannenden Gebiet die längst überfällige Aufmerksamkeit entgegen. Die Münzen selbst liefern ein erstaunliches „Facebook“ der Herrscher, oft mit Porträts von höchster Kunstfertigkeit, die mit geradezu fotographischem Realismus geschaffen wurden. Diese Herrscher sind ein gemischter Haufen, mit Helden und Schurken, Genies und Faulpelzen, Anständigen und Tyrannen, Philosophen und Schlemmern. Meist sind Männer auf den Münzen abgebildet, doch einige wenige grimmige Frauen haben ebenfalls ihre Spuren hinterlassen.

Antiochos IV. Epiphanes. Tetradrachme, Antiochia in Persis, 175-164. Aus Auktion CNG 109 (2018), 189.

Seleukidische Münzen sind weit verbreitet und können in jedem Preisbereich erworben werden. Es beginnt mit $10 für kleine Bronzen bis zu den seltenen und schönen Goldmünzen, die Auktionsresultate über $275.000 gebracht haben. Das am weitesten verbreitete Nominal ist die silberne Tetradrachme. Eine hübsche Tetradrachme in „sehr schön“ mit dem Porträt eines häufig anzutreffenden Herrschers kann man für weniger als $200 kaufen; wenn es sich um ein besonders künstlerisches Porträt handelt, wird es etwas teurer. Seltenheiten bringen natürlich viel mehr. Doch kann eine bescheidene Investition an Zeit und Geld eine Sammlung von großen, beeindruckenden Münzen zusammen bringen, die sich mit einer aufregenden Umbruchszeit der Geschichte beschäftigt. Die Münzen entstanden am Schnittpunkt zwischen Ost und West, als ein wunderbares Neues entstand.

Hier finden Sie einige wenige Biographien einiger der wichtigsten und aufregendsten seleukidischen Könige und Königinnen – nicht zu vergessen die Münzen, die sie geschaffen haben:

Seleukos I. Nikator. Stater – Doppelter Shekel. Babylon II, 311-305. Aus Auktion CNG 195 (2018), 195.

Seleukos I. Nikator (312-281 v. Chr.): Der erste Herrscher des seleukidischen Königreichs war gleichzeitig einer seiner am längsten regierenden Könige. Er herrschte 30 Jahre und hinterließ seinen Nachfolgern große Fußspuren, in die sie zu treten hatten. Er war ein Angehöriger des makedonischen Militäradels – und darüber hinaus eindeutig ein talentierter Soldat, der in den meisten von Alexanders großen Schlachten anwesend war. Nichtsdestotrotz gehörte er nicht zum engsten Kreis des großen Eroberers. Nach dem Tod Alexanders wurde er Hofmarschall des Regenten Perdikkas, den er ziemlich schnell verließ. Er ermordete seinen Herrn im Jahr 321 v. Chr., während dessen fatalem Versuch, den Satrapen Ptolemaios in Ägypten unter Kontrolle zu bringen. Bei der anschließenden Zerstückelung des Reichs erhielt Seleukos die begehrte Satrapie Babylon und – mit Hilfe brillanter Schachzüge und purer Beharrlichkeit – besiegte bzw. überlebte er die gewichtigsten Rivalen, so dass er zum obersten Herrscher von ganz Asien und dem griechischen Osten aufstieg.

Philetairos von Pergamon. Tetradrachme, Pergamon, 269/8-263. Auf der Vorderseite Porträt des Seleukos I. Nikator. Aus Auktion CNG 109 (2018), 214.

Er ernannte sich offiziell im Jahr 305 v. Chr. zum Basileos bzw. König, aber er datierte die Gründung seines Königreichs rückwirkend auf 312/1 zurück, auf das Datum also, mit dem die „seleukidische Ära“ beginnt. Trotz seines großen Erfolgs bleibt seine Persönlichkeit irgendwie undurchsichtig. Persönlich scheint er loyal gewesen zu sein, so behielt er seine persische Gattin Apame, die ihm Alexander zugeführt hatte, während die anderen makedonischen Offiziere ihre Ehefrauen schnellstens verließen. Außerdem scheint er, zumindest gemessen an damaligen Standards, human gewesen zu sein. So brachte er nur selten einen besiegten Rivalen um, sondern zog es vor, ihn in komfortabler Gefangenschaft zu halten.

Seleukos I. Nikator. Tetradrachme, Susa, 295-281. Aus Auktion CNG 109 (2018), 205.

Seine Münzprägung ist vielfältig, komplex und faszinierend. Sie wurde in einer Fülle von Münzstätten geprägt und weist zahlreiche Veränderungen des Designs auf, ungefähr im Rhythmus von ca. 5 Jahren. Die ersten Typen, die er unter dem Titel eines Satrapen herausgab, zeigen den gewöhnlichen Typ von Alexander dem Großen mit dessen Namen und Titel, aber mit einem Anker als Münzzeichen. Der Anker soll auf einem eisernen Siegelring abgebildet gewesen sein, den ihm seine Mutter gegeben haben soll.
Nachdem Seleukos 305 v. Chr. den königlichen Titel angenommen hatte, entstand ein neuer Typ mit dem Kopf eines gut aussehenden jungen Manns, der einen gehörnten Helm im attischen Stil trägt, der mit einem Pantherfell überzogen ist und Stierohren aufweist, all dies Attribute des Dionysos. Wissenschaftler haben lange darüber debattiert, ob dieser Kopf Seleukos selbst porträtiert – oder Alexander – oder Dionysos – oder eine Synthese aller drei. Seit neuestem tendiert die Forschung zur einfachsten Lösung: Es soll Seleukos selbst sein, was diese Münze zu einer der frühesten macht, die ein hellenistisches Herrscherporträt zeigt. Die Rückseite bildet Nike ab, die eine Trophäe aus Waffen errichtet.
Nachdem es Seleukos gelang, von einem indischen König 500 Kriegselefanten zu erhalten, gab er um 296 v. Chr. einen neuen Typ einer silbernen Tetradrachme heraus, der einen Zeuskopf auf der Vorderseite mit einer Rückseite verbindet, die Athena in einer Elefantenquadriga zeigt. Elefanten sollten in der hellenistischen Kriegsführung eine entscheidende Rolle spielen, auch wenn sie manchmal für diejenigen, die sie im Kampf einsetzten, fast genauso gefährlich waren wie für die Gegner.

Der zweite Teil dieses Artikels stellt Ihnen Antiochos I. vor. Sie machen außerdem die Bekanntschaft von Antiochos III., genannt „der Große“, mit noch einem Antiochos, der sich als der „erschiene Gott“ bezeichnete, und mit der gleichfalls göttlichen Kleopatra – nicht zu verwechseln mit der Liebhaberin römischer Generäle gleichen Namens.

Mehr Information sowie abgelaufene und aktuelle Auktionen von CNG sind online verfügbar.

Der Autor David Michaels gehört seit dem 1. Juli 2018 zum Team von CNG.

Sie können David Michaels via E-Mail erreichen.

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