Böhmen und die Habsburger – eine konfliktbeladene Beziehung

Zu Beginn der frühen Neuzeit gab es zwei diametral entgegengesetzte Möglichkeiten, einen Herrscher zu bestimmen: mittels des Erbrechts oder durch eine Wahl. Dahinter stehen zwei grundverschiedene Herrschaftskonzepte. Wer seine Macht erbt, wird seine Gebiete als persönlichen Besitz betrachten. Wer bei einer Wahl auf seine Untertanen angewiesen ist, muss immer wieder Kompromisse aushandeln. Der deutsche König war in dieser Verlegenheit. Er sollte nie eine vergleichbare Machtvollkommenheit erreichen wie sein englischer oder französischer Kollege. Und auch der böhmische König wurde gewählt, jedenfalls bis zum 30jährigen Krieg.

Ferdinand I. Dukat 1547, Prag. Künker 285 (2017), 218. Schätzung: 15.000 Euro.

Der erste Habsburger, den die Böhmen 1526 zum König wählten, war Ferdinand I., jüngerer Bruder Karls V., Schwager (und damit Erbe) des vorherigen böhmischen Herrschers Ludwig. Die Böhmen hatten sich seine Wahl gut überlegt. Der Habsburger war in der Lage, sie gegen die heranrückenden Türken zu verteidigen. Dazu verlangten sie religiöse Toleranz für alle in Böhmen und den zugehörigen Herrschaften Mähren und Schlesien lebenden Bürger.
Ferdinand gestand sie ihnen zu und machte seine katholische Gesinnung trotzdem in seiner Münzprägung klar. Dieser Dukat entstand 1547 in Prag. Er zeigt auf der Vorderseite den böhmischen Löwen mit seinem charakteristisch zur Acht geformten Doppelschwanz. Auf der Rückseite ist der hl. Wenzel in voller Rüstung mit Fürstenhut abgebildet.

Wenzel beim Mahl mit Gästen, ihm gegenüber sein Bruder und Mörder Boleslav. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Guelf. 11,2 Augusteus 4, fol. 20v.

Wenzel war seit dem 13. Jahrhundert der Schutzheilige Böhmens, hatte aber wegen der Kritik Luthers an der Heiligenverehrung deutlich an Glanz verloren. Ihn abzubilden war also ein Statement Ferdinands, auch und vor allem 1547, also in dem Jahr, in dem der Dukat geprägt wurde. Die Böhmen nutzten die Unruhen im Reich, um ihren eigenen Aufstand zu machen. Der fiel in sich zusammen, sobald Karl V. das Heer des Schmalkaldischen Bundes in der Schlacht von Mühlberg besiegte. Ferdinand kehrte als Sieger nach Böhmen zurück und zwang seine Untertanen, das Erbrecht der Habsburger auf die böhmische Krone anzuerkennen. Der endgültige Sieg für die Habsburger? Aber nicht doch.

Rudolf II. Doppelte Dukatenklippe 1587. Goldabschlag von den Stempeln der Maley Groschen-Klippe. Künker 285 (2016), 221. Schätzung: 15.000 Euro.

Auf Ferdinand folgte Maximilian, den die Böhmen wegen seiner protestantischen Neigungen sehr schätzten. Auf Maximilian folgte Rudolf, der sich 1583 entschied, seine Residenz von Wien nach Prag zu verlegen.
Diese Klippe im Gewicht von zwei Dukaten aus dem Jahr 1587 ist ein Goldabschlag einer der berühmtesten böhmischen Münzen, des Maley Groschen. Es handelt sich um die erste und einzige böhmische Münze mit einer tschechischen Beschriftung. Maley Gross bedeutet Kleingroschen. Im Volk wurde das Stück auch sedmák = Siebener genannt, weil es sieben Hellern entsprach. Es zeigt auf der Vorderseite den böhmischen Löwen, auf der Rückseite das bekrönte Monogramm des Herrschers in der Ordenskette vom Goldenen Vlies.

Rudolf II. als Vertumnus, Ölgemälde von Giuseppe Arcimboldo. Schloss Skokloster.

Rudolf hatte in seinem Gefolge nicht nur Alchimisten und Astrologen, sondern auch den päpstlich Nuntius und den spanischen Botschafter. Sie drängten den Kaiser, im Sinne der Gegenreformation zu wirken und das Toleranzedikt Ferdinands I. zurückzunehmen. 

Rudolf II. Dukat 1593, Prag. Künker 285 (2016), 224. Schätzung: 4.000 Euro.

Tatsächlich besetzte Rudolf II. am 24. August 1599 – programmatisch an dem Tag, an dem einst die Bartholomäusnacht Hunderte von Protestanten das Leben gekostet hatte – alle wichtigen Ämter der böhmischen Regierung mit überzeugten Katholiken. Die brutale Bekehrung der Bürger des schlesischen Troppau überzeugte die protestantischen Stände, dass sie ihre Religion nicht länger würden frei ausüben können, wenn Rudolf an der Macht blieb. Doch es bot sich eine Alternative.

Rudolf II. übergibt Matthias seine Krone, im Hintergrund die Ansicht der Stadt Prag.

Rudolf hatte nicht geheiratet. Es gab keinen legitimen Erben. Und dies nutzte sein jüngerer Bruder, Erzherzog Matthias, um eine starke Opposition hinter sich zu scharen und Rudolf das Amt schon vor dessen Tode streitig zu machen.
Die Stände von Mähren entschieden sich für ihn. Sie enthoben Rudolf seines Amtes und machten Matthias zum neuen Markgrafen. Das war überraschend, da der böhmische König bisher automatisch mährischer Markgrafen war. 1608 marschierte Matthias mit einem Heer in Böhmen ein und hätte Rudolf wohl mit Gewalt abgesetzt, hätte dieser nicht Matthias die Krone vertraglich nach seinem Tod zugesichert. Die Stände von Böhmen fungierten als Garanten und ließen sich dafür von Matthias die unumschränkte Religionsfreiheit bestätigen.

Matthias. Dukat o. J., Prag. Künker 285 (2016), 225. Schätzung: 7.500 Euro.

Natürlich versuchte Rudolf, sein Amt zu behalten. Er lieh sich von seinem Neffen, dem Bischof von Passau, 12.000 Soldaten und diese besetzten um die Jahreswende 1610 / 11 Prag. Das ließen sich die böhmischen Stände nicht gefallen. Sie setzten Rudolf II. im April 1611 ab und erhoben seinen Bruder Matthias zum böhmischen König.

Matthias. Dukat 1618, Prag. Künker 285 (2016), 230. Schätzung: 4.000 Euro.

Es kam, wie es kommen musste. Kaum saß Matthias im Sattel, schon trieb er die Gegenreformation voran. Doch als der mittlerweile 60jährige die Wahl seines Vetters Ferdinand II. zu seinem Nachfolger durchsetzte, hatte er den Bogen überspannt. Ferdinand war berüchtigt für die Grausamkeit, mit der er die Bewohner Kärntens rekatholisiert hatte. Man war sich in Böhmen klar, was von ihm zu erwarten war, und so kam es 1618, in dem Jahr, in dem dieser Dukat in Prag geprägt wurde, zum Prager Fenstersturz, Auslöser des 30jährigen Krieges.
Wir wollen dessen Geschichte nicht nacherzählen. Sie ist allgemein bekannt. Noch einmal versuchten die böhmischen Stände, ihr Wahlrecht geltend zu machen. Noch einmal zeigte es sich, dass die Habsburger militärisch so überlegen waren, dass Widerstand unmöglich war. Der Kaiser siegte, das Reich verlor. Böhmen ging in den Besitz der Habsburger über; mit dessen Erträgen finanzierten sie ihre Reichspolitik.

Ferdinand III. 5 Dukaten 1641, Prag. Künker 285 (2016), 238. Schätzung: 20.000 Euro.

Die großen Goldprägungen, die immer wieder von den Habsburgern zu Geschenkzwecken hergestellt wurden, zeugen davon, wie sie ihre Erblande ausbeuteten, um sich die Mächtigen im Deutschen Reich gewogen zu halten.

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