Aldina Cutroni Tusa (1923-2016)

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von Christof Boehringer

8. September 2016 – Hochbetagt und doch unerwartet verstarb am 16. August in Palermo die Archäologin und Professorin für Numismatik Aldina Cutroni Tusa, Doyenne des Faches auf Sizilien. Ihre Forschungen machten sie seit Jahrzehnten zu einer gesuchten Expertin zu Fragen der Münzprägung von deren Beginn bis zur byzantinischen Epoche, vor allem für die westliche Hälfte der Insel.

Aldina Cutroni Tusa vor dem Tempel C in Selinus. Foto: Familienarchiv Tusa.

Aldina Cutroni, geboren 1923 in Bellinzona Pozzo di Gotto nicht weit von Milazzo, begann ihr Studium zunächst in Rom, um es – kriegsbedingt – dann in Messina fortzusetzen. Dort erhielt sie bei dem vor allem als Vasenforscher (Spina) bekannten P. E. Arias ihre Laurea mit einer Arbeit über Probleme der Archäologie, Topographie und Numismatik zweier Poleis in Bruttium, Terina und Temesa.

1947 nach Rom zurückgekehrt, studierte sie an der Scuola di Perfezionamento weiter. Dort lernte sie auch den Archäologen Vincenzo Tusa kennen, ihren künftigen Ehemann. Angeregt durch die numismatischen Kurse von Secondina Lorenzina Cesano, fand sie das Gebiet, das ihre lebenslange wissenschaftliche Tätigkeit bestimmte.
Numismatik blieb für Aldina Cutroni Tusa jedoch nie isoliert, stets hat sie diese als Teil der viel weiteren Felder von Geschichte und Archäologie aufgefasst. Diplomiert wurde sie 1949 in Rom mit einer Arbeit über lakonische Keramik bei dem Etruskologen und Vasenforscher Giulio Q. Giglioli. Im folgenden Jahr heiratete sie und das junge Paar zog nach Palermo, wo ihr Mann den Wettbewerb zum Ispettore der archäologischen Soprintendenz gewonnen hatte.

Auch Aldina Cutroni Tusa blieb dort nicht ohne Arbeit. Von der Soprintendentin Jole Bovio Marconi wurde sie damit betraut, jene Kisten wieder zu öffnen, die während des Krieges an sicherem Ort ausgelagert waren. In ihnen befand sich auch die Münzsammlung, mit deren Neuordnung und Erforschung sie begann. Als sie eine Stelle bei dem Assessorato Pubblica Istruzione erhalten hatte, führte sie desungeachtet ihre Arbeit im Münzkabinett des palermitanischen Museo Nazionale weiter.
Dessen Schätze, vor dem Krieg nur unter größten Schwierigkeiten einzusehen, machte sie auf großzügige Weise vielen Forschern zugänglich, die sich mit Dankbarkeit an ihre nimmermüde Hilfe erinnern – nicht nur bekannten Forschern, sondern ebenso Studierenden am Anfang ihres wissenschaftlichen Lebensweges wie dem Verfasser dieser Zeilen.

In den 1950er Jahren begann Aldina Tusa die lange Reihe ihrer Aufsätze zu publizieren – Aufsätze ebenso numismatischen wie archäologischen Inhalts (beispielsweise über die Erforschung von Lilybaion [Marsala]), die in den „Annali dell’Istituto Italiano di Numismatica“ und im „Kokalos“ erschienen, später auch in „Sicilia Archeologica“, einer Gründung ihres Mannes.

Familiäre Gründe – das Paar hat zwei Kinder, Sebastiano, der später den Beruf seiner Eltern wählen sollte, und Lidia, die heute einen landwirtschaftlichen Betrieb leitet – bringen Aldina Tusa in den frühen 1960er Jahren dazu, sich von ihrem Amt im Museum entpflichten zu lassen, ohne aber gleichzeitig ihre Forschungstätigkeit einzustellen. Ganz langsam neigte sich nun die Waagschale zugunsten der Numismatik, ohne dass die allgemeine historisch-archäologische Zielsetzung verleugnet wurde.

1971 wurde Aldina Cutroni Tusa an die Facoltà di Lettere der Università degli Studi von Palermo berufen, Numismatik zu lehren, ein Amt, das sie bis 1994 mit Leben erfüllte. Aus dieser Zeit gingen vier Schülerinnen hervor, von denen Lucina Gandolfo heute die Münzen des Museums betreut und Lavinia Sole als Dozentin den Lehrstuhl vertritt, der einst der ihre war.

Wenn man sie treffen wollte, waren Kongresse und Convegni eine gute Gelegenheit: Die Professoressa Aldina Cutroni Tusa war stets anwesend! Wer war dann nicht beeindruckt von ihrer Vorlage von Materialien, die sie ans Licht gezogen hatte, von der Interpretation, die sie ihnen angedeihen ließ, und von deren energischer Verteidigung, wobei ihr stets bewusst war, dass nur die wissenschaftliche Kontroverse einen wirklichen Fortschritt unserer Erkenntnisse hervorbringen kann.

Wir blicken auf ein beeindruckendes Lebenswerk aus 60 Jahren mit über 120 Titeln von Veröffentlichungen. Diese konzentrierten sich mehr und mehr auf die Münzen Westsiziliens – griechische, punische, indigene, römische. Wenn wir heute viel besser als einst die Emissionen der Münzstätten und den Münzumlauf in jenem Teil der Insel kennen, so ist dies zum großen Teil das Verdienst von Aldina Cutroni Tusa. Mit einer Sammelschrift, deren Vorliegen sie nun nicht mehr erleben durfte, danken zahlreiche Forscher ihr dafür (Lavinia Sole – Sebastiano Tusa (Hrsg.), „NOMISMATA. Studi di numismatica offerti ad Aldina Cutroni Tusa per il suo novantatreesimo compleanno“, derzeit beim Drucker).