Benedikt und die Welt der frühen Klöster

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7. Juni 2012 – Bis zum 13. Januar 2013 widmen sich die Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim mit der Ausstellung „Benedikt und die Welt der frühen Klöster“ der Geschichte der Benediktinerklöster in Europa. Rund um die Figur des heiligen Benedikt erfahren die Besucher Spannendes über die Ursprünge der Klosterkultur und deren nachhaltige Bedeutung für Bildung und Wissen im Mittelalter.

Plakat. Bildausschnitt aus einer Handschrift. Zu sehen ist der heilige Benedikt mit der Regel in der Hand. Montecassino, 1022-1035. © Curt-Engelhorn-Stiftung für die Reiss-Engelhorn-Museen.

Neun thematisch gegliederte Abschnitte führen von den ersten Klostergründungen über die mittelalterliche Liturgie bis in die Gegenwart. Zahlreiche kostbare Exponate illustrieren, wie Klöster entstanden und wie das Leben der Mönche zwischen Schreibstube und Klostergarten aussah. Die Mitmach-Stationen des Skriptoriums vermitteln einen Eindruck von der mittelalterlichen Buchmalerei und der Kunstfertigkeit der Mönche. Abschließend wirft die Ausstellung einen Blick auf das Leben der Benediktiner in der Gegenwart.

Benedikt von Nursia – Patron Europas
Flankiert von zwei Heiligen begrüßt eine vergoldete Benedikt-Figur den Besucher. In den Händen hält sie die Regula Benedicti, die Ordensregel der Benediktiner. Benedikt von Nursia gilt als der Vater des abendländischen Mönchtums. Er wurde im Jahr 480 als Sohn reicher Eltern geboren und zog sich bereits in seiner Jugend in die Einsamkeit zurück. Aufgrund seiner vorbildlichen Lebensführung wurde er zum Abt von Vicovaro gewählt und stand bald zwölf Klöstern vor. 529 ging er nach Montecassino und gründete dort das Mutterkloster des Benediktinerordens, in dem er auch die Benediktsregel verfasste, bevor er um das Jahr 555/560 starb. Die Klöster, die in der Nachfolge des heiligen Benedikt entstanden, waren Jahrhunderte lang Zentren geistigen Lebens. Über ganz Europa hinweg bildeten sie ein Netz des Austauschs und der kulturellen Kontakte. Besonders durch ihre zahlreichen Abschriften antiker Texte und zeitgenössischer Lehrwerke trugen die Benediktinermönche einen entscheidenden Teil zur Wissensverbreitung im europäischen Mittelalter bei.

Monstranz mit Benediktsreliquie, Nürnberg, 1. Hälfte 15. Jahrhundert. Die Monstranz gehört zu einer größeren Gruppe von Arbeiten, die in großen Stückzahlen in Nürnberg gefertigt wurden. © Gerfried Sitar, Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal.

Einzelne Blätter kostbarer Handschriften, Bucheinbände und eine Monstranz mit Benediktsreliquie zeugen zu Beginn der Ausstellung von der Jahrhunderte andauernden Wirkung Benedikts von Nursia, der 1964 von Papst Paul VI. zum Patron Europas erklärt wurde.

Von Montecassino nach Europa – Die Regula Benedicti
Benedikts Klostergründung in Montecassino wurde zur Keimzelle des klösterlichen Lebens, besonders im Südwesten des heutigen Deutschland. Der zweite Raum der Ausstellung steht ganz im Zeichen der Verbreitung des Mönchtums in Europa.

Adelheid-Kreuz, Oberrhein, Ende 11. Jahrhundert. © Gerfried Sitar, Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal.

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das mit Edel- und Halbedelsteinen besetzte Adelheid-Kreuz. Das Prunkstück aus der Schatzkammer des Stifts St. Paul entspricht in seiner Größe und Form sowie seinem Anspruch nach dem Reichskreuz in Wien. Das Reliquienkreuz stammt aus dem 11. Jahrhundert und soll Splitter aus dem Kreuz Jesu enthalten. Neben dem Adelheid-Kreuz sind in diesem Raum weitere Exponate zu sehen, die die Bedeutung der Benediktiner für die Geschichte des Mittelalters illustrieren. Neben den Lorscher Annalen von 835 erzählen Gemälde und Handschriften von der Taufe Chlodwigs oder der Ermordung des heiligen Bonifatius.

Der heilige Benedikt übergibt die Regel. Augsburg, 1. Viertel 17. Jahrhundert. Teil einer verlorenen Handschrift. Darstellung der Regelübergabe durch den heiligen Benedikt. Links ist Abt Johannes VIII. Merk (1600-1632) dargestellt, hinter Benedikt Statuen der heiligen Ulrich und Afra zu sehen. © Gerfried Sitar, Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal.

Die Päpste erkannten ebenso wie die weltlichen Herrscher den großen Vorteil, den ein Netz von über Europa verteilten Benediktiner- Klöstern mit sich brachte. Karl der Große (768-814) wurde zum aktiven Förderer der Benediktiner und ließ 787 eine Kopie der Regel des heiligen Benedikt von Montecassino nach Aachen bringen. In der Ausstellung zu sehen ist eine ganz besondere Kostbarkeit: Eine Darstellung der Übergabe der Regula Benedicti aus dem 11. Jahrhundert, eine Leihgabe aus dem Mutterkloster Montecassino. Benedikts Regelwerk besteht aus insgesamt 73 Kapiteln, die das Zusammenleben im Kloster ordnen. Sie versprechen eine praktische Anleitung für ein Leben, das sich der Suche nach Gott verschrieben hat. Das Original der Regel ist nicht mehr erhalten, in der Ausstellung gezeigt werden alte Abschriften aus dem 12. Jahrhundert aus dem Elsaß sowie eine Regel aus dem Benediktinerstift St. Paul aus dem Jahr 1499.

Der St. Galler Klosterplan und die Gründung eines Klosters
Von den Klostergründungen des Mittelalters zeugen heute neben den Gemäuern manchmal nur Urkunden, originale Baupläne sind eine äußerste Rarität. Ein Plan ist durch ein Leuchtbild im dritten Teil der Ausstellung zu studieren. Der Besucher kann hier den St. Galler Klosterplan aus dem Jahr 820/835 betrachten. Dieser aus fünf Pergamentstücken genähte Grundriss stellt anschaulich den Aufbau eines Klosters dar. Es ist ein Idealplan, der die Lage von Kirchen, Wirtschaftsgebäuden und Gärten in einem karolingischen Großkloster zeigt. Er belegt, dass Klöster nicht nur religiöse Zentren, sondern auch wirtschaftliche Großbetriebe mit einer autarken und differenziert strukturierten Gemeinschaft waren. Im Eingangsbereich der Ausstellung ist ein Modell zu sehen, welches in einer Schulkooperation nach dem Idealplan gebaut wurde.

Passend zum St. Galler Klosterplan wird im anschließenden Ausstellungteil der Ablauf einer Klostergründung beispielhaft dargestellt. Der Besucher erfährt, wie Klöster entstanden, aber auch welche Rolle diese Gründungen spielten. Ziel der Klostergründungen war es, Gebiete zu christianisieren und urbar zu machen. Stifter stellten oft die finanzielle Ausstattung der Klöster oder unterstützten Mönche gezielt bei der Neugründung. Teilweise spielten auch Reformen oder Vertreibungen von Mönchen eine Rolle bei der Entstehung neuer Klöster. Beispielhaft vorgestellt werden z.B. Lorch, Hirsau oder St. Paul in Kärnten. Zu sehen sind neben Papst Urbans Bestätigung für Kloster Hirsau auch Handschriften aus dem Stift St. Paul und das Privileg, welches Kaiser Barbarossa für das Kloster Lorch ausstellte.

Goldenes Handwerk
In den neugegründeten Benediktinerklöstern entstanden zahlreiche kunsthandwerkliche Schätze. Im diesem Teil der Schau kann sich der Besucher von deren Pracht und überragender Qualität selbst ein Bild machen. Die Benediktiner förderten das Handwerk und prägten die christliche Ikonographie nachhaltig. Neben Motiven des heiligen Benedikt spielten auch Mariendarstellungen eine wichtige Rolle. Bei den Benediktinern diente die prunkvolle Ausstattung der Klosterkirche mit luxuriösen Materialien und aufwendigen Techniken der Verherrlichung Gottes. Davon zeugen neben den kostbaren liturgischen Gegenständen in diesem Raum auch die kostbaren Handschriften. Zu sehen sind neben einer vergoldeten Hostienmonstranz und Prunkkelchen ein Abtstab aus St. Blasien sowie der Einband des Reichenauer Sakramentars, dessen filigrane Elfenbeintafel die Himmelfahrt Christi abbildet. Ein besonderer Höhepunkt ist der vergoldete und detailreich gestaltete Deckel eines Buchkastens. Er wurde um 1260 in Straßburg gefertigt und gehört zu den bedeutendsten Werken der europäischen Goldschmiedekunst in der Gotik.

Skriptorium
Ein Exkurs in die Schreibkunst des Mittelalters erwartet den Besucher in einem rekonstruierten Skriptorium. Nach der Regel des heiligen Benedikt ist neben dem Gebet und der körperlichen Arbeit auch die geistige Auseinandersetzung ein zentraler Teil des klösterlichen Lebens. Das Kopieren und Abschreiben wichtiger Texte im Skriptorium – von der Heiligen Schrift bis zu den Werken antiker Philosophen – war Alltagsarbeit in einem mittelalterlichen Benediktinerkloster. Die Arbeit der Mönche und Nonnen an einem Werk nahm oft mehrere Monate in Anspruch. Der Besucher erhält im Skriptorium einen Einblick in eine mittelalterliche Schreibstube und erfährt anhand von Texten und Mitmach-Stationen, wie dank der klösterlichen Schreibkultur Wissen weitergegeben wurde und was die Handschriften der Mönche so wertvoll macht. Auch die Kunst der Buchmalerei wird thematisiert.

Liturgie im Mittelalter
Der nächste Ausstellungsteil widmet sich ganz der Liturgie des Mittelalters. Liturgie bezeichnet die Gesamtheit der Handlungen im christlichen Gottesdienst. Im Mittelalter wurde ihr eine besondere Bedeutung beigemessen, da man glaubte an ihr hinge das Heil des Einzelnen – vom Mönch bis zum Herrscher. Nur ihre formgerechte und regelmäßige Ausführung gewährleistete Gottes Kraft und Gnade für jedermann. Die Liturgie prägte daher den gesamten Jahresablauf und begleitete die Menschen von der Geburt bis zum Tod. Bei den Benediktiner-Mönchen war sie durch das Stundengebet allgegenwärtig.

Glockenkasel, St. Blasien, 2. Viertel 12. Jahrhundert. Dargestellt sind zwölf Szenen aus dem Alten Testament und acht aus dem Neuen. © Gerfried Sitar, Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal.

Für eine würdevolle Ausführung der Liturgie nutzten die Mönche zahlreiche Gegenstände. Zu sehen ist eine Auswahl zentraler Objekte für die Messe oder das private Gebet. Gezeigt werden neben reich bestickten Textilien – darunter einzigartig gut erhaltene Messgewänder aus dem 12. und 13. Jahrhundert – auch Messkelche, Kruzifixe und Weihrauchbehälter.

Ramsey-Psalter. Ramsey, um 1300-1310. Sehr reich illustriertes Gebetbuch für den privaten Gebrauch von Abt John of Sawtry (1286-1316). © Gerfried Sitar, Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal.

Den Besucher erwarten außerdem wertvolle und seltene Handschriften mit kunstvollen Miniaturen, wie der Ramsey-Psalter für den privaten Gebrauch des Abts John of Sawtry (1286-1316), …

Einband des Reichenauer Sakramentars. Oberrhein, Ende 15. Jahrhundert (Rahmen), Metz, 9. Jahrhundert (Elfenbein). Die Elfenbeintafel zeigt die Himmelfahrt Christi, die Rahmenleiste schmücken vier Medaillons mit den Evangelisten. © Gerfried Sitar, Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal.

… das Reichenauer Sakramentar, das Bernauer Missale und das Spanheimer Evangeliar.

Bildung, Wissen und Musik
Der achte Teil der Ausstellung widmet sich dem kulturellen Beitrag der Benediktiner im werdenden Abendland. Da die geistige Arbeit ein Teil des Ordenslebens war, wurden die Schreibstuben der Klöster zu Keimzellen der Bildung. Antike Texte und wissenschaftliche Abhandlungen verbreiteten sich von ihnen ausgehend über ganz Europa. Zu verdanken war dies einer historisch einmaligen Situation: Nach dem Untergang des weströmischen Reiches und dem dadurch bedingten Zusammenbruch der Infrastruktur übernahmen die Klöster als Träger der Schriftkultur die Bewahrung und Überlieferung von antikem Wissen. Die reichen Buchbestände der noch heute erhaltenen mittelalterlichen Klosterbibliotheken zeugen von der nachhaltigen Wirkung dieses Wissenstransfers von der Antike in das christliche Europa. Von diesem profitierten auch die Naturwissenschaften. Stellvertretend gezeigt werden wertvolle Abschriften theologischer, mathematischer, historischer oder medizinischer Werke. Darunter befindet sich unter anderem ein medizinischer Sammelband aus dem 11. Jahrhundert. Die Vielfalt der Bücher reicht von staatstheoretischen Abhandlungen bis hin zu philosophischen Traktaten in Latein. Selbst verbotene Werke, die sich beispielsweise mit der Astronomie auseinandersetzten, fanden ihren Weg in die Schreibstuben und blieben so der Nachwelt erhalten. Besonderen Wert legten die Benediktiner auf die Musik, sie galt als geistiges Wissen und war fester Bestandteil des kontemplativen Lebens. Die Ausstellung zeigt frühe musiktheoretische Abhandlungen der Benediktiner und thematisiert ihre Rolle bei der Entstehung des gregorianischen Chorals.

Die Benediktiner heute
Nachdem die Ausstellung sich der Entstehung und Bedeutung der Klöster im Mittelalter gewidmet hat, spannt sie im letzten Abschnitt den Bogen in die Gegenwart. Am Beispiel von Stift Neuburg bei Heidelberg und von Maria Laach in der Eifel wird das Leben in heutigen Klöstern vorgestellt. Existierten um das Jahr 800 allein in Frankreich an die 700 Benediktinerklöster, so sind es aktuell in ganz Europa nur noch 550. Die Ordensmitglieder – von denen es weltweit etwa 16.000 Nonnen und 8.000 Mönche gibt – sind in den Klöstern und weiterhin in der Buchbindekunst und der Wissensvermittlung aktiv.

Stille in der Stadt – Online-Begleitausstellung
Begleitend zur Sonderausstellung präsentieren die Reiss-Engelhorn-Museen „Benedikt und die Welt der frühen Klöster“ eine Online-Ausstellung. Für diese werden Fotografien gesucht, die „Orte der Stille“ abbilden.
In der Hektik des Alltags sind Orte der Ruhe und Besinnlichkeit schwer zu finden. Klöster sind für viele auch heute noch ein Rückzugsort, an dem sie dem Stress entkommen. Gibt es auch in der Stadt Orte, an denen Menschen Ruhe finden? Auf der Ausstellungswebsite www.benedikt2012.de entsteht in Kooperation mit der Hochschule Mannheim eine Online-Präsentation von Fotografien, die Orte der Stille zeigen. Jeder kann sich beteiligen. Gesucht werden Bilder zum Thema „Stille in der Stadt“, die Oasen der Ruhe abbilden. Die Fotos sollen Orte und Momentaufnahmen zeigen, die einen Bezug zu Stille und Stadt sichtbar machen. Wichtig ist, dass die Bilder der Teilnehmer selbst gemacht wurden. Mitmachen ist ganz einfach: Alle Interessierten können ihr Foto an Karin Brugger schicken.

Besuchen Sie auch die offizielle Seite der Reiss-Engelhorn-Museen.

Hier finden Sie eine Liste von Benediktiner-Klöstern in Deutschland, Österreich und der Schweiz.