Deutschlands Geldgeschichte am Beispiel Bremens

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von Björn Schöpe

20. November 2014 – Münzen vermitteln Geschichte. Heutzutage ist die Numismatik jedoch ein so komplexes Gebiet geworden, dass die Spezialisten, Numismatiker, bisweilen keine Historiker mehr sind; das gilt insbesondere für Sammler. Gleichzeitig verstehen die Historiker oftmals (viel zu) wenig von Münzen. Man kann also gar nicht oft genug betonen, wie wichtig es ist, beide Pole einander näherzubringen. Einen solchen Versuch hat Oliver A. Bongartz vorgelegt mit seinem neuen Buch „Deutsche Geldgeschichte dargestellt am Beispiel Bremens“.

Oliver A. Bongartz, Deutsche Geldgeschichte dargestellt am Beispiel Bremens. Bremer Beiträge zur Münz- und Geldgeschichte 9. Bremer Numismatische Gesellschaft, Bremen, 2014. 332 S. mit Abbildungen in Farbe. Hardcover. 24,6 x 17,5 cm. ISBN: 978-3-00-045293-2. Preis: 26 Euro.

Bongartz stellt gleich zu Beginn klar, dass er keinen Münzkatalog von Bremer Münzen vorlegt. Dieses Buch wird sich also kein Sammler unter den Arm klemmen, wenn er auf der Münzbörse Ausschau hält nach fehlenden Stücken für seine Sammlung. Die „Deutsche Geldgeschichte“ ergänzt solche Kataloge. Denn während Kataloge sich meist auf die harten Fakten beschränken (müssen), zielt der vorliegende Band auf die großen Zusammenhänge und historischen Hintergründe ab. Außerdem führt er behutsam an die Numismatik heran, wenn er fragt: Was ist Geld? Wie funktionierte Wirtschaft und Geldwirtschaft in Deutschland?
Und hier sehen wir schon, dass es keinen Sinn hätte, solche allgemeinen Erläuterungen nur zu Bremen zu geben; die Geschichte von Bremens Geld lässt sich nicht abgekoppelt von der Geschichte des deutschen Geldes betrachten: Die als erstes vermittelten Kenntnisse der Münzsysteme und der ihnen zugrundeliegenden Maß- und Gewichtseinheiten sind von Interesse für Sammler unterschiedlicher Gebiete und Zeiten.

Eine chronologische Geldgeschichte stellt den Hauptteil dar. In Bremen beginnt sie, als sich im 9. Jahrhundert ein Marktplatz herausbildete und Otto I. im Jahr 965 den Erzbischöfen Bremens als Reichsfürsten das Münzrecht verlieh. Anschließend verfolgt der Leser den Wechsel der Leitwährungen von Pfennigmünzen zu Groschen und Talern bis zur Reichsgründung 1871. Eingeflochten in diese Bremer Geschichte sind Erläuterungen zu anderen Regionen, beispielsweise die Ursprünge des Talers in Tirol. Der Leser erfährt, warum bestimmte ausländische Währungen als Handelswährungen auch in Bremen kursierten – neben unzähligen Währungen verschiedener deutscher Münzstände.
Wenn der Autor uns ins 19. Jahrhundert mitnimmt, weitet sich der Blick von den Münzen auf die Entwicklung des Börsen- und Bankwesens allgemein sowie auf die wachsende Bedeutung des Papiergeldes. Den Abschluss stellt das Ende der D-Mark dar und die Krise des Euro. Sogar die digitale Währung Bitcoins findet noch eine Erwähnung.

Obwohl das Buch kein Katalog ist, gibt es doch zumindest eine knappe Übersicht der Bremer Münzen nach Münzarten und verschiedenen technischen Details; außerdem findet sich eine Zusammenstellung der Münzherren und Münzmeister in Bremen. Ein Register rundet das Buch ab und hilft bei der gezielten Suche nach Begriffen. Eine solche Suche dürfte sich lohnen, denn dieser Band ist allen zu empfehlen, die das große Ganze nicht aus dem Blick verlieren möchten und sich vielleicht bislang nur wenig mit anderem als dem eigenen Sammelgebiet beschäftigt haben. Fachbegriffe und wichtige Aspekte werden durch Fettauszeichnung typografisch klar hervorgehoben: Gesamt- oder Raugewicht, Münzverruf, Sachsenspiegel, Hälblinge, Blaffert, Ottonische Privilegien, Goldkernwährung. Auf viele dieser in Numismatik und Geldgeschichte zentralen Begriffe geht der Autor detaillierter in herausgehobenen Kästchen ein. Das hat den Vorteil, dass man bereits bekannte Erklärungen bequem überspringen kann. Wichtige Münztypen sind exemplarisch abgebildet, ebenso andere historische Zeugnisse wie Urkunden oder Stiche.

Der Autor hat seinen selbstgestellten Anspruch erfüllt: Gesamtzusammenhänge zu erschließen, „Streifzüge durch die Wirtschafts-, Kultur- und Rechtsgeschichte zu ermöglichen“ und „eine allgemein verständliche und systematische Einführung in das vielfältige Themenfeld rund um das Geld und seine historische Entwicklung vom Tauschhandel bis zur Bezahlung per Smartphone“ zu geben.
Das Buch könnte vielen Spezialisten helfen, ihr Fachgebiet in größere Zusammenhänge einzuordnen und Interesse an anderen Gebieten zu finden. Außerdem wäre zu wünsche, dass es so manchen der Numismatik unkundigen Historiker von der Geldgeschichte zur Geschichte der Münzen führen.