Die Casa Savoia – Eine Adelsfamilie zwischen Italien, Frankreich und der Schweiz. Teil 1

Am 17. November 2018 versteigert das monegassische Auktionshaus Éditions Victor Gadoury eine umfassende Sammlung von Münzen und Medaillen der Casa Savoia aus königlichem Besitz. Gäbe es eine bessere Gelegenheit, als sich daran zu erinnern, wie und warum die Grafen von Savoyen von einem kleinen Adelsgeschlecht zu den Königen von Italien aufstiegen? Wir erzählen die Geschichte und illustrieren sie mit Münzen der Sammlung.

Das Stammwappen der Herzöge von Savoyen.

Kapitel 1: Aus dem Nichts zu europäischer Bedeutung.
Grundsätzlich gilt eines fürs Mittelalter: Am leichtesten gelingt ein Aufstieg, wenn es nicht sicher ist, ob der Mann an der Spitze sich an der Spitze halten kann. Und genau so einer Situation verdankt das Haus Savoyen seine Entstehung.
Der Ottone Heinrich II. (1014-1024) starb nämlich kinderlos. Zu seinem Nachfolger wurde Konrad II. (1024-1039), der die Herrschaft der Salier einleitete. Auf dem Weg nach oben unterstützte ihn ein unbedeutender Feudalherr namens Umberto Biancamano. Dafür erhielt er ein Lehen, in dem gleich drei wichtige Alpenpässe lagen: der Mont Cenis, der große und der kleine St. Bernhard. Damit hatten seine Nachkommen einen Hauptgewinn gezogen. Denn wer die Alpenpässe beherrschte, kontrollierte die Verbindung zwischen Italien und dem Reich. Und nach Italien wollten alle Könige, um sich in Rom zum Kaiser krönen zu lassen.
Die Grafen von Savoyen wurden also mit Gebieten beschenkt und mit Titeln belohnt, wenn die Mächtigen mal wieder auf sie angewiesen waren. Was für eine Bedeutung sie dadurch gewannen, sieht man am besten daran, mit wem sie ihre Töchter verheirateten. Unter den Schwiegersöhnen befanden sich zwei Kaiser, ein deutscher und ein byzantinischer, ein deutscher Gegenkönig, zwei Könige von Frankreich, je ein König von Portugal und Neapel, dazu jede Menge Mitglieder des süddeutschen und italienischen Hochadels, ob Habsburger oder Luxemburger, ob Visconti, Sforza oder Medici.

Amedeo VIII., 1391-1434. Bianchetto. MIR 149 (R8). Äußerst selten. Sehr schön. Taxe: 600 Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1448.

Ein Savoyer als der letzte Gegenpapst
Am 1. November 1391 fiel Amedeo VII. mit dem schönen Beinamen „der rote Graf“ vom Pferd. Der Sturz war tödlich. Damit wurde sein Sohn Amedeo VIII. bereits im Alter von acht Jahren zu seinem Nachfolger.
Er herrschte mehr als erfolgreich. 1416 erhob ihn König Sigismund zum Herzog. 1418 erbte er den Titel Fürst von Piemont. Seinen Sohn verheiratete er mit Anne de Lusignan. Sie brachte 100.000 venezianische Dukaten und 10.000 Écu in die Ehe. Eine erkleckliche Summe! Doch noch besser waren in den Augen frommer Fürsten ihre familiären Verhältnisse: Die Lusignan waren Titularkönige von Jerusalem! Auch wenn das natürlich schon längst erobert worden war.

Ludovico, 1439-1465. Ducato d’oro, Cornavin. MIR 155b (R3). NGC AU53. Taxe: 4.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1449.

1434 hatte Amedeo genug von der Politik. Wie es später Karl V. tun sollte, zog er sich von den Amtsgeschäften zurück, um in einem Kloster am Genfer See zu meditieren. Während sein Sohn Ludovico die Herrschaft übernahm, führte Amedeo VIII. das, was man zu seiner Zeit für ein heiligmäßiges Leben hielt. Er gewann dadurch so einen guten Ruf, dass ihn das Konzil von Basel in einem nur wenige Stunden dauernden Konzil 1439 zu seinem Papst wählte. Amadeus akzeptierte, legte aber bereits 1449 sein Amt nieder, um die Einheit der Kirche zu gewährleisten. So ging er als der letzte katholische Gegenpapst in die Geschichte ein.

Bona di Savoia, 1476-1481. Testone, Milano, Gian Galeazzo Maria Sforza. MIR 218/1 (R3). Sehr selten. Gutes sehr schön. Taxe: 5.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1457.

Sein Sohn Ludovico agierte eher glücklos. Aber seine Frau gebar ihm 19 Kinder, die er wunderbar für seine politischen Zwecke einsetzen konnte: ein gutes Beispiel dafür ist die 1449 geborene Bonne, besser bekannt als Bona di Savoia. Sie wurde erst dem englischen König Edward IV. versprochen. Als die Ehe platzte, heiratete sie Galeazzo Maria Sforza. Numismatische Bedeutung erhielt sie, als ihr Ehemann mit 32 Jahren ermordet wurde. Sein 7jähriger Sohn übernahm die Herrschaft, Bona die Regentschaft. Sie wurde ihrerseits vom Bruder des Ermordeten vertrieben, von Ludovico Maria Sforza, genannt „Il Moro“.

Carlo I., 1482-1490. Ducato d’oro, II tipo, Torino. MIR 223a var. (D/MA) (R9). Unediert und wohl unik. Vorzüglich. Taxe: 50.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1460.

Kapitel 2: Zwischen Frankreich und Burgund
In einer Zeit, in der die Primogenitur noch nicht die Regel war, bedeutete eine große Schar von Söhnen immer eine Schwächung für das Land, da auch die nachgeborenen Söhne mit Land versorgt werden mussten. Ein ganz besonderes Problem war es, dass ausgerechnet der älteste Sohn namens Amedeo IX. an Epilepsie erkrankte. Sein ältester Sohn war bei Amedeos Abdankung gerade mal vier Jahre alt. Sein zweitältester Sohn Carlo, der 1482 beim Tod des ältesten Bruders die Herrschaft antrat, gerade einmal 13 Jahre alt. Auch wenn er keine wichtige Rolle in der Geschichte spielen sollte, blieb ihm wenigstens eine Rolle in der Kunstgeschichte.

li. Vorderseite des vorherigen Stücks: // re. Ausschnitt aus Jean Colombe, Très Riches Heures du duc de Berry. Ms65, f. 75f.

Seine Münzen sind die ersten, die ein Porträt des Herrschers von Savoyen zeigen. Auf ihnen begegnet uns ein junger Mann mit langen gepflegten Haaren, auf dem Kopf ein Barett. Die Rückseite zeigt das Wappen des Hauses von Savoyen: Ein weißes Kreuz auf rotem Grund.

Jean Colombe, Très Riches Heures du duc de Berry. Ms65, f. 75f.

Dieses Wappen identifiziert den Dargestellten in einem der berühmtesten Kunstwerke des ausgehenden Mittelalters: In der Bibliothek Carlos befand sich das Stundenbuchs des Herzogs von Berry. Würden wir uns heute damit begnügen, ein Ex Libris hineinzukleben, ließ sich Carlo mit seiner Gemahlin Bianca von Montferrat auf einer Seite des Buchs abbilden.

Carlo I., Carlo II., eigentlich müssen wir uns die ganzen Namen nicht merken, denn Carlo I. herrschte nur sechs Jahre – er starb kurz vor seinem 22. Geburtstag; sein Sohn und Nachfolger – ein noch nicht einmal zweijähriges Kind – fiel 1496 aus dem Bettchen und brach sich dabei das Genick. Damit war die auf Amedeo zurückgehende Linie der Casa Savoia ausgestorben und der dritte Sohn Ludovicos I. (ja, genau, der mit den 19 Kindern) übernahm die Herrschaft, der zu diesem Zeitpunkt bereits 58jährige Filippo II.

Filippo II, 1496-1497. Testone, I Tipo. MIR 277d (R8). Gutes sehr schön / Vorzüglich. Taxe: 20.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1465.

Er war eigentlich als Graf von Bresse vorgesehen gewesen. Doch dummerweise ging ausgerechnet die Grafschaft Brest während der Auseinandersetzungen zwischen Burgund und Frankreich verloren. So erhielt Filippo den Beinamen „Ohneland“, wobei er sein Bestes gab, seinen Beinamen zu widerlegen.
Bereits als junger Mann initiierte er einen Aufstand gegen seinen Vater. Damit scheiterte er. Zwei Jahre lang hielt ihn deshalb der französische König Ludwig XI. im Auftrag des Herzogs von Savoyen in der Burg von Loches gefangen. Kein Wunder, dass sich Filippo II. danach eher zum großen Gegner Frankreichs, dem burgundischen Herzog Karl dem Kühnen, hingezogen fühlte.
Auch wenn Karl den Krieg verlor – wie die Schweizer sagen: bei Grandson das Gut, bei Murten den Mut, bei Nancy das Blut –, gewann Filippo: Seine Linie war bestimmt, die Herzöge von Savoyen zu stellen. Filippo konnte sich selbst allerdings nicht allzu lange darüber freuen. Er starb am 7. November 1497.

Kapitel 3: Zwischen Frankreich und Spanien
Filiberto II. beerbte 1497 seinen Vater Filippo II. Noch im Jahr seines Herrschaftsantritts heiratete der Sechzehnjährige seine neunjährige Cousine Iolanda, Erbin des Königreichs von Zypern und Jerusalem. Fortan waren diese Titel mit der Casa Savoia verbunden und wurden gerne in den Münzlegenden benutzt.
Iolanda starb mit zwölf Jahren. Daraufhin heiratete Filiberto die einzige legitime Tochter des späteren Kaisers Maximilian I., Margarete. Ein Jagdunfall machte die 24jährige Margarete zur Witwe und brachte den jüngeren Bruder Filibertos, Carlo III. an die Macht.

Carlo III., 1504-1553. Testone, VI Tipo, Aosta. Fast vorzüglich. Taxe: 25.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1469.

Der Mann, der Savoyen von der Landkarte löschte
Filiberto hatte die Nähe zu den Habsburgern gesucht, weil er Bündnispartner im Kampf gegen Frankreich brauchte. Der französische König Ludwig XII. hatte 1499 das Herzogtum Mailand erobert, so dass das Gebiet von Savoyen vollständig von Frankreich eingeschlossen war. Eine ungünstige Situation, vor allem in einer Zeit, in der die Mächtigen danach strebten, ihr Gebiet zu vergrößern. Carlo taktierte, verhandelte, trieb eine Schaukelpolitik, bei der er sich mal mit dem französischen König, mal mit dem deutschen Kaiser verbündete. Doch alles Taktieren half nichts. Mal zog die eine, mal die andere Kriegspartei plündernd durchs Land. Große Teile Savoyens gerieten unter französische Herrschaft, andere schlossen sich der Eidgenossenschaft an.

Für Genf, traditionell mit den Savoyern engst verbündet, bedeutete das starke finanzielle Einbußen. Genf lebte vom internationalen Handel. Doch niemand wollte einen Markt benutzen, der keine sichere An- und Abreise garantieren konnte. So sagte sich auch Genf los von den Savoyern, Karl musste fliehen und verbrachte den Rest seines Lebens mehr oder minder im Exil.

Emanuele Filiberto, 1553-1580. Tallero, Vercelli, 1580. MIR 505 (R10). Äußerst selten. Vorderseite leicht gereinigt, sonst vorzüglich. Taxe: 10.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1483.

Der Mann, der Savoyen wieder auf die Landkarte setzte
Nach seinem Tod übernahm sein einziger überlebender Sohn Emanuele Filiberto das Herzogtum. Oder besser gesagt das, was noch davon übrig war. Deshalb schloss sich Emanuele Filiberto dem spanischen Kaiser Karl V. und dessen Sohn Philipp II. an. Als Feldherr kommandierte er große Truppenteile während der Belagerung von Ingolstadt (1546) und der kriegsentscheidenden Schlacht bei Mühlberg (1547); er wurde Befehlshaber der kaiserlichen Truppen in Flandern und übernahm 1556 das Amt eines Statthalters in den habsburgischen Niederlanden. 1557 errang er in der Schlacht bei Saint-Quentin einen großartigen Sieg über den französischen König. Man sagt, dass in dieser Schlacht mehr französische Adlige getötet worden sein sollen, als während der wesentlich bekannteren Niederlage von Azincourt im Jahr 1415. Man weiß, dass dieser Sieg für Philipp II. von Spanien solche Bedeutung hatte, dass er beschloss, dem hl. Laurentius, an dessen Festtag die Schlacht geschlagen worden war, ein Kloster zu bauen. Wir kennen dieses Kloster heute als den Escorial.

Und das hieß mit anderen Worten, dass Emanuele Filiberto sich einen Platz am Verhandlungstisch der Großmächte gesichert hatte. So gehörte er im Frieden von Cateau-Cambrésis, mit dem die italienischen Kriege endeten, zu den großen Nutznießern. Der französische König erstattete ihm sein Herzogtum zurück, wobei Genf ein Teil der Eidgenossenschaft blieb.

Emanuele Filiberto, 1553-1580. Scudo da 3 Lire, Turin, 1569, mit Margherita di Francia. MIR 565 (R10). Äußerst selten. Im Feld leicht gereinigt, sonst vorzüglich. Taxe: 50.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1504.

Und so gestaltete Emanuele Filiberto sein Herzogtum neu. Die Orientierung nach Frankreich wurde zugunsten Italiens aufgegeben, die Hauptstadt Chambéry nach Turin verlegt. Italienisch wurde Amtssprache. Emanuele Filiberto förderte die Landwirtschaft und kleine Manufakturen, machte so aus seinem Herzogtum ein prosperierendes Gebiet, das seine kleine Armee von bestens ausgebildeten Söldnern finanzieren konnte. Auch eine eigene Flotte besaß Savoyen. Die Schiffe kämpften auf spanischer Seite in der Schlacht von Lepanto. Die entscheidende Rolle, die Savoyen fortan auf dem europäischen Parkett spielen sollte, gründete sich vor allem auf seiner beeindruckenden Armee.
Bei seinem Tod hatte Emanuele Filiberto Savoyen wieder auf die Landkarte gesetzt. Und sein ältester Sohn Carlo Emanuele, über seine Mutter Margarethe von Frankreich der Neffe des französischen Königs Franz I., hätte eigentlich die besten Voraussetzungen für einen rasanten Aufstieg gehabt…

Carlo Emanuele, 1580-1630. 10 Scudi d’oro, II Tipo, Turin, 1610. MIR 568 (R10). Nur drei Exemplare bekannt. NGC MS60. Taxe: 200.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1505.

Der Mann, der alles wieder verspielte
Eigentlich hätte Carlo Emanuele also die besten Voraussetzungen gehabt, um seine Ambitionen zu verwirklichen. Seine Verbindungen waren bestens: Immerhin hatte er die jüngere Tochter des spanischen Königs Philipps II. geheiratet.
Doch wie sein Schwiegerpapa die Niederländer zum wahren Glauben bringen wollte, so verrannte sich Carlo Emanuele darin, die Genfer Calvinisten unter seine Kontrolle zu bringen. Am 21. Dezember 1602 schickte er deshalb eine Streitmacht von 2000 bis 3000 Mann vor die Stadtmauer von Genf. Einige von ihnen sollten im Schutz der Dunkelheit – die Wintersonnwende ist die dunkelste Nacht des Jahres – heimlich über die Mauer klettern, um die Tore von innen zu öffnen. Doch dank der Wachsamkeit der Genfer scheiterte dieser Handstreich, eine Tatsache, die noch heute jedes Jahr mit der Zerschlagung des Schokoladentopfes gefeiert wird. Damit erinnern die Genfer daran, dass eine einfache Frau die Angreifer in die Flucht geschlagen haben soll, indem sie einen Topf heißer Suppe über sie ausgoss.

Carlo Emanuele, 1580-1630. Ducatone, II Tipo, Turin, 1588. MIR 600b (R6). Sehr selten. Schönstes bekanntes Exemplar. Fast vorzüglich. Taxe: 12.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1511.

Zu Beginn des 30jährigen Krieges agierte Carlo Emanuele genauso glücklos. Er wechselte so lange die Bündnispartner, bis der Kardinal Richelieu die Geduld verlor und französische Truppen in Savoyen einmarschieren ließ. Was der Vater mühsam gewonnen hatte, verlor der Sohn. Carlo Emanuele hinterließ bei seinem Tod im Jahr 1630 seinem ältesten Sohn und Nachfolger Vittorio Amadeo, gerade mal den Titel.

Übrigens, ausgerechnet der Enkel seines jüngsten Sohns nahm als Prinz Eugen von Savoyen Dienst beim Kaiser und ging als der bedeutendste Feldherr seiner Zeit in die Geschichte ein.

In Teil 2 erlangt die Casa Savoia den Königstitel und verliert doch zeitweise wieder alle Unabhängigkeit.

In der MünzenWoche lesen Sie auch einen ausführlichen Vorbericht.