Die Holey Dollars von Prince Edward Island

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von Ursula Kampmann

30. Mai 2013 – Für einen modernen Menschen ist es kaum vorstellbar, mit welch monetären Problemen viele Kolonien in ihrer Anfangszeit zu kämpfen hatten. Alles Bargeld, das die Regierung sandte, verschwand. Meist wurde es ausschließlich dazu verwendet, Waren im Mutterland zu kaufen, während die Siedler gezwungen waren, ihre Erzeugnisse im Tausch gegen Importe einzuhandeln. Nutznießer dieser Zwangslage war der clevere Händler, der zweimal einen Gewinn verbuchen konnte: Einmal beim Verkauf der Importwaren, das zweite Mal beim Verkauf der eingetauschten lokalen Erzeugnisse.
Natürlich bemühten sich die Verwaltungen vor Ort einzuschreiten. Doch alle in die Kolonien geschickten Münzen waren schnell wieder in dunklen Kanälen versickert. 1811 fand man einen Lösungsansatz in der Karibik. Auf Dominica, St. Vincent und Trinidad gab es die ersten „Dollars mit dem Loch“ (= Holey Dollars). Der Gouverneur einer kleinen Kolonie auf einer Insel vor der Ostküste Kanadas, die seit 1798 den Namen Prince Edward Island trug, ahmte die Idee im Jahre 1813 nach. Er schuf Münzen, die nicht ins Ausland abfließen würden, weil ihr Nennwert im Inland wesentlich höher berechnet wurde als ihr intrinsischer Wert im Ausland. Zu diesem Zweck wurden 1.000 von den mit fünf englischen Schillingen bewerteten spanischen reales de a ocho mittels eines Locheisen in der Mitte ausgestanzt. Während sich ihr Gewicht damit entscheidend reduzierte, durften sie auf Prince Edward Island weiterhin mit einem Wert von fünf Schilling kursieren. Der Dump – das ausgestanzte Stück – wurde mit einem Schilling bewertet.

Christopher Faulkner, The Holey Dollars and Dumps of Prince Edward Island. Spink, London 2012. 382 S. durchgehend farbig bebildert. Leinen. Fadenbindung. 21,5 x 30,5 cm. ISBN 978-1-907427-18-3.

Diesen Prägungen widmet sich Christopher Faulkner in seiner umfassenden Monographie zu den Holey Dollars and Dumps von Prince Edward Island. Ausführlich erzählt er die Geschichte dieser Münzen und ihrer Vorläufer und rekonstruiert die Herstellungsmethode der Stücke. Er berichtet über ihren wirtschaftlichen Erfolg und darüber, dass Händler bald Imitationen der beliebten Stücke anfertigen ließen. Natürlich gibt es auch ein Kapitel über moderne Sammlerfälschungen.
Mit vielen Originalquellen erzählt der Autor seine Geschichte, die er seit mehr als 20 Jahren erforscht hat. Und das ist lesenswert, auch wenn eine überlegtere Verwendung von Abständen und Schriftgrößen vor allem bei Kapitelüberschriften dem Benutzer bei der Orientierung im Buch durchaus geholfen hätte.

Während der erste Teil der Geschichte gewidmet ist, dreht es sich im zweiten Teil um das Material: um alle bekannten Exemplare von Holey Dollars und Dumps von Prince Edward Island. Für den europäischen Sammler ziemlich ungewohnt ist die amerikanische Gewohnheit, jedem Stück einen eigenen Namen zu verpassen, meist nach einem seiner Eigentümer. 79 Holey Dollars und 12 Dumps konnte der unermüdliche Autor ausfindig machen. Dieses Material untersucht er zunächst statistisch, um dann all die Auktionen aufzuzählen, in denen diese Prince Edward Island Holey Dollars angeboten wurden, und all die Publikationen zu nennen, in denen sie abgebildet sind.
Es folgt der Katalog, in dem – geordnet nach Gruppen, die sich durch ihr Prüfzeichen ergeben – jedem einzelnen Exemplar mindestens eine ganze Seite gewidmet ist. Eine vergrößerte Abbildung, technische Daten, Herkunft und Nennungen in der Literatur, Kommentar und Foto-Nachweis. Als Nichtkenner ist man verblüfft, was man zu jedem einzelnen Stück schreiben kann. Vor allem der Überlieferungsgeschichte wird großes Augenmerk geschenkt. Viele Sammler, nach denen die Dollars benannt sind, werden abgebildet. Eine enorme Arbeit steht hinter all diesen Details, die der Autor in der ganzen westlichen Welt gesammelt hat.
In zusätzlichen Kapiteln präsentiert Christopher Faulkner verwandte Prägungen. Appendices sind den offiziellen Dokumenten, privaten Erwähnungen und neueren Texten gewidmet. Ein weiterer Anhand listet – soweit sie nachweisbar sind – alle Händler, Handwerker, Ladeninhaber und Amtsinhaber von Charlottetown, Hauptstadt von Prince Edward Island auf. Verschiedene Indices erschließen das Werk.

Der Holey Dollar ist für die Kanadier so etwas wie die Blaue Mauritius für den Briefmarkensammler. Etwas, von dessen exotischer Geschichte selbst Nicht-Numismatiker schon gehört haben, etwas, von dem jeder kanadische Münzsammler träumt, im vollen Bewusstsein, dass er kaum in der Lage sein wird, je einmal einen zu erwerben. Das Buch von Christopher Faulkner ist deshalb mehr als ein reiner Katalog, mehr als die Geschichte einer Münze, es ist der Stoff, aus dem Sammlerträume beschaffen sind. Und wenn man sich schon nicht die Münze leisten kann, dann sollte man sich wenigstens das Buch kaufen.

Mehr zum Buch finden Sie auf der Seite von Spink.