Einblick in die Vergangenheit: ein antiker Industriezweig auf Münzen

von Claire Franklin

1. April 2015 – Vor kurzem erschien ein ungewöhnlicher Münztyp auf einer Auktion. Er zeigt einen antiken Industriezweig, der bislang weder von Münzen noch aus dem figürlichen Relief bekannt war: die Teigwarenmanufaktur. Die Münze, geprägt in Ephesus zur Zeit des römischen Kaisers Geta (209-212), erzielte bei dem Londoner Auktionshaus Ceres 30.000 GBP. Sie zeigt zwei Figuren, die an einer Art antiker Nudelmaschine arbeiten.

Zwei Arbeiter sammeln ‚Spätzle‘ von einer Nudelmaschine in Form der Artemis Chondriates mit ihren wohlbekannten Knödelschnüren. Ceres, Auction 14 (2015), Los Nr. 117.

Auf der Münze ist klar zu erkennen, wie die eine Figur Teig in die Maschine einführt. Diese Maschine ist in Form einer Göttin gestaltet. Die zweite Figur breitet das fertige Produkt zum Trocken aus. (Dr. Brett Teigleman von der Universität von Lower Minnesota hat jüngst eine andere Theorie vorgeschlagen: Die Figur auf der rechten Seite schabt von Hand Spätzle von einem Brett, wie es noch heute in Süddeutschland, der Schweiz und Österreich üblich ist.) Wir sehen, wie der Teig unter hohem Druck in gleichmäßig geformten Portionen aus der Maschine gepresst wird.

Obgleich man allgemein meint, Nudeln stammten aus China, von wo sie erst Marco Polo nach Italien brachte, erfreuten sie sich doch tatsächlich großer Beliebtheit in der antiken Welt. Der Geograph Strabo und Plinius der Ältere beschreiben die Herstellung von alicia oder chondroi aus Dinkel in Kampanien (Naturalis Historia 18,8). Die früheste Erwähnung von chondroi finden wir allerdings in einem leider größtenteils unverständlichen Fragment aus Aristophanes’ Komödie Mageiroi, „Die Köche“, aus dem Jahr 414 v. Chr. (Kock, Frag. 496b). Diese Münze legt nahe, dass die Herstellung von Spätzle in den Gegenden des kornreichen Ioniens weit verbreitet war. Auch aus Inschriften sind Handwerkervereinigungen der „Hypochondroi“, oder „Nudelmacher“, gut belegt und ihre Verehrung der Artemis Chondriates, der sie geweihte Teigerzeugnisse opferten (IG 2.II,40 (Ionien), 570-572b, Z. 2,8).

Heutzutage ist die Provenienz für Münzen ungeheuer wichtig. Dieses Stück kann eine tadellose Herkunftsgeschichte nachweisen. Das Motiv der Teigwarenmanufaktur auf Münzen, wie sie Goltzius (1582) und andere frühe Kenner ausführlich beschrieben haben, zog schon die Aufmerksamkeit des Hobbynumismatikers und „Vaters der schwäbischen Küche“ auf sich: Magister Hartmut Klötzle. Dieser erstand die Münze von einem herumreisenden Händler namens Claudio Constantini etwa zu der Zeit, als er seine Ehefrau Maria Emilia Garrella (-Klötzle) auf der Mailänder Handels- und Gewerbemesse 1892 kennenlernte. Sie war die Erbin der renommierten Pasta-Firma Garrella. Die Münze wurde ein geschätztes Stück ihrer gemeinsamen Münzsammlung, die zum Großteil in den 1980er Jahren verkauft wurde, um eine neue Großküche für das Unternehmen zu finanzieren. Dieses Stück allerdings war bis zur aktuellen Auktion im Besitz der Familie Garrella-Klötzle verblieben. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass diese Münze angeblich von dem Milliardär Ma Xi Peng gekauft wurde, dem Direktor der Pekinger Knödelfabrik Beijing Dumpling Company.