Früher Naturschutz durch den Fiskus: Die Steuerpflicht auf die Käfighaltung von Nachtigallen

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25. Mai 2017 – Beinahe zeitgleich mit der Rückkehr der Nachtigallen aus ihren afrikanischen Winterquartieren nach Hessen hat Professor Niklot Klüßendorf einen Vortrag aus der Geisteswissenschaftlichen Klasse der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft herausgebracht und darin rechtsgeschichtliche und ornithologische Aspekte verknüpft.

Raffinierte Luxussteuer?

Der Kategorie der Luxussteuern zugerechnet, wurde die Nachtigallensteuer noch um die Jahrtausendwende als Argument gegen ökologische Steuern eingesetzt, indem diesen, wie anderen Verbrauchs- und Lenkungssteuern, unterstellt wurde, durch außerfiskalische Ziele Steuerpläne moralisch zu verbrämen. Vor allem aber galt die Nachtigallensteuer als eine ausgefallene fiskalische Raffinesse.

So konnte eine Falle für Nachtigallen aussehen.

Vogelschutz in Mittelalter und Neuzeit

Die im April ihre Sommerquartiere beziehenden Zugvögel waren vielfach gefährdet. Die Nester der Bodenbrüter wurden durch Eier sammelnde Schulkinder gestört, Jungvögel geraubt, die wegen ihres Gesangs geschätzten Männchen durch Vogelfänger als Stubenvögel verkauft. Gegen solche Missgriffe schritten schon seit dem Spätmittelalter etliche Landesherrschaften ein. Im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts kam eine neue Idee für die Schutzverordnungen auf, die Einschränkung der Käfighaltung von Nachtigallen über eine Steuer. Die erste Abgabe dieser Art, die Sachsen-Weimar-Eisenach 1777 verfügte, war mit wenigen Groschen noch zu bescheiden, um abschreckende Wirkung zu entfalten. Doch 1802 eröffnete die Landgrafschaft Hessen-Kassel mit einem hohen Tarif einen regelrechten Reigen solcher Maßnahmen. Gerade im Deutschen Bund kam es zu einer großen Zeit der Nachtigallensteuern. 1826 rühmte ein Dichter den Weimarer Großherzog Karl August (1757-1828) für eine neue Schutzverordnung und ließ eine Nachtigall singen: „Weimar sey das Ziel, Weimar das Asyl.“

Staatlicher Naturschutz durch hohe Steuer

Die Tarife in Dukaten und Talern, die sich über die Lebensdauer einer Nachtigall von bis zu acht Jahren zu hohen Beträgen aufsummierten, sollten Vogelhalter dazu bewegen, ihre Nachtigallen fliegen zu lassen. Der Beginn des Steuerjahres wurde einmal vom 1. Januar auf den 1. Mai verschoben, weil die steuermeidende Freilassung zu Silvester den das Leben in der Natur nicht mehr gewöhnten Käfigvögeln den Tod gebracht hätte. In Kassel und Hanau hörten sich die Polizisten auf ihren Patrouillen nach dem Gesang um und irrten sich zuweilen durch Anzeigen gegen Halter anderer, aber steuerfreier Singvögel.

Am Ende hatte die Steuer dazu beigetragen, dass die Nachtigallen nicht mehr durch Käfighaltung bedroht waren. Foto: Frebeck / CC BY-SA 3.0

Das Ende der Nachtigallensteuer

Die Nachtigallensteuern waren keine lokale Kuriosität, sondern wurden, so der überterritoriale Vergleich, in 17 deutschen Staaten erhoben. Mit ihrer klaren Zielsetzung wirkten sie als frühe Maßnahmen staatlichen Naturschutzes: Heimische Nachtigallen sollten nicht mehr gefangen werden, aus dem Ausland eingeführte wurden meldepflichtig, die Käfighaltung wurde über die Steuerschraube unattraktiv gemacht. Praktisch schufen sich so die Steuern selbst ab, die kaum den Aufwand für ihre Erhebung einbrachten. Hinzu kam, dass im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts andere, nicht mit Abgaben belastete Käfigvögel aus heimischer Zucht in die Stuben Einzug hielten und das Reich 1888 mit eigener Gesetzgebung im Vogelschutz tätig wurde.

Die bibliografischen Angaben zu dem Aufsatz:
Niklot Klüßendorf, Die deutschen Nachtigallensteuern im 19. Jahrhundert, in: Braunschweigische Wissenschaftliche Gesellschaft. Jahrbuch 2016, Braunschweig 2017, S. 226-237 (ISSN 0931-1734).

Das Heft wird auch online verfügbar gemacht auf der Seite der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft.

Über den Autor informiert ausführlich sein Wikipedia-Eintrag.