Globalisierung in römischer Zeit: Der Handel mit Indien

Zusammen mit der Herrschaft über Ägypten eroberte Augustus die Kontrolle über einen Handelsweg, der seit ptolemaischer Zeit den Wohlstand des Landes am Nil gemehrt hatte. Der Periplus Maris Erythraei, der wohl um die Mitte des 1. Jh. n. Chr. geschrieben wurde, beschreibt den Weg nach Indien mit allen wichtigen Stationen genau. 

Der Handelsweg nach Indien in römischer Zeit, wie ihn der Periplus Maris Erythraei aus dem 1. Jh. n. Chr. beschreibt. Karte: PHGCOM. GNU / CC4.0

Das Nildelta aufwärts, durch den schon in altägyptischer Zeit erbauten, von Traian erneuerten Bubastis-Kanal, fuhren die Schiffe ins Rote Meer. Die Fahrt ging weiter in den Arabischen Golf. Von dort segelten die Handelsschiffe in Richtung Osten. Sie nutzten dafür die Monsun-Winde, mit denen sich die römisch-ägyptischen Seeleute bestens auskannten: Im Spätsommer brachten die nach Nordosten wehenden Winde die römischen Schiffe nach Indien, im Februar kehrten die Händler mit dem nun in Richtung Südwesten wehenden Monsun wieder zurück. Ihr Ziel waren die indischen Handelshäfen Barigaza bzw. das weiter südlich gelegene Muziris, wo sich, wie wir der Tabula Peutingeriana entnehmen können, sogar ein Kaisertempel befand. Dies dürfte ein eindeutiger Beweis dafür sein, dass die Händler aus dem römischen Reich nicht nur flüchtige Besucher waren, sondern Niederlassungen gegründet hatten. Von Barigaza aus segelten die Kauffahrer der Küste entlang nach Norden in die Gegend des heutigen Pakistan oder – von Muziris aus – nach Süden durch die Falk-Straße zwischen Indien und Sri Lanka bis zum Mündungsdelta des Ganges, von wo aus China mit seiner Seidenproduktion in erreichbarer Nähe lag.

Titus, 79-81. Denar, 80. Rv. Elefant. Aus Auktion Künker 288 (13. März 2017), Nr. 492. Schätzung: 150 Euro.

Indien hatte den Römern viel zu bieten. Gewürze natürlich, darunter der so wichtige Pfeffer, Nelken und Rohrzucker. Aber auch Ebenholz und das Färbemittel Indigo wurde importiert, nicht zu vergessen wilde Tiere. Das römische Zirkuspublikum konnte gar nicht genug bekommen von indischen Tigern, Rhinozerossen, Elefanten und Riesenschlangen. Vor allem die eindrucksvollen indischen Elefanten sind häufig auf römischen Münzen zu sehen, leicht erkennbar an ihren relativ kleinen Ohren. Ein ebenfalls in der kommenden Künker-Auktion angebotener Denar von 80 n. Chr., dem Jahr, in dem das Kolosseum offiziell eingeweiht wurde, zeigt ein Beispiel.

Diva Paulina. Denar unter ihrem Gatten Maximinus Thrax, 235-238. Rv. Pfau trägt die verstorbene Kaiserin zu den Göttern. Aus Auktion Künker 288 (13. März 2017), Nr. 760. Schätzung: 600 Euro.

Aber auch Pfauen mussten regelmäßig importiert werden. Schließlich brauchte man diese für das Begräbnis römischer Kaiserinnen. Das Zeremoniell verlangte, dass ein Pfau dem Scheiterhaufen entflog, auf dem die Seele der Kaiserin zu den Göttern entrückt wurde.

Ein indischer Tiger wird verladen, um zum Gaudium der Römer in irgendeinem Tierkampf getötet zu werden. Mosaik aus der Villa Casale / Sizilien. Foto: KW.

Im Austausch brachten die römischen Händler Wein – am besten italienischen, ferner Kupfer, Zinn, Blei und aufwändig gearbeitete Luxuswaren. Vor allem flossen Gold- und Silbermünzen nach Indien, was die römischen Politiker nicht glücklich machte. Schon Plinius der Ältere jammerte in seiner Naturgeschichte: „Indien, China und die Arabische Halbinsel entziehen unserem Reich – konservativ geschätzt – einhundert Millionen Sesterzen pro Jahr. Das kosten unser Luxus und unsere Frauen!“

Indische Imitation eines römischen Aureus. Aus Auktion Künker 288 (13. März 2017), Nr. 680. Schätzung: 1.000 Euro.

Einhundert Millionen Sesterzen pro Jahr! Das sind eine Million Aurei! Eine gewaltige Summe möchte man meinen und diese ins Reich der Übertreibung verweisen. 

Das Vorbild: Septimius Severus mit seiner Gattin und den Söhnen Caracalla und Geta. Aureus, 201, Rom. Aus Auktion Künker 288 (13. März 2017), Nr. 679. Schätzung: 30.000 Euro.

Doch existiert ein Dokument, das den Anteil eines Händlers an einer Schiffsladung beschreibt. Und der transportierte 700-1.700 Pfund Nardenöl – ein Begriff, der fleißigen Kirchgängern bestimmt aus dem Neuen Testament bekannt ist: Maria salbte Jesu die Füße mit Nardenöl im Wert von 300 Denaren, was von Judas Iskariot als unglaubliche Verschwendung gebrandmarkt wurde (Joh. 12,1-7). Und sie wird dazu wohl einen Flakon benutzt haben, der mit Sicherheit kein „Pfund“ Öl enthielt. Außer dem Nardenöl transportierte unser Händler über 4.700 Pfund Ebenholz und fast 790 Pfund Textilien. Der gesamte Wert seines Anteils wird auf 131 Talente geschätzt, womit man damals etwa 970 Hektar bestes ägyptisches Farmland hätte kaufen können! Und dies war nur ein Anteil an der Ladung, wenn auch wahrscheinlich ein besonders wertvoller. Man schätzt, dass etwa 150 solcher Ladungsanteile pro Schiff transportiert wurden.

Eine weitere indische Imitation eines römischen Aureus. Aus Auktion Künker 288 (13. März 2017), Nr. 669. Schätzung: 600 Euro.

Das beste Zeugnis für den Umfang des Handels zwischen Rom und Indien sind die vielen Aurei und Denare, vor allem des 1. und 2. Jahrhunderts, die in Indien gefunden wurden. Sie beweisen den ständigen Abfluss an Edelmetall, den Plinius beschreibt. Der ging erst zurück, als die ewige Stadt im Zeitalter der Soldatenkaiser mit sich selbst so beschäftigt war, dass der Bedarf an Luxusgütern sank. Aus dieser Zeit dürften unsere Imitationen von Prägungen des Kaisers Septimius Severus stammen. Sie beweisen, wie sehr man sich in Indien an römisches Geld gewöhnt hatte. Als die importierten Münzen für den Eigenbedarf nicht mehr ausreichten, ahmte man sie nach.

Der Handel ging weiter, allerdings nicht mehr im gleichen Umfang wie im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. Und als die Araber 639/40 Ägypten eroberten, übernahmen sie die Handelswege. Europa blieb außen vor. Erst mit den Kreuzzügen sollten die einst so beliebten Waren aus dem fernen Osten wieder regelmäßiger den Westen erreichen.

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Und den MünzenWoche-Vorbericht zu dieser Auktion lesen Sie hier.