Olympia und die Eleer – Die Einführung des Herakultes


mit freundlicher Erlaubnis von Hans Voegtli, ACAMA

Olympia, das scheint für uns gleichbedeutend mit dem friedlichen Wettstreit aller Nationen. Wir berufen uns auf die antike Tradition und vergessen dabei völlig, daß das Heiligtum selbst Jahrhunderte lang heftig umkämpft war.

Modell des Heiligtums von Olympia. Foto: Steve Swayne / Wikipedia.

Ursprünglich gehörte Olympia zu Triphylien, einem Teil Arkadiens, der vom benachbarten Pisa aus verwaltet wurde. Und so waren es die Bewohner von Skillus, einer Stadt in Triphylien, die in Olympia einen bedeutenden Tempel errichteten. Er war vermutlich dem Herrn des Heiligtums, Zeus, geweiht. Es handelte sich um ein Gebäude aus Kalkstein, dessen Mauern aus Lehmziegeln, und dessen Säulen aus Holz bestanden. Sein Eingang war auf den berühmten Aschenaltar von Olympia ausgerichtet. Dieser Altar bestand aus der Asche verbrannter Opfertiere und maß zur Zeit des Pausanias 22 Fuß, was heute ungefähr 7 Metern entspricht.
Triphylien und damit auch das Umland von Olympia waren fruchtbar. Außerordentlich fruchtbar um genau zu sein. Und diese Fruchtbarkeit weckte die Begehrlichkeit der Nachbarn. So kam es, daß um das Jahr 580 die Eleer, ein Volk im Norden des Alpheiostales, Olympia mit spartanischer Hilfe eroberten. Das benachbarte Pisa wurde zerstört und das Heiligtum Olympia eleischer Kontrolle unterstellt. Die Münzen, die in Olympia herausgegeben wurden, trugen fortan den Namen der Eroberer: F-A für Faleion.

OLYMPIA (Elis). Stater, 420-384 v. Chr. Herakopf mit Palmettenstephane n. r. Rv. F-A Blitzbündel in einem Lorbeerkranz. 12,08 g. Seltman 81, 280 (stgl.)

Den Eleern haftete der Makel der gewaltsamen Eroberung an und so versuchten sie, jede Erinnerung an die Vorbesitzer von Olympia auszulöschen. Aber den Tempel, den die Bewohner Triphyliens gebaut hatten, konnten sie nicht vernichten. Es wäre ein Sakrileg gewesen, das Geschenk an den Gott Zeus abzureißen.
Erst im Jahre 476 kam die große Chance für die Machthaber in Olympia ihr „Image“ zu verbessern. Der Kampf gegen die Perser hatte die Griechen davon überzeugt, daß die ewigen Streitereien ein Ende haben mußten. Sie beschlossen, in Olympia ein Schiedsgericht einzurichten, das in Streitigkeiten zwischen griechischen Städten vermitteln sollte. Tatsächlich besitzen wir ein Bronzeblech, auf das zwei Schiedssprüche eingraviert wurden, die man in den Jahren zwischen 476 und 472 fällte. Leider wissen wir aus dem Fortgang der Geschichte, daß Olympia auf Dauer nicht in der Lage war, den Frieden zu erhalten, aber im Jahre 476 sahen sich die Eleer auf einmal im Zentrum der gesamtgriechischen Politik. Natürlich sollten auch Gebäude dieser Rolle Rechnung tragen und so beschlossen die Eleer, einen neuen Zeustempel zu errichten. Dieses Mal wurde es ein prachtvolles Gebäude in Marmor, das die 12 Meter hohe Zeusstatue des Phidias aus Gold und Elfenbein beherbergte, die die Eleer zum Dank für den Sieg über die einstigen Herren des Heiligtum dem Zeus weihten.

Die Ruinen des Zeustempels von Olympia. Foto: Imehling / Wikipedia.

So hatte Zeus auf einmal zwei Tempel in Olympia: Den kolossalen Prachttempel, den die Eleer Zeus errichtet hatten und den kleinen bescheidenen Bau der ehemaligen Herren des Heiligtums, der allein durch sein Alter schon davon kündete, daß die Eleer nicht von jeher die Herren Olympias gewesen waren. Die Eleer wußten sich zu helfen: Sie widmeten den alten Tempel einfach um, richteten in ihm einen Kult der Hera ein, die bis dahin in Olympia kaum eine Rolle gespielt hatte. Damit verlor der zweite Tempel seine Bedeutung für Olympia. Schließlich stand Zeus, nicht Hera im Mittelpunkt des Olympischen Festkalenders!
Hera erfuhr mit dieser Umwidmung eine Aufwertung. Sie wurde Zeus an die Seite gestellt, ihr widmete man sogar Münzen. Diese Prägungen fanden sicher nicht im Zeus- bzw. im Heratempel statt, um den Geldumlauf während der Olympischen Spiele zu decken, wie Seltman in seiner Studie behauptet. Vielmehr wurden sie an einem uns unbekannten Ort geprägt, wenn die Eleer Kosten, die ihnen im Zusammenhang mit dem Heiligtum entstanden, begleichen wollten.
Pausanias V, 16 berichtet uns, daß zu seiner Zeit, also mehr als ein halbes Jahrtausend später, Hera in den Festkalender von Olympia voll integriert war. Alle vier Jahre fanden die Heraia statt. Anläßlich dieses Festes erhielt Hera – ähnlich wie Athena in Athen – ein neues Gewand. Zusätzlich fand ein Wettlauf für Mädchen statt, die – in drei Altersklassen getrennt – konkurrierten.
Die Eleer konnten ihren Triumph übrigens nicht allzu lange genießen. Bereits im Jahre 402/1 unterwarf Sparta die Eleer. Diese behielten zwar vorläufig die Oberaufsicht über das Heiligtum, mußten sie aber in den Jahren um 365 an die Arkader abgeben. Nach einem frevlerischen Überfall auf Olympia während der Spiele (!) im Jahre 364 konnten die Eleer die Herrschaft noch einmal an sich reißen, doch der langsame Niedergang Olympias als Zentrum der Griechen hatte bereits begonnen. Die große Zeit der Olympischen Götter war vorbei, fremde Kulte und „gottgleiche“ Menschen traten an ihre Stelle.

S. Lauffer, Griechenland. Lexikon der historischen Stätten, München 1989.
C. Seltman, The Temple Coins of Olympia, Nomisma 8, 9, 11 (1913, 1914, 1921); Ausgabe Cambridge 1921. 
Dergl., The Katoché Hoard of Elean Coins, NC 1951.
U. Sinn, Olympia. Kult, Sport und Fest in der Antike, München 1996.

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