Was ist eine Münze wert?

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19. Januar 2012 – Was ist die Pflicht eines Journalisten? Natürlich zunächst Information, aber wir dachten, daß es darüber hinaus dazugehört, die Leser zum Nachdenken zu bringen über unsere Welt und ihre Selbstverständlichkeiten. Um dies zu erreichen, hat Journalismus viele Möglichkeiten. Eine davon ist eine leichte Form von überlegter Provokation. Wir waren der Meinung, daß es nicht selbstverständlich ist, daß eine antike griechische Münze 3,25 Mio. $ wert ist.

Aus diesem Grund schrieben wir folgendes Editorial und sandten es unseren Abonnenten am 12. Januar 2012.

Ich habe kürzlich eine Million Euro in Händen gehalten, und dabei festgestellt, daß das eigentlich gar nicht so viel Papier ist. Bei mir mochten sich die romantischen Träume, was man mit einer Million Euro alles machen könnte, nicht einstellen. Und letztendlich, was würde sich in meinem Leben mit einer Million Euro ändern? Ich werde immer nur dreimal am Tag essen und in einem einzigen Bett schlafen können.
Wahrscheinlich geht es demjenigen, der kürzlich für 3,25 Mio. Dollar die teuerste griechische Münze aller Zeiten kaufte, ähnlich. Er hat zu viel Geld, so viel Geld, daß für ihn 3,25 Mio. Dollar einfach keine Rolle spielen.
Ich gestehe, diese Zahl bringt mich zum Denken. Was ist unser Geld überhaupt noch wert, wenn einer so leichtherzig eine solche Summe für ein paar Gramm altes Gold ausgibt? Wie vielen Menschen könnte er, wenn er dieses Geld sinnvoll ins Wirtschaftsleben investiert, und nicht über ein Sammelobjekt der Hortung zugeführt hätte, einen neuen Anfang im Arbeitsleben bieten.
Und bei Investitionen spreche ich sicher nicht von einem Investment in Aktien, um eine möglichst hohe Rendite herauszuholen. Ursprünglich wurde die Aktiengesellschaft erfunden, um Unternehmen zu schultern, die ein einzelner finanziell nicht bewältigen konnte. Heute ist der Aktienmarkt in den Händen von Spekulanten und eine Travestie der ursprünglichen Idee. Und 3,25 Mio. Dollar ist die Travestie eines Preises für eine antike Münze. Kein wirklicher Sammler würde das zahlen. Er wüßte, daß keine antike Münze der Welt so viel Geld wert sein kann.

Und hier ist, was Sie zu diesem Thema schrieben …

Der Wert einer Sache liegt im Auge des Betrachters. Warum sollte sich irgendwer darum kümmern, für was jemand anders Geld ausgibt, ausgenommen es handelt sich um öffentliche Beamte oder Institutionen?
Jeff Scanlon

Ich lese gerade die von mir sehr geschätzte Münzenwoche und gebe ihnen dazu einige spontane Ideen zum Besten:
Zum Aktienmarkt: Ich frage mich, wie man die These begründen kann, daß der Aktienmarkt in den „Händen von Spekulanten“ liegt. Wenn man die Entwicklung der führenden Indizes über Jahrzehnte mit der Wirtschaftsentwicklung vergleicht, so spiegeln sie den Konjunkturverlauf recht genau wider.
Zur Geschichte: Die erste Aktiengesellschaft war die holländische ostindische Kompanie. Der Fernhandel zur damaligen Zeit war wegen der Schiffahrt und wegen des geopolitischen Neulands schwierig. Mit der Gründung der Aktiengesellschaft wurde weniger Investitionskapital gesucht, sondern vor allem eine weltweit agierende Organisation geschaffen.
Arbeitsplätze: Die Frage, ob man für Münzen Geld ausgeben oder dieses „sinnvoll investieren“ soll, stellt sich bei jedem Kunstobjekt, ob Picasso, Warhol, Leonardo oder chinesischer Vase usw. Die großen Münzsammler, wie Jameson, Pozzi, Gillet u.a., waren „wirkliche Sammler“, obwohl sie viel Geld ausgaben. Auch die staatlichen Museen gaben und geben viel Geld für Kunst aus. Übrigens: wie soll man „sinnvoll investieren“ ohne in die zuvor kritisierten Gesellschaftsanteile, wie Aktien, zu gehen?
„Travestie der Münze“: Wenn der Markt für Münzen als pervers bezeichnet wird, so macht man es dessen Kritikern aus der Sicht der Archäologie („Raubgrabung“) sehr leicht. Im übrigen: wenn man die Wertentwicklung von antiken Münzen mit der Wertentwicklung von Goldunzen, Immobilien oder Impressionisten / Expressionisten / zeitgenössischen Künstlern vergleicht, so stellt man fest, daß die Münzen in der Wertentwicklung hinterher hinken.
Der berühmte Ast: Im Ergebnis frage ich mich, ob man mit diesen Ideen nicht den Ast absägt, auf dem man sitzt.
Dieter Bellinger, Lehrbeauftragter, Archäologisches Institut der Universität Bonn

Danke für dieses wundervolle Vorwort zum Newsletter!
Wolfgang Wiehe

Mit Interesse habe ich Ihren Leitartikel gelesen und stimme der Aussage tendenziell selbstverständlich zu. Man sollte aber dabei berücksichtigen, dass die 3,25 Mio. Dollar nicht weg sind, sondern jetzt nur einen neuen Eigentümer haben. Trösten wir uns damit, dass dieser sinnvoller damit umgeht!
Werner Beck

Ich habe mich immer über Menschen gewundert, die sechs große Häuser haben, und in deren Hauptbesitz man normalerweise eine Landkarte braucht, um sich zurechtzufinden. Und all ihre anderen Besitzungen – wer braucht das wirklich?
Geld muß das Leben nicht verändern. Manche, die in der Lotterie gewinnen, gehen durch diese Veränderung wie durch Wasser. Die meisten, die erst spät im Leben Geld bekommen, haben nur wenig Probleme. Sie sind so ziemlich zufrieden, mit dem was sie haben, vielleicht teurere Möbel und ein neues Auto. Viele, die immer Geld hatten, schätzen es überhaupt nicht, und andere, die es verdient haben, lassen sich von den Möglichkeiten, die es bietet, verführen. Manche kommen an den Punkt, an dem Geldverdienen ihr einziges Glück darstellt, andere verzweifeln, was sie mit dem Wohlstand tun sollen. Und wieder andere verschenken es einfach.
Das einzige, was Geld bringt, ist ein Mangel an Sehnsucht nach Geld. Es bringt sicher kein Glück, aber mit Geld in der Hand ist eine große Bürde von einem genommen, und für eine Weile werden es die Sinne ein wenig genießen. Aber wenn die Person wirklich verantwortlich ist und sich um andere kümmert, wird sie es teilen.
Es stimmt auch mit den Sammlern mit Geld. Wenn sie etwas wollen, zahlen sie dafür. Und es ist ihnen gleichgültig, wie viel. Ich arbeite gerne mit Sammlern, die wenig haben, deren Freude, ein Objekt gefunden zu haben, keine Grenze kennt. Aber auch die reichen Käufer sind für den Handel notwendig. Und viele von ihnen sind sehr nette Leute.
Das bringt mich zu der 3,5 Mio. Dollarmünze. Nein, sie ist nicht soviel „wert“, aber offensichtlich gibt es Menschen, die so viel Geld haben und dafür zahlen.
Es ist das, was sie damit tun – mit Geld, der griechischen Münze und so weiter, was den Unterschied macht.
Bill McKivor

Ich finde es ziemlich aufregend, daß eine antike Münze für 3,25 Mio. Dollar verkauft wurde. Der Käufer hat eine wundervolle Münze gekauft, und der Verkäufer erhält eine eindrucksvolle Summe. Die Auktionsfirma erhält eine nette Kommission, die es ihr ermöglicht, weitere Auktionen durchzuführen, die Drucker, Fotografen, Computertechniker, Hotelangestellte und eine große Zahl anderer, die im Verkaufsvorgang Dienstleistungen anbieten, mit Geld versorgt. Und dann werden andere Münzen zum Verkauf stehen. Und der Verkäufer wird jetzt, wenn er oder sie das will, in der Lage sein, einen Teil oder das gesamte Einkommen „sinnvoll ins Wirtschaftsleben zu investieren, und nicht über ein Sammelobjekt der Hortung zuführen“. Oder vielleicht wird er eine andere wertvolle Münze kaufen und so die Möglichkeit jemandem anderen übergeben. Oder er könnte das Bargeld in seinem Hinterhof vergraben und nichts damit tun. Freiheit und freie Märkte: sind sie nicht die Essenz davon, was den Spaß des Münzsammelns ausmacht, ja was Münzsammeln überhaupt erst möglich macht.
George Kolbe

Ihre Kommentare sind exzellent! Danke.
Tom Jurewicz