Gorny & Mosch, Giessener Münzhandlung München, D-München

25-06-2014 – 01-01-1970

Auktion 223: Antiker Schmuck / Gemmen, Kameen, Siegel

Gorny & Mosch entdeckt ein altes Sammelgebiet neu: Geschnittene Steine

AMUGS, so wird die renommierteste deutschsprachige Monographien-Reihe der Numismatik abgekürzt, die vom Deutschen Archäologischen Institut herausgeben wird. AMUGS steht für Antike Münzen und geschnittene Steine, eine interessante Titelwahl, wenn man bedenkt, dass kein einziger Band letzteren je gewidmet wurde. AMUGS griff 1969 eine uralte Kombination auf: Jedes Münzkabinett betreut nämlich traditionell neben Münzen und Medaillen Gemmen, Kameen und Siegel. Dies mag zum Teil einfach daran liegen, dass beide Objektkategorien relativ klein sind und schon in den Kunstkabinetten der Renaissance im gleichen Schrank aufbewahrt wurden. Vielleicht dachten die Archivare aber auch daran, dass die Kunst des Stempel- und des Steinschnitts einander so ähnlich sind, dass dieselben Künstler häufig beide Tätigkeiten ausübten.

1101: Gemme aus Karneol mit Apollonbüste. Hellenistisch, 2. Jh. v. Chr. B 1,8 cm. Winzigste Absplitterungen. Taxe: 5.000 Euro.

Das auf Münzen und Medaillen spezialisierte Münchner Auktionshaus Gorny & Mosch wird nun in seiner Auktion 223 eine Sammlung von 250 Kameen, Gemmen und Siegeln anbieten, die nicht nur für den Sammler antiker Münzen interessant sind: Denn ein großer Teil der Stücke wurde im Barock und im Klassizismus geschaffen und greifen neben klassischen Themen und Gestalten zeitgenössische Ideen auf.

1157: Bildnis eines französischen Politikers (Raymond Poincaré?). Paris, Ende 19. Jh. 4,4 x 3,8 x 1,6 cm. Weiße Achatlage, eingelassen in großen, geschliffenen Amethyst. Als Brosche gefasst in Gold und Platin mit Brillanten. Auf der goldenen Fassung signiert MELLERIO DITS MELLER PAIX PARIS. Intakt. Taxe: 10.500 Euro.

So zum Beispiel das Prunkstück der Sammlung, ein Kameo in weißem Achat, eingelassen in einen großen geschliffenen Amethyst (1157; Schätzung: 10.500 Euro). Das großartige Stück zeigt wohl den französischen Politiker Raymond Poincaré, der vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg so unversöhnlich allem Deutschen gegenüberstand und zum Hauptverantwortlichen für die Besetzung des Ruhrgebiets wurde. Angefertigt wurde das als Brosche in Gold und Platin gefasste, mit Brillanten besetzte Schmuckstück von einem der berühmtesten Juweliere des 19. Jahrhunderts, vom Pariser Maison Mellerio, das noch heute an der glamourösen Rue de la Paix teuren Schmuck verkauft und 2013 seinen 400. Geburtstag feierte.

In antiker Tradition entdeckte man seit der Renaissance wieder den Brauch, seine Gesinnung durch das Tragen eines kunstvoll gestalteten Siegelrings sichtbar zu machen. So wurden die in Stein geschnittenen Götter, Persönlichkeiten und Heiligen wie Athena und Dionysos, Sokrates und Alexander der Große oder Ignatius von Loyola zum Ausdruck dessen, was die Lebenseinstellung ihres Trägers zusammenfasste. Und so drückte auch das Porträt Poincarés als Brosche getragen für jeden offensichtlich die politische Einstellung seines Besitzers oder seiner Besitzerin aus.
Die kunstvolle Gestaltung dieser prachtvollen Objekte steht den antiken Vorbildern in nichts nach:

1178: Dionysische Szene mit Satyrn, die einen trunkenen Silen aufheben. Kameo, wohl Malachit im neuzeitlichen Goldrahmen als Brosche gefasst, Goldmarke am Rand. Wohl Italien, 16. Jh. 3,9 x 2,5 cm. Intakt. Taxe: 5.000 Euro.

Nehmen wir als Beispiel einen Kameo aus dem Italien des 16. Jahrhunderts, einst in der Sammlung eines russischen Fürsten. Er zeigt einen trunkenen Silen, den ein Satyr, aufzurichten versucht. Eingerahmt ist die dionysische Szene von weiteren Satyrn sowie Ziegenbock und Esel (1178, Taxe: 5.000 Euro). Überhaupt waren die trunkenen Anhänger des Dionysos als Bildmotiv höchst beliebt, das zeigt auch ein in der 2. Hälfte des 17. Jh. entstandener großer, ovaler Kameo aus Sardonyx, der die Büste eines weintrunkenen Silens mit den Zügen des Sokrates präsentiert, eine Assoziation, die übrigens schon Platon hatte, wenn er an den kahlen Schädel und die breite Nase seines Meisters dachte (1162; Taxe: 6.000 Euro).

1215: Menelaos mit Prunkhelm. Wohl Italien, Ende des 18. Jh. 7,5 x 5,5 x 3 cm. Großer Kameo, Blut-Jaspis. Winzige Bestoßung am unteren Rand der Büste, vorzügliche Erhaltung. Taxe: 7.000 Euro.

In eine heroischere Zeit bringt uns ein Ende des 18. Jahrhunderts in Italien entstandener Kameo aus Blut-Jaspis, in den die gepanzerte Büste des Menelaos geschnitten ist. Dieses Motiv war übrigens nicht frei erfunden, sondern griff ein Detail der bei Archäologen durchaus bekannten „Pasquino-Gruppe“ auf, die den Augenblick darstellt, als Menelaos bei der Bergung des toten Patroklos den anstürmenden Hektor erblickt (1215; Taxe: 7.000 Euro).

Aber natürlich offeriert Gorny & Mosch nicht nur die modernen Stücke, sondern auch die antiken Vorbilder. Prachtvolles Prunkstück ist hier ein großer Quarz-Kameo, der detailliert und äußerst plastisch das Haupt der Gorgo nachbildet und von seinem Träger wohl als Apotropaion getragen wurde (1090; Taxe: 5.000 Euro). Von klassischer Schönheit ist ein hellenistischer Intaglio aus rotem Karneol mit der drapierten Büste des Apollon nach links (1101; Taxe: 5.000 Euro). Und wohl jeder würde gerne wissen, was der weißgraue Kameo, der als Los 1100 angeboten wird, seinem einstigen Besitzer bedeutete. Dargestellt ist darauf nämlich ein Ohr, dass eine Hand zwischen Daumen und Zeigefinger hält mit der griechischen Inschrift „Erinnere dich!“ (Taxe: 4.000 Euro).

Übrigens geben diese Highlights kein repräsentatives Abbild für die Schätzungen aller Objekte. Antike und moderne geschnittene Steine können bereits ab 200 Euro erworben werden. Dazu gibt es zahlreiche preislich sehr interessante Lots.

Schließen wir den Vorbericht ab mit einem Objekt, in dem sich antiker Schmuck und Numismatik aufs Schönste berühren, und zwar mit einer ganz besonderen Halskette:

1001: Großer Halsring mit Goldmünzen von Philipp II. Römisch, um 244 n. Chr. Taxe: 65.000 Euro.

An einem goldenen Torques mit zwei zu Haken aufgebogenen Enden sind zwei gefasste Goldmünzen des römischen Kaisers Philipp II., Sohn des Philippus Arabs, angebracht. Vergleichsstücke zu diesem seltenen Stück liegen in so bedeutenden Sammlungen wie dem Metropolitan Museum of Art in New York oder dem Benaki Museum in Athen (1001; Taxe: 65.000 Euro).
Aus wesentlich früherer Zeit stammt ein hellenistisches Paar Goldohrringe mit Sphingen und Granaten (Los 1005; Schätzung 40.000 Euro) und ein hellenistischer Goldring mit einer Gemme aus Granat, die die gestaffelten Büsten zweier Frauen zeigt (Los 1006; Schätzung: 40.000 Euro).

Haben wir Sie neugierig gemacht? Dann sehen Sie sich den Katalog im Internet an.
Dort finden Sie auch Auktionskatalog 222 mit Antiker Kunst, zu dem wir auch einen Vorbericht in der MünzenWoche haben.

Gerne schickt Gorny & Mosch auch einen Katalog zu. Bestellungen unter Gorny & Mosch, Giessener Münzhandlung, Maximiliansplatz 20, D-80333 München, Tel. +49 / (0)89 / 24 22 643-0, Fax +49 / (0)89 / 22 85 513. Die nächste Auktion „Kunst der Antike“ ist für den Dezember 2014 geplant. Einlieferungen werden bis September 2014 entgegengenommen.