Finanzieller Analphabetismus? Eine Bestandsaufnahme

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von Björn Schöpe

28. Februar 2019 – In der Grundschule werden Kinder zunehmend materialistischer und geben ihr Geld aus, anstatt es auf die hohe Kante zu legen. Dies hat die Studie „Taschengeld und finanzielle Bildung“ in Österreich gezeigt. Finanziert wurde sie von der Münze Österreich. Das Team um Christiane Spiel von der Fakultät für Psychologie der Universität Wien stellte die zentralen Ergebnisse ihrer noch nicht publizierten Studie vor.

Als Erwachsener muss man wissen, wie man seine Finanzen im Griff behält. Doch in der Schule lernt man das nur selten.

Eine Taschengeld-Studie – aus gutem Grund

Studien zeigen, dass in Österreich die Verschuldung von Jugendlichen zunimmt. Gleichzeitig ist klar, dass finanzielle Bildung ein wichtiger Baustein wirtschaftlicher Stabilität ist. Die Universität Wien hat zunächst einmal eine Bestandsaufnahme gemacht.
Nach intensiven Befragungen von Schülern sowie Schulleitern und Lehrern an zwei Wiener Schulen befragten die Forscher 2.174 Schüler landesweit zum Thema Taschengeld und finanzielle Aufklärung. Dabei zeigte sich bereits ein eklatantes Problem: Obwohl die Jugendlichen über Finanzen und Sparen mit den Eltern sprechen, liegt die Bildungsinstitution Schule weit abgeschlagen: Im Gymnasium bewerteten die Schüler das Thema finanzielle Bildung im Unterricht mit 2,6 auf einer Skala von 1 (stimmt gar nicht) bis 5 (stimmt völlig), selbst in der Neuen Mittelschule wird nach Ansicht der Schüler kaum häufiger (2,8) darüber gesprochen.

Damit junge Menschen im Umgang mit Geld nicht ewig Kinder bleiben, müssen Erwachsene sie in einem gesunden Maß an das Thema heranführen.

Taschengeld entspricht nicht Empfehlungen

Doch über wie viel Geld verfügen Schüler heute eigentlich? Wie für so vieles, gibt es auch für das Taschengeld eine Formel, eben die „Taschengeld-Formel“. Experten empfehlen für die Sechs- bis Zwölfjährigen wöchentlich 30 bis 50 Cent multipliziert mit dem Alter, für die Älteren (13-19 Jahre) liegt der zu multiplizierende Satz bei 2 bis 3,60 Euro. Erstklässler sollten also ein monatliches Taschengeld von rund 1,50 bis 2 Euro in der Woche bekommen. Doch davon weichen die meisten Eltern in der Praxis erheblich ab.
Nahezu die Hälfte der Kinder erhält einmal im Monat Taschengeld (43 %), jeder Vierte einmal in der Woche. Nur 4 % bekommen täglich Geld – und dann auch noch richtig ordentlich, nämlich 5 Euro! Diejenigen, die wöchentlich Geld beziehen, kommen auf 40 Euro im Monat, die Monatsgeldbezieher auf 20 Euro.
Je nach Zahlungsfrequenz übertreiben es die Eltern also oder halten ihre Kinder zu kurz, so dass diese nicht über die empfohlenen Mittel verfügen, um einen vernünftigen Umgang mit Geld zu erlernen. Noch schlechter ist nach Ansicht von Fachleuten allerdings eine unregelmäßige Zahlung oder eine Kürzung als Strafe. So können die Kinder nämlich nicht lernen, mit einer regelmäßigen Summe zu haushalten.

Fastfood, Süßigkeiten und Kino – dafür geben Kinder ihr Geld gerne aus.

Essen und Kino

Mehr als jeder Zweite (53,9 %) gibt sein Geld für Essen aus – und zwar nicht für Obst und Gemüse, sondern eher für Snacks und Fastfood, wie die Studie zeigt. Süßigkeiten kaufen 46,2 % der Befragten dann nochmal extra. Auch Kino und andere Erlebnisse mit Freunden stehen hoch im Kurs (48,7 %).
Es entspricht den Klischees, dass Jungs beim Konsum eher zu Videospielen und technischen oder Sportartikeln greifen, Mädchen zu Kleidung, Geschenken und Zimmerdeko. Apropos Konsum: Zwar sparen Gymnasiasten größere Summen (400 Euro) als ihre Kollegen von der Neuen Mittelschule (152 Euro), Mädchen mehr als Jungs und Landkinder mehr als Gleichaltrige in der Stadt. Aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Sparverhalten mit zunehmendem Alter durch die (Schul-)Bank abnimmt. Auf der Skala von 1 (gar nicht) bis 5 (sehr) sparen die Erstklässer noch deutlich mehr (3,5) als die drei Jahre Älteren (3,1). Und tatsächlich wächst in diesem Zeitraum auch die Zustimmung der Kinder zu der Frage, wie wichtig ihnen Geld ist. Wichtig ja, sparen nein, lässt sich die Haltung der Zehnjährigen zusammenfassen.

Finanzielle Bildung wird nur selten im Unterricht behandelt.

Bildung in der Schule

Mathe, Geografie und Soziales Lernen – in diesen Schulfächern wird finanzielle Bildung durchaus angesprochen. Aber an keinem Schultyp bereiten die Lehrer ihre Schüler ausreichend aufs Leben vor. Zumindest sehen die Schüler selbst das so (Gymnasium: 2,6 von 5 Punkten, Neue Mittelschule: 2,8 von 5).
Hingegen sprechen drei von vier Eltern durchaus mit ihren Kindern über Finanzen und ähnlich oft kommen die Kinder mit ihren Fragen zu den Eltern. Aber nur die Hälfte der Eltern fragt nach, wofür ihre Zöglinge das Taschengeld ausgeben oder erläutert ihnen, wie die Familie ihr Geld verwendet.

Zu einem vernünftigen Umgang mit Geld gehört nicht nur bewusstes Konsumieren, sondern auch vorausschauendes Sparen.

Verschuldung

Eine Folge dieses stiefmütterlichen Umgangs mit Finanzfragen ist die Verschuldung sehr junger Menschen. Die Leiterin der Studiengruppe, Christiane Spiel, stellte fest: „Mit Blick auf die Verschuldungen von Jugendlichen ist besonders interessant, dass sich 71 % der von uns befragten Schülerinnen und Schüler schon einmal Geld ausgeborgt haben. Und dieses Geld wird nicht immer zurückgezahlt. Den Eltern zahlen es nur 47 % immer zurück; bei Freunden sind es 61 %, die das Geld immer zurückzahlen.“

Nach der Präsentation der Studienergebnisse zog Generaldirektor Gerhard Starsich von der Münze Österreich daher folgenden Schluss: „Wir alle möchten unsere Kinder behüten und beschützen, viele Eltern wollen ihren Kindern daher auch alle Last abnehmen. Wenn es um Geld geht, gilt aber die Regel: Es ist nie zu früh mit der finanziellen Ausbildung der Kinder zu beginnen. Genau wie Lesen und Schreiben lernen, sollten Kinder wissen, wie man mit Geld umgeht. Finanzielle Bildung sollte fixer Bestandteil der Erziehung sein.“

Speziell für den Unterricht an österreichischen Schulen stellt die Münze Österreich auf ihrer Website auch Anregungen für den Schulunterricht in Form von Stundenbildern zur Verfügung. Erstellt wurde das Unterrichtsmaterial von Frau Mag. Nikola Köhler-Kroath, pädagogische Leiterin des Kindermuseums Graz, Frida & Fred.