Kanada kauft Victoria-Kreuz zurück – Zum Zusammenhang von nationalem Erbe und Mentalität

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10. Mai 2018 – Am 27. September 2017 konnte sich das britische Auktionshaus Dix Noonan Webb über einen ganz besonderen Zuschlag freuen. Das Victoria-Kreuz des kanadischen Lieutenant Colonel David Vivian Currie vom South Alberta Regiment wurde mit 550.000 kanadischen Dollars zugeschlagen. Die Witwe des Besitzers hatte das Stück im Jahr 1989 einem kanadischen Sammler verkauft, der es nun auf internationaler Ebene anbot.

Die Ordensspange von Lieutenant Colonel David Vivian Currie. Foto: Dix Noonan Webb.

Warum dieses Victoria-Kreuz etwas Besonderes ist

Das Besondere an dem Objekt ist die Tatsache, dass von den 181 Trägern der Auszeichnung, die das Victoria-Kreuz während des 2. Weltkriegs erhielten, nur 16 aus Kanada kommen. Davon dienten nur 12 in kanadischen Einheiten. 11 von 12 Auszeichnungen, die an Kanadier in kanadischen Einheiten gingen, liegen bereits heute in kanadischen Museen. Von den restlichen vier Victoria-Kreuzen sind derzeit drei öffentlich in England ausgestellt.
Das Victoria-Kreuz von David Currie war damit das einzige Exemplar dieses Ordens, das ein Kanadier als Mitglied einer kanadischen Einheit erhielt, und eines von zwei Victoria-Kreuzen, das an einen Kanadier verliehen wurde und sich in privater Hand befindet, also für Sammler verfügbar war.

Das Victoria-Kreuz. Foto: Dix Noonan Webb.

550.000 kanadische Dollar für Currie’s Victoria-Kreuz

Dies spiegelte sich beim Ergebnis. Dix Noonan Webb hatten 500.000 bis 600.000 CAD als Schätzung angesetzt. Dies entspricht umgerechnet 325.000 bis 390.000 Euro. Der Zuschlag betrug 550.000 CAD, bzw. 357.600 Euro CAD.
Die Auktion wurde in kanadischen Dollars durchgeführt, weil man sich bei Dix Noonan Webb durchaus der nationalen Bedeutung der Ordensspange von Lieutenant Colonel David Currie bewusst war. Man rechnete mit großem Interesse in Kanada, wo sich der Orden zum Zeitpunkt der Versteigerung auch befand. Wäre der siegreiche Bieter ein Kanadier gewesen, wäre dieser Artikel damit beendet. Doch der Käufer kam nicht aus Kanada, sondern aus Großbritannien. Mit anderen Worten: Der Orden hätte bei einem Besitzerwechsel das Land verlassen.

Lieutenant Colonel David Vivian Currie. Foto: Dix Noonan Webb.

Militaria und Mentalität

Nun haben die Kanadier wie die meisten Mitgliedsstaaten des Commonwealth eine völlig andere Einstellung zu ihrem militärischen Erbe als manch andere Nation. Dies sieht man zum Beispiel an den Gedenkmünzenprogrammen. Sie beinhalten nicht nur Ausgaben, die ganz allgemein dem Gedenken an die Gefallenen gewidmet sind, sondern thematisieren eine Fülle von Jubiläen der Ereignisse aus dem 1. und 2. Weltkriegs.
Während in den Verlierernationen der Weltkriege, Deutschland und Österreich, die Heeresmuseen eher eine Randerscheinung darstellen, spielen die Veteranen und ihre Leistungen in Kanada eine sehr große Rolle, auch politisch. Das zwischen den Weltkriegen gegründete National Council of Veteran Associations in Canada, um nur ein Beispiel zu nennen, vertritt heute mehr als 60 Veteranen-Vereine. Während Berufssoldaten in vielen europäischen Ländern eher mit Vorurteilen kämpfen müssen, befindet sich das kanadische Heer mit seinen lokalen Zusammenkünften und überregionalen Veranstaltungen mitten in der Gesellschaft.
Orden bedeuten in dieser Gesellschaft noch etwas. Nur so kann man sich erklären, dass die kanadische Verwaltung in Zusammenarbeit mit Heeresmitgliedern tatsächlich bereit war, einen sehr hohen Betrag aufzubringen, um auch das 12. Victoria-Kreuz ins Land heimzuholen.

Lieutenant Colonel David Vivian Currie in einem Panzerspähwagen am 12. November 1944 in Halte, Niederlande. Foto: Dix Noonan Webb.

Eine breite Öffentlichkeit forderte das Verbleiben des Victoria-Kreuzes in Kanada

Öffentliche Kritik war diesem Handeln vorausgegangen. Der Verkauf an einen Ausländer war publikumswirksam kritisiert worden. Kanadische Veteranenverbände und Historiker, sogar die Angehörigen des einst mit dem Orden Ausgezeichneten hatten sich direkt an den kanadischen Premierminister Justin Trudeau gewandt, um das nationale Erbe für das Land zu erhalten. Das Canadian War Museum in Ottawa hatte bei der Auktion mitgeboten, war aber überboten worden. Deshalb verhängte das Canadian Cultural Property Export Review Board am 5. Februar 2018 ein Exportverbot von sechs Monaten für die Ordensspange. In dieser Frist sollte das Geld aufgebracht werden, den siegreichen Bieter auszuzahlen und so die Auszeichnung in Kanada zu behalten.

Das Geld wird vom Staat und einigen Sponsoren aufgebracht

Es wurde geradezu noch einmal eine heroische Schlacht geschlagen, um die Mittel flüssig zu machen. Es gelang dank des Movable Cultural Property Programs des Department of Canadian Heritage, dank des National Collection Funds sowie eines großzügigen Beitrags der Brownlee Family Foundation. Daneben hatten einige Ehrenmitglieder des North Saskatchewan Regiments und ihrer Familien beträchtliche Gelder gestiftet.
In welcher Höhe die Entschädigung war, darüber schweigen sich die Quellen aus.

Will Bennett als Vertreter von Dix Noonan Webb drückte seine Zufriedenheit über diese Lösung aus. „Wir wussten von Anfang an, dass dieses Objekt wichtig ist für die kanadische Identität. Deshalb haben wir es nie nach London exportiert, sondern in Kanada belassen und – obwohl wir sonst als britisches Auktionshaus natürlich in Pfund versteigern – die Auktion in kanadischen Dollars durchgeführt. Wir freuen uns, dass eine einvernehmliche Lösung gefunden wurde, die alle zufriedenstellt und nationales Erbe in Kanada belässt.“

Auf jeden Fall wird nun auch das 12. Victoria-Kreuz der kanadischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Während das Militärisch Historische Museum der Deutschen Bundeswehr auf Themen wie „Gewalt und Geschlecht“ setzt, dürfte man im Canadian War Museum in Ottawa diesem Highlight der Phaleristik einen ganz besonderen Ehrenplatz einräumen.

Wenn Sie mehr über den historischen Hintergrund wissen wollen, das Auktionshaus Dix Noonan Webb hat die Information vorbildlich zusammengestellt.

Das Auktionshaus Dix Noonan Webb ist Spezialist für Münzen, Orden Militaria und Schmuck.

Wikipedia bietet eine Fülle von Informationen zum Victoria-Kreuz.

Hier finden Sie einen zeitgenössischen Film über die Verleihung des Victoria-Kreuz an Currie.

Der Ottawa Citizen ist eines der Medien, die über den Verbleib des Victoria-Kreuzes in Kanada berichteten.

Dass die Ausstellung „Gewalt und Geschlecht“ kein Witz war, sondern tatsächlich existiert, sehen Sie auf der Seite des deutschen Militärhistorischen Museums. 

Wie klein das Interesse an Orden dort ist, sehen Sie an diesem etwas lieblosen Eintrag.

Übrigens sucht man auch im online Katalog des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien die Orden ebenfalls vergebens, jedenfalls derzeit.

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