Neues zur Geschichte des Antoninus Pius

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von Ursula Kampmann

3. Mai 2018 – „Antoninus Pius wird in Überblicksdarstellungen und Handbüchern gemeinhin als guter, wenngleich vergleichsweise langweiliger Kaiser bewertet.“ Diese Einleitung schicken die Herausgeber des neuen Aufsatzbandes „Jenseits des Narrativs – Antoninus Pius in den nicht-literarischen Quellen“ ihrem Buch voran. Damit haben Christoph Michels und Peter Franz Mittag leider nur allzu recht. Wegen seiner vorgeblichen Langweiligkeit sind nicht nur die Denare des Kaisers verhältnismäßig günstig. Auch die Historiker haben sich mit ihm nur ungern beschäftigt, vielleicht weil keine spannenden Skandale zu erwarten waren. Deshalb zählt Antoninus Pius – man möchte es kaum glauben – zu den am wenigsten erforschten römischen Principes.

Christoph Michels, Peter Franz Mittag (Hrsg.), Jenseits des Narrativs. Antoninus Pius in den nicht-literarischen Quellen. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2017. 336 S., Abbildungen in Schwarz-Weiß. 18 x 24, 5 cm. Hardcover. ISBN: 978-3-515-11650-3. 59 Euro.

Im September 2014 fand deshalb an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen ein Kolloquium statt, in dem sich renommierte Wissenschaftler, darunter zahlreiche Epigraphiker und Numismatiker mit diesem Kaiser beschäftigten. Und sie korrigierten in vielen Teilen das Bild, das die Forschung bisher von Antoninus Pius hatte.

Gunnar Seelentag zum Beispiel verfolgt die Selbstdarstellung des Antoninus Pius und weist darauf hin, dass sich unter ihm Aspekte der Fürsorge und der Daseinssicherung für die Bevölkerung des Kernlands Italien in den Vordergrund schieben. Dass dies ein Thema sein kann, das Menschen wesentlich mehr bewegt als Kriege irgendwo am fernen Hindukusch, sollte gerade unserer Generation vertraut sein.
Dazu passt, dass Antoninus Pius, wie Domenico Palombi nachzeichnet, sich dezidiert und in Abwendung von den frühen Kaisern von großen Bauprojekten fernhält und gerade mal das fertig stellt, was seine Vorgänger begonnen haben.
In welch hohem Maße sich Antoninus Pius von Hadrian und seiner Politik absetzte, weist Jörg Fündling nach. Dietrich Boschung beschäftigt sich mit den Kaiserporträts und kann auch hier Unterschiede in der Darstellung nachweisen: Antoninus Pius stellt sich alterslos und zeitentrückt dar. Sein Bildnis wandelt sich während seiner gesamten Herrschaft kaum.
Warum Faustina die Ältere und die Jüngere so eine entscheidende Rolle in der Münzprägung spielen, will Stefan Priwitzer damit erklären, dass Antoninus Pius die Nachfolgeregelung aus der Perspektive der Hadrianischen Vorschrift lösen wollte, indem er den Blick auf die familiären Zusammenhänge lenkte.
Überhaupt ist die Numismatik einer der Schwerpunkte des Kolloquiums. Susanne Börner ordnet den reichhaltigen Bildvorrat der Prägungen und gibt so reichlich historische Informationen zu den verschiedenen Darstellungen. Peter Franz Mittag tut dasselbe mit den Medaillons, wie sie für die Elite bestimmt waren.
Peter Weiß beschäftigt sich mit der Provinzialprägung und trägt so den Blick der Provinzen auf Antoninus Pius bei. Hierzu steuern auch die Epigraphiker bei: Matthias Haake, Werner Eck und Christoph Michels.
Die Idee vom Friedensfürsten legt Michael A. Speidel derart vollständig ad acta, dass man Antoninus Pius nach der Lektüre seines Aufsatzes wohl völlig anders einschätzen wird.

Der Aufsatzband „Jenseits des Narrativs – ist ein wunderbares Zeugnis dafür, dass die alte, personenbezogene Geschichtsschreibung noch nicht der Vergangenheit angehört, sondern durch den Einbezug von allen uns zur Verfügung stehenden Quellen erst richtig spannend wird. Image und Fake News sind keine Erfindungen unserer Zeit, sondern gerade in der römischen Antike allgegenwärtig. Es ist spannend, sich durch die in der Renaissance angefertigten und durch unzählige Generationen des Bildungsbürgertums verfestigten Vorurteile durchzubeißen, um scheinbar Altbekanntes im neuen Lichte zu sehen.

Wer sich für die Geschichte hinter den Münzen des Antoninus Pius interessiert, sollte sich diesen Band gönnen. Genauso all die Münzhändler, die endlich einmal eine historisch interessante, verkaufsfördernde Anmerkung zu den Münzen des Antoninus Pius schreiben wollen.