Der Hamburger Erbvergleich

Am 8. März 1701 wurde im neutralen Hamburg ein Vertrag zwischen Friedrich Wilhelm I. von Mecklenburg-Schwerin und seinem Onkel Adolf Friedrich II. von Mecklenburg-Strelitz geschlossen, der als Hamburger Erbvergleich in die Geschichte einging. Er beendete den innerfamiliären Streit um die Nachfolge des kinderlos verstorbenen Herzogs von Mecklenburg-Güstrow, indem die gesamte Herrschaft Mecklenburg neu aufgeteilt wurde. Friedrich Wilhelm erhielt Mecklenburg-Schwerin, drei Stimmen im Niedersächsischen Reichskreis und den innenpolitischen Vorrang, Adolf Friedrich II bekam das wesentlich kleinere Mecklenburg-Strelitz und lediglich eine Stimme im Reichsrat.

Die Kontrahenten: Adolf Friedrich II., der Onkel (l.), und Friedrich Wilhelm I., der Neffe (r.).

Zustande gekommen war diese Einigung nur, weil der Kaiser und die Vertreter des Niedersächsischen Kreises die beiden Streithähne dazu gezwungen hatten. Der Kaiser beauftragte eine hochkarätig besetzte Kommission, die Ansprüche der Aspiranten zu beurteilen. Ihr Schiedsspruch fiel zu Gunsten von Friedrich Wilhelm aus. Der war nämlich der älteste Sohn des ältesten Sohns des Erblassers, der männliche Nachfolger hinterlassen hatte. Das zählte viel in einer Gesellschaft, die sich zum Prinzip der Primogenitur bekannte. Den Schaden trug sein Onkel Adolf Friedrich davon: Er war zwar der älteste, zum Zeitpunkt des Streits noch lebende Sohn des Erblassers, musste seine Ansprüche aber zu Gunsten des neuen Rechtsverständnisses zurückschrauben. Zwar galt theoretisch in Mecklenburg die Primogenitur noch nicht, doch das widersprach dem modernen, von den Kommissionsmitgliedern vertretenen Rechtsverständnis. Und die waren so mächtig, dass sie ihre Sicht durchsetzen konnten. Um ähnliche Streitigkeiten für alle Zukunft zu verunmöglichen, mussten die Vertragspartner im Hamburger Erbvergleich für beide Mecklenburger Linien das Prinzip der Primogenitur anerkennen.

Mecklenburg-Schwerin. Friedrich Wilhelm I. Medaille von 1701 auf den Hamburger Erbvergleich. MIT RANDINSCHRIFT Unikum. Vorzüglich. Aus Auktion Künker 314 (9. Oktober 2018), Nr. 4099. Taxe: 10.000,- Euro

Friedrich Wilhelm war der Sieger in dieser Auseinandersetzung. Dies feierte er mit einer umfassenden Medaillenemission. Auf der Vorderseite des Stücks, das am 9. Oktober 2018 in Auktion Künker 314 im Rahmen einer umfangreichen Sammlung Mecklenburg angeboten wird, sehen wir das gepanzerte Brustbild des Fürsten in Allongeperücke, auf der Rückseite die beiden Schlösser der Residenzstätte, Schwerin und Güstrow. Sie sind mit schweren Ketten verbunden. Zusammengehalten werden sie vom Mecklenburger Wappentier, dem Stier, an dessen Nasenring die Ketten befestigt sind. Die Umschrift lautet in Übersetzung: Mit unauflöslicher Kette verband [sie] zu Hamburg am 8. März im Jahre 1701 die Gerechtigkeit Kaiser Leopolds von Gottes Gnaden.
An und für sich ist die Medaille nicht selten. Doch die Randschrift, die auf diesem Exemplar zu finden ist, macht es zu einem Unikum. Torsten Fried, der sich mit der Medaillenprägung der Mecklenburger Herzöge beschäftigt hat, kennt nur dieses Stück. Vielleicht war es ja für einen besonderen Zweck vorgesehen. Darauf könnte die Umschrift hindeuten: Der Größere wird für die nachfolgenden Größeren zum Urheber von noch Größerem.

Das Mecklenburger Schloss, auf der Medaille im Feld links zu sehen, diente nicht nur als Filmkulisse. Es wurde auch auf einer 2 Euro-Umlaufgedenkmünze verewigt. Foto: WorldKnowledge0815, CC-BY 3.0.

Unter dem Mecklenburger Schloss – vom Betrachter aus links auf der Medaille – entdeckt man die Initialen Z. D. K. Sie stehen für den damals etwa 29jährigen Husumer Zacharias Daniel Kelp. Doch wer nun meinen möchte, dieser hätte die Medaillenstempel geschnitten, der irrt. Die Mecklenburger Hofkammer hatte den eigentlichen Schöpfer und Münzmeister Barthold Meyer angewiesen, auf dem Stempel seine eigenen Initialen durch die von Kelp zu ersetzen. Und das kam so:
1695 berief Friedrich Wilhelm I. Zacharias Kelp zum Münzmeister mit einem Gehalt von 300 Reichstalern jährlich. Ihm wurde im Juni 1696 der wesentlich ältere Barthold Meyer zur Seite gestellt, um für ein Gehalt von 250 Reichstalern die Aufgaben des Stempelschneiders und Wardeins zu übernehmen.
Das war eine kitzlige Situation, denn Kelp war als Münzmeister zwar Meyers Vorgesetzter, aber Meyer war als Wardein Kelps Kontrolleur. Und die Situation eskalierte bereits Ende des Jahres 1696. Meyer warf Kelp nicht nur vor, dass die Münzstätte unproduktiv arbeite. Er beschuldigte ihn darüber hinaus, für die Münzprobe unsaubere Tiegel und eine unrichtige Waage benutzt zu haben.
Der Herzog hatte weder Muße noch Lust, sich um den Streit zu kümmern. Dass er auf Seiten Kelps stand, wird deutlich durch den Abschluss eines für Kelp mehr als günstigen Münzvertrags. Meyer musste sich fügen und versöhnen. Er reiste sogar zur Hochzeit seines Chefs nach Hamburg.
Weil Kelp die nächsten Jahre dort blieb und Meyer die Verantwortung über die Münzstätte übertragen hatte, dauerte es ein paar Jahre, bis die Situation wieder aus dem Ruder lief. Sobald sie wieder unter einem Dach arbeiteten, ging der Streit wieder los. Im Jahr 1700 hetzten die beiden derart gegeneinander, dass der Herzog beide im Juli 1700 verhaften ließ. Alle Unterlagen wurden einem Rostocker Münzmeister vorgelegt, der als Sachverständiger berechnete, dass Kelp dem Herzog 1.400 Reichstaler schuldig geblieben war.
1.000 Reichstaler zahlte Kelp sofort, doch als er die restlichen 400 schuldig bleiben musste, nahm ihm der Herzog den Schlüssel zur Münzstätte ab und bestellte Meyer am 22. Februar 1701 zum neuen Münzmeister. In dieser Funktion schuf Barthold Meyer die Medaillen auf den Hamburger Erbvergleich. Dass er sie nicht mit seinem Monogramm zeichnen durfte, war eine offizielle Order der herzoglichen Kammer. Kelp hatte seine ausgezeichneten Verbindungen genutzt, um seinem Kollegen diesen Dämpfer verpassen zu lassen!
Kelp intrigierte nämlich, um seine alte, einträgliche Stellung zurückzugewinnen. Und es gelang ihm tatsächlich, zwei Münzgesellen dazu zu bringen, Meyer vor der herzoglichen Kammer anzuschwärzen. Der überforderte Münzmeister habe das Eisen nicht gut ausgehärtet und andere handwerkliche Schnitzer gemacht…
Damit hatte Kelp wieder Oberwasser. Der Herzog verzieh ihm, hob höchstpersönlich den Kelpschen Nachwuchs aus der Taufe und stellte ihn am 28. Juli 1701 wieder als Münzmeister ein. Meyer blieb – als Stempelschneider und Wardein.
Allerdings nicht mehr lange. Meyer starb völlig verbittert am 27. Juli 1702.

Mecklenburg-Schwerin. Friedrich Wilhelm I. Medaille von 1703 auf die Verleihung des dänischen Elefantenordens. Sehr selten. Sehr schön. Aus Auktion Künker 314 (9. Oktober 2018), Nr. 4103. Taxe: 2.000,- Euro

Nicht dass damit der Kampf in der Münzstätte geendet hätte. Mit dem Nachfolger Meyers, dem sächsischen Medailleur Johann Friedrich Hilcken, stritt Kelp munter weiter. 1709 stellte es sich sogar heraus, dass Hilcken Kelp bestechen musste, um seinen Posten zu erhalten. Er gestand ihm für seine Fürsprache hinsichtlich der Anstellung den Profit seiner ersten Medaille, der „Elefantenmedaille“, zu.

So sind also die wunderschönen Medaillen des Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin nicht nur ein Zeugnis der „großen“ Geschichte, sondern auch dafür, in welch hohem Maße ein intriganter Höfling im Zeitalter des Barock die Gunst seines Herrschers zum Schaden aller anderen nutzen konnte.

Wenn Sie mehr über die Münz- und Medaillenprägung in Mecklenburg wissen wollen, empfehlen wir Ihnen:

  • Michael Kunzel, Das Münzwesen Mecklenburgs von 1492 bis 1872. Berlin 1994
  • Torsten Fried, Geprägte Macht – Münzen und Medaillen der mecklenburgischen Herzöge als Zeichen fürstlicher Herrschaft. Köln – Weimar – Wien 2015

Den vollständigen Auktionskatalog mit der Spezialsammlung Mecklenburg finden Sie online.

Den Auktionsvorbericht zu allen fünf Künker-Auktionen des Oktobers 2018 lesen Sie hier.