Ein Vöglein hat mir gezwitschert …

Schlagzeilen aus der numismatischen Welt werden nur selten vom medialen Mainstream thematisiert. Wenn dies doch einmal der Fall ist, interessieren wir uns als numismatische Fachpresse natürlich ganz besonders dafür, was eigentlich warum passiert ist. Vor Kurzem wurde ein besonderes Merkmal des neuen Münzporträts von König Charles III. bekannt, das bereits auf britischen Münzen zu sehen ist. Wenn in den Medien die Rede vom britischen Königshaus ist, geht man heutzutage davon aus, dass es um eines der berüchtigten Familienmitglieder geht, die in Talk-Shows auftreten, um angebliche „Enthüllungsbücher“ zu vermarkten. Hier geht es allerdings um einen Vogel, der gemeinsam mit König Charles III. unter höchst ungewöhnlichen Umständen beobachtet wurde.

 

Die Queen auf zig Milliarden Münzen

Aber beginnen wir von vorn. Vor wenigen Monaten – am 8. September letzten Jahres – verlor nicht nur das Vereinigte Königreich und das Commonwealth, sondern die ganze Welt eines der bemerkenswertesten Staatsoberhäupter überhaupt. Der Tod von Königin Elizabeth II. kam unerwartet – obwohl sie bereits 96 Jahre alt war, waren viele von ihrem Ableben erschüttert. Im Juni letzten Jahres hatte die britische Nation noch ihr Platin-Jubiläum gefeiert. Elizabeth II. regierte seit 70 Jahren – länger als jeder Monarch vor ihr. Sie führte Großbritannien durch sieben wechselvolle Jahrzehnte und drei Viertel der Weltbevölkerung hatten außer ihr keinen anderen britischen Monarchen erlebt.

In den Wochen nach ihrem Tod stellte sich die Frage, wie und wann Großbritannien und das Commonwealth staatliche Hoheitszeichen von der verstorbenen Königin auf ihren Nachfolger, Prinz – nun König – Charles III. umstellen würden. Eingeweihte wussten zu diesem Zeitpunkt schon, dass vorläufige Porträts des Prinzen von Wales bereits angefertigt worden waren, um sie schnell in Münzbilder umsetzen zu können. Diese Vorkehrungen waren getroffen worden, damit man im Fall des unerwarteten Ablebends der Monarchin schnell würde reagieren können. Gerüchten zufolge wurden die Porträts angefertigt, als die Queen ihren 90. Geburtstag feierte. Das vorgeschlagene Bildnis wurde also vermutlich im Jahr 2016 angefertigt, als König Charles III. fast 68 Jahre alt war. In der Branche wird davon ausgegangen, dass Königin Elizabeth II. auf mehr Münzen, Geldscheinen und Briefmarken abgebildet war als jeder andere Herrscher der Menschheitsgeschichte. Zig Milliarden Münzen wurden seit ihrer Thronbesteigung im Jahr 1953 überall auf der Welt produziert. In Großbritannien allein geht die Royal Mint davon aus, dass etwa 26 Milliarden Münzen mit vier der fünf Münzporträts der Queen im Umlauf sind. Nur Tage nachdem die Queen in der Kapelle von Windsor Castle neben ihrem verstorbenen Ehemann zur Ruhe gesetzt worden war, stellte die Royal Mint der Öffentlichkeit das fertige Münzbild von König Charles III. vor. Die Münzanstalt veröffentlichte das Porträt am 30. September und erklärte, dass es ab Ende 2022 und nur für britische Münzen genutzt werden würde. Die Royal Mint hatte den renommierten Bildhauer Martin Jennings beauftragt, ein Abbild von Charles III. anzufertigen, das den neuen König im Porträt nach links darstellte – die Tradition, die Blickrichtung mit jedem neuen Monarchen zu ändern, besteht schon seit der Stuart-Restauration im Jahre 1660. Von der großen Mehrheit wurde das neue Abbild des Königs wohlwollend aufgenommen. Die Ähnlichkeit war groß genug und die Royal Mint bestätigte, dass Umlaufmünzen zu 50 Pence noch vor Weihnachten ausgegeben werden sollten. Damit war alles bereit, um mit dem ersten Monarchenwechsel seit 1953 ein neues Kapitel britischer Münzgeschichte zu schreiben.

 

Ein unerwarteter Gast

Bei näherer Betrachtung durch Münzsammler mit Adleraugen stellte sich allerdings heraus, dass der König das Münzbild – und damit das Rampenlicht auf seinen Münzen – mit einem unerwarteten Gast teilen muss. Direkt am Ohr des Königs sind die Umrisse eines Vogels zu erkennen. Schauen Sie ganz genau hin, aber Vorsicht: Wenn Sie den Vogel erst einmal entdeckt haben, werden Sie das Bild für immer mit anderen Augen betrachten. Das Münzbild des Königs zeigt eindeutig einen kleinen Vogel mit ausladendem Schwanz direkt neben seinem Ohr. Bisher ist nicht bekannt, ob die Royal Mint, Martin Jennings (der Schöpfer des Porträts) oder der König selbst von diesem „Gast“ wissen. Vogelbeobachter haben jedenfalls ihre Freude daran, in Onlineforen darüber zu spekulieren, was das „Vöglein“ dem König wohl zwitschern könnte. Ideen reichen von lustigen zu ernsthaften Themen und umfassen auch Ratschläge, wie mit schwierigen Mitgliedern der engsten Familie umzugehen sei. Die Redewendung „ein Vöglein hat mir gezwitschert“ hat mittlerweile eine Art Eigenleben entwickelt.

Mit humorvollen Statements teilen einige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ihre Hoffnung darauf, dass der König die weisen Ratschläge des Vogels beherzigen möge, wie zum Beispiel kontroverse Meinungen für sich zu behalten … Der Vogel könne den König schließlich nicht schlechter beraten als seine eigenen Berater. Es ist bekannt, dass Charles III. sich sehr für Umweltthemen und Klimaschutz interessiert. Vielleicht schlägt das Vöglein ihm vor, mit gutem Beispiel voran zu gehen und beispielsweise seine emissionsreichen Flugreisen um die Welt zu reduzieren. Ein weiteres umstrittenes Thema ist Windenergie – bekanntermaßen fallen viele Vögel Windrädern zum Opfer und Charles III. dürfte daher eine Menge Beschwerden und Kritik einstecken müssen. Als Prinz von Wales verwendete er die Insignien des Thronfolgers: drei Straußenfedern, die von einer Krone gehalten werden – das Vöglein könnte verständlicherweise eine Erklärung für die Herkunft dieser Federn verlangen!

 

„Luzifers Antlitz“ auf kanadischen Banknoten.

Die Queen und der Teufel

Siebzig Jahre nach Amtsantritt der verstorbenen Queen werden Banknoten-Sammler nun an ein besonders beunruhigendes Porträt der jungen Elizabeth II. erinnert. Während das Vöglein des Königs zunächst nur von wenigen englischsprachigen Medien thematisiert wurde, ging das „versteckte“ Bild in der Frisur von Königin Elizabeth II. auf kanadischen Geldscheinen Jahrzehnte lang durch die internationale Presse. Alle Banknoten Kanadas wurden ab 1954 mit einem neuen Porträt der Queen gedruckt, doch es dauerte nicht lang, bis sich die Berichte über „Luzifers Antlitz“ in den Locken der Queen häuften – zoomen sie etwas aus dem Bild, Sie werden es sicherlich entdecken. Verschwörungstheorien befassten sich damit, wie dieses Detail bei der Bildauswahl hatte übersehen werden können, und die Story wurde von den Medien so sehr befeuert, dass die kanadische Zentralbank das Porträt schließlich veränderte und das „Antlitz“ unkenntlich machte. Das Museum der Bank auf Canada schreibt auf seiner Website: „Seit 1957 sind kanadische Banknoten frei von fragwürdigen Bildern und das einzig abgebildete Antlitz ist das der Queen.“

 

Das Porträt der Queen mit und ohne Schulterlinie von Mary Gillick, 1953.

Darf der Vogel bleiben?

Nun ist die Katze aus dem Sack – bzw. der Vogel gesichtet und die Geschichte nimmt in englischsprachigen Medien immer mehr Fahrt auf. Wir dürfen gespannt sein, ob das Vögelchen am Ohr des Königs genauso viel Beunruhigung hervorrufen wird wie Luzifers Antlitz in der Haarpracht der Königin. Wird der Vogel zu einer so großen Ablenkung, dass das Münzporträt geändert werden muss? Für Sammler sind Unterschiede wie die Varianten mit und ohne „Schulterlinie“ des Porträts der Queen von Mary Gillick von 1953 immer willkommen. Ich gehe allerdings davon aus, dass dies nicht eintreten wird, und wir in Zukunft keine Variante „mit Vogel“ und „ohne Vogel“ haben werden. Bleibt der König 15 Jahre oder länger auf dem Thron, wird es 2038 vermutlich eher ein komplett neues Münzbild geben als 2023 eine Variante ohne Vogel. Ein Vöglein hat mir allerdings gezwitschert, dass der gefiederte Freund von König Charles III. im Zeitalter der sozialen Medien vermutlich früher oder später ein Eigenleben entwickeln wird. Es gibt sicher bald eine Facebook- oder eher eine Twitter-Seite mit täglichen Updates über das royale (und numismatische?) Leben: Harry und Meghan sind Schnee von gestern, hier kommt der neuste Medienstar mit noch engeren Verbindungen zum Königshaus und Charles III. – attraktiver, diskreter und schwungvoller wird er sicherlich auch sein!

 

Der Autor, Michael Alexander, ist Präsident des Banknote and Monetary Research Centre in London.

 

In englischer Sprache erfahren Sie mehr über die Umstellung von Münzen und Banknoten vom Porträt Queen Elizabeths II. auf Charles III.