Jüdische Münze als politisches Argument?

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von Ursula Kampmann

7. September 2017 – Durch die israelische und internationale Presse lief Ende August die Meldung, ein neunjähriges Mädchen namens Hallel Halevy habe einen jüdischen Halbshekel aus der Zeit des Jüdischen Krieges gefunden. Bemerkenswert war der Ort. Die Fundstelle lag nahe der jüdischen Siedlung Neve Tzuf (= Halamish), einer israelischen Siedlung im umstrittenen Westjordanland. Ihr Vater ging damit zu einem Nachbarn, und zwar zu Dr. Zohar Amar, der zeitweise an der Abteilung für Land of Israel Studies an der Bar-Ilan University eine Professur bekleidete. Wie man bei Wikipedia lesen kann, liegt Professor Amar daran, „die Torah mit der Wissenschaft zu verbinden“.

Nach einer ersten Prüfung der einseitigen Bleiprägung mit einer Feinwaage stellte Prof. Amar fest, dass es sich um einen halben Shekel aus der Zeit des Jüdischen Krieges (66-70) handle. Natürlich war sich Prof. Amar bewusst, dass dieser Fall neue Forschungen verlange, aber er „fühlte“ dass er es mit einem Zeugnis der Vergangenheit zu tun habe. Vielleicht war da auch der Wunsch der Vater des Gedankens, denn Archäologie wird in Israel unter anderem auch dazu benutzt, politische Ansprüche auf umstrittene Gebiete zu erheben. So sagte Prof. Amar: „Das Dorf Beit Rima, das in der Mishnah im Menachot erscheint, liegt drei Kilometer entfernt und von dort wurden die Trankopfer für den Tempel gebracht. In der Region von Neve Tzuf gibt es eine weltweit einzigartige Stelle, wo ein besonderer Wein produziert wurde, den man in Falle großer Not zum Tempel bringen durfte. Es gibt eine Menge Hinweise, die Neve Tzuf mit dem Tempel verbinden und diese Münze wirft zusätzliches Licht auf das Geschehen.“

Vielleicht sollte man an dieser Stelle erwähnen, dass Neve Tzuf zu den besonders umstrittenen jüdischen Siedlungen gehört. 2016 kam es zu mehreren Brandanschlägen. Im Juli 2017 erstach ein Palästinenser aus Kobar, nahe Ramallah, drei Mitglieder einer in Neve Tzuf lebenden jüdischen Familie beim friedlichen Abendessen. Andererseits wurden seit Ende des Jahres 2009 64 Einwohner des benachbarten (palästinensischen) Dorfes Nabi Salih von israelischen Streitkräften verhaftet. Die 64 Einwohner entsprechen 13 % der Gesamtbevölkerung dieses Dorfes. 

Durch ihren Fundort wurde die kleine, von einem unschuldigen Mädchen gefundene Münze zu einem wichtigen Indiz der jüdischen Siedlerbewegung für die Rechtmäßigkeit ihres Anspruches auf das Westjordanland. Vielleicht deshalb schließt Prof. Amar seine Ausführungen über den Fund: „Nach all dem, was wir kürzlich erlebt haben, ist dieser Fund sehr bemerkenswert, weil die Römer uns töten wollten, aber wir kamen hierher zurück, und wir werden dieses Jahr den 40. Geburtstag der Siedlung von Neve Tzuf feiern.“

Auf ein schönes Argument für ihre Anwesenheit im Westjordanlang werden die Festredner dabei allerdings verzichten müssen. Bei der gefundenen Münze handelt es sich nämlich nicht um eine antike Münze, sondern um eine Replik, wie sie anlässlich Hanukka jedes Jahr im Israel Museum von Dutzenden von Kindern angefertigt wird.

Entlarvt wurde das umstrittene Stück von Dr. Haim Gitler, oberster Kurator für Archäologie und Numismatik im Israel Museum und Präsident der Israel Numismatic Society. Gegenüber der „Times of Israel“ sagte Dr. Gitler: „Keine Chance, dass das Ding echt ist. Es handelt sich nicht um eine antike Münze. Schon es eine Münze zu nennen, ist eine Übertreibung. Es fragt sich nur, ob das Ding 2016 oder 2015 hergestellt wurde.“

Doch Prof. Amar fordert immer noch eine genaue Untersuchung mit naturwissenschaftlichen Methoden. Und tatsächlich nahm der für das Gebiet verantwortliche Archäologe von der archäologischen Abteilung der Civil Administration (COGAT) am 23. August 2017 das umstrittene Stück erst einmal in Verwahrung – alle im Westjordanland gemachten Bodenfunde gehören dem Staat – und überreichte der stolzen Finderin ein Zertifikat. Bei COGAT will man noch die wissenschaftlichen Untersuchungen abwarten, ehe man sich abschließend äußert.

Eine genaue Schilderung der ersten Untersuchungen der Münze durch Dr. Zohar Amar sowie den größten Teil der hier zitierten Aussagen finden Sie in diesem Artikel von Arutz Sheva, einem religiös-zionistisch ausgerichteten Internet-Radiosender, der ein englischsprachiges Programm anbietet.

Fotos der Souvenirmünze und Echtheitszertifikat für die kleinen Münzmeister im Israel Museum / Jerusalem bietet dieser Artikel.

Mehr über Prof. Zohar Amar lesen Sie in seinem Wikipedia-Artikel.

In Wikipedia gibt es auch eine kurze Zusammenfassung zum Konflikt um Neve Tzuf.

Dr. Haim Gitlers Aussage finden Sie in der Times of Israel zusammen mit einem Film, in dem zu sehen ist, wie Kinder diese Repliken anfertigen. Dort findet sich dann übrigens auch eine stark modifizierte Fundgeschichte des Stücks sowie der zweite Teil der Aussagen von Prof. Amar.

Auch bei der Times of Israel war man zuvor der archäologischen Sensation auf den Leim gegangen. Der Artikel ist inzwischen vom Netz genommen worden.