Erhaltungsbestimmung leicht gemacht


mit freundlicher Erlaubnis von Barbara Balz / World Money Fair
und vom Verband Schweizerischer Berufsnumismatiker

Eine hohe Kunst
Viele Münzsammler sind sich zu Beginn ihrer Sammlertätigkeit unsicher, wenn es darum geht, die Qualität einer Münze einzuschätzen. Ist das Stück „sehr schön“, „gutes sehr schön“, „fast sehr schön“ oder gar „sehr bis vorzüglich“? Der Variantenreichtum an Münzbeschreibungen in deutschsprachigen Auktionskatalogen scheint schier unbegrenzt.
Dies liegt daran, daß die Beschreibung einer Erhaltung zwar ganz genau festgelegten Kriterien folgt, aber – besonders bei Münzen, die von Hand und vor allem mit unterschiedlichen Stempeln geprägt wurden – neben der eigentlichen Erhaltung noch eine ganze Reihe von anderen Gesichtspunkten in die endgültige Erhaltung mit einfließen. Wie sieht zum Beispiel die Oberfläche einer Münze aus? Hat sie eine schöne Patina? Ist sie scharf geprägt und voll zentriert? Oder sind Teile der Darstellung flau und unansehnlich? Ist das Metall korrodiert? All diese Einzelheiten müßten theoretisch zwar genau beschrieben werden, sind aber meist nur wiedergegeben, indem der Katalogautor die eigentliche Erhaltung „sehr schön“ auf „gutes sehr schön“ hochsetzt oder auf „fast sehr schön“ herabsetzt.

Jeder kann entscheiden, was ihm wichtig ist
Die europäische Form der Erhaltungsbestimmung läßt also dem Individuum und seinen Prioritäten viel Platz. Und sie gibt dem Sammler die Verantwortung, für sich selbst zu definieren, was ihm an einer Münze gefällt, und was ihn stört. Manch einer zieht ein „sehr schön“ vor, wenn das Stück dafür eine feine Patina hat. Ein anderer kauft grundsätzlich keine korrodierten Münzen, auch wenn das Exemplar sonst „gut vorzüglich“ erhalten ist. Der eine mag keinen Doppelschlag, der andere keinen Schrötlingsfehler. Ein dritter sieht nur auf den Stil und bevorzugt eine stilistisch hervorragende Münze in „sehr schön“ gegenüber einer aus einem mißglückten Stempel in „vorzüglich“.

Die Grundlagen
Nichtsdestotrotz muß man die Kriterien kennen, die eine Erhaltung festlegen, um dann in einem zweiten Schritt für sich selbst zu entscheiden, ob ein Stück in die eigene Sammlung paßt oder nicht.
Der Verband Schweizerischer Berufsnumismatiker hat zu diesem Zweck anhand dreier Münzen aus verschiedenen Epochen die unterschiedlichen Erhaltungen zusammengestellt. Das 20-Rappen-Stück steht für die Münzen, die aus standardisierten, technisch reproduzierten, völlig gleichen Stempeln hergestellt wurden, wie es seit dem 19. und 20. Jahrhundert normal ist. Das Berner Fünf-Batzen-Stück repräsentiert die Münzen der Neuzeit, der Sesterz des Antoninus Pius die der Antike.

schön (s)

Die Konturen der Münzen sind teilweise nicht mehr sichtbar, die Legenden sind aber noch lesbar und das gesamte Motiv muss klar erkennbar sein.

Sehr schön (ss)

Alle Konturen der Münzen sind noch sichtbar, Abnützungsspuren sind aber zu erkennen. Die Münze darf auch im Relief kleinere Verletzungen haben.

Vorzüglich (vorz)

Münzen mit diesem Erhaltungsgrad sind nur kurze Zeit im Umlauf gewesen. Die Reliefpartien dürfen keine Abnützungsspuren aufweisen. Im Felde der Münzen können wenige kleine Kratzer vorkommen. Die Münzen dürfen aber sonst keine Beschädigungen aufweisen.

Unzirkuliert (unz)

Dieser Erhaltungsgrad trifft für Münzen zu, die nicht im Umlauf gewesen sind. Nur kleinste Spuren durch die Massenbehandlung in der Münzstätte sind ersichtlich.

Stempelglanz (stgl)

Dieser Erhaltungsgrad trifft für prägefrische Münzen zu, die ebenfalls nicht im Umlauf gewesen sind. Sie dürfen aber keine Spuren der Massenbehandlung aufweisen.

Erstabschlag (EA)

Die ersten Prägungen eines neuen Stempels wurden früher häufig für Münzkabinette und Sammlungen verwendet. Die spiegelnde Oberfläche sieht einer PP-Ausführung ähnlich. Bei der Qualität der heutigen Prägestempel besteht praktisch kein Unterschied mehr zu Stempelglanz.

Polierte Platte (PP)

Qualitativ hochwertige Sammleranfertigung mit speziell bearbeiteten Stempeln und poliertem Schrötling. Optimaler Kontrast zwischen spiegelndem Münzgrund und mattem Relief. In Einzelprägung hergestellt und meist in Dosen und Etuis verpackt.
Anfertigungen der neueren Zeit.

Münzen in schlechterer Erhaltung als „schön“ sind in der Regel nicht mehr sammlungswürdig. Dabei handelt es sich um Qualitäten wie „sehr gut erhalten“, „gut erhalten“ und „gering erhalten“.

Ein besonderer Dank geht an den Verband Schweizerischer Berufsnumismatiker, der uns die Abbildungen und die Erhaltungsbeschreibungen zur Verfügung gestellt hat.