Preußischer Geist im zaristischen Russland

Es sollte ihm nicht viel Zeit bleiben, jenem jungen Mann aus dem Hause Schleswig-Holstein-Gottorf, der am 5. Januar 1762 – nach dem russischen Kalender am 25. Dezember 1761 – den Thron seines Großvaters Peters I. bestieg. Grund dafür war, zumindest wenn wir der sehr einseitigen Überlieferung Beachtung schenken, die in den 34 Jahren der Herrschaft seiner Gattin und Thronräuberin entstand, dass Peter III. nicht russisch genug empfand. Er war ein begeisterter Anhänger Friedrichs II. von Preußen, den er bis ins Detail nachzuahmen pflegte.

Peter, der bereits mit elf Jahren Vater und Mutter verloren hatte, wurde mit vierzehn Jahren aus dem heimatlichen Kiel nach Sankt Petersburg transferiert, um dort als Thronfolger am Hofe seiner Tante Elisabeth zu leben. Man kann darüber spekulieren, ob sich der Junge im fernen Russland wohl gefühlt hat. Tatsache ist, dass er dort eine schwärmerische Begeisterung für Friedrich II. von Preußen entwickelte, mit dem er einen intensiven Briefwechsel pflegte.

Palast Zar Peters III. in Oranienbaum. Foto: Maryanna Nesina / https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en

Auf Schloss Oranienbaum baute sich der russische Thronfolger ein kleines Reich nach deutschem Vorbild auf, in dem die preußischen Tugenden groß geschrieben wurden: Fleiß, Gehorsam, Redlichkeit, Sparsamkeit, Pflichtbewusstsein und Gewissenhaftigkeit, vorgelebt von einem anspruchsvollen Herrscher, der eine strenge Hierarchie bevorzugte. Kein Wunder, dass der russische Adel etwas irritiert war. Rechnet man dazu, dass sich Russland seit 1757 mit dem ehrgeizigen Preußenkönig im Krieg befand, war Peters kritiklose Bewunderung für sein Idol mit Sicherheit kein politisch kluger Schachzug.

Kaiser Peter III., Gemälde von Lucas Conrad Pfandzelt, 1762.

Die Anstrengungen mehrerer Jahre Krieg, in denen es russische Truppen bis zu einer kurzfristigen Besetzung Berlins gebracht hatten, waren verloren, als Peter III. wenige Monate nach seiner Thronbesteigung Frieden mit Friedrich schloss. Aber ob das allein der Grund war, warum Peter III. gestürzt wurde? Seine Gegner sprachen von einer geistigen Verwirrtheit, die er schon im Kindesalter gezeigt habe. Seine Gattin Katharina verfasste nach ihrem Staatsstreich Memoiren, in denen sie den Leidensweg an der Seite ihres Mannes bis ins Detail beschrieb. Tatsächlich lassen seine Taten den jungen Zaren in einem ganz anderen Licht erscheinen: Er leitete sofort ein umfangreiches Reformprogramm ein. Sein Vorbild war der aufgeklärte Absolutismus, in dem selbst ein Zar sich den Gesetzen unterzuordnen hatte. Zu diesem Zweck löste er die „Geheime Kanzlei“ auf, eine Behörde, die gleichzeitig über Polizei- und Gerichtsmacht verfügte und dem persönlichen Befehl des Zaren unterstand. Peter verbot die Folter, schaffte die unsoziale Salzsteuer ab, um sie durch eine Luxussteuer zu ersetzen, die vor allem den Adel traf. Er bereitete die Entmachtung der orthodoxen Kirche vor und versprach eine Abschaffung des Leibeigentums.

Peter III. 10 Rubel in Gold 1762, St. Petersburg. Aus Auktion Künker 264 (25. Juni 2015), Nr. 4590; Schätzung: 75.000 Euro.

Peters Wille zur Nachahmung Preußens ist bis ins Münzbild zu verfolgen. Seine Haartracht ist an der preußischen orientiert. Er trägt den nüchternen preußischen Haarzopf, wie er unter deutschen Soldaten üblich war. Der stand im krassen Gegensatz zu den üppigen Allongeperücken, die unter seinen russischen Zeitgenossen noch weit verbreitet waren. Statt antikisierender Gewänder ist deutlich der einfache Brustpanzer zu erkennen, über den Peter stolz die Schärpe des preußischen Offiziers geschlungen hat. Wer genau hinsieht, erkennt sogar den metallenen Ringkragen, ein weiteres Dienstabzeichen preußischer Offiziere.

Peters III. großes Vorbild: Friedrich II. auf seinem Friedrichs d’or von 1749. Aus Auktion Künker 250 (2014), Nr. 2602; Schätzung: 5.000 Euro. Zuschlag: 17.000 Euro.

Ganz ähnlich hatte sich Friedrich der Große auf seinen frühen Friedrichs d’ors darstellen lassen: Das Haar im Soldatenzopf gebunden, bekleidet mit einem Brustpanzer. Aber was beim Vorbild fast verspielt daherkommt, wird beim Epigonen zum Inbegriff strengster Disziplin.

Peters Vorgängerin: Elisabeth I. mit einem goldenen 10 Rubel-Stück von 1756, geprägt in Moskau. Aus Auktion Künker 258 (2015), Nr. 851. Schätzung: 15.000 Euro. Zuschlag: 32.000 Euro.

Die Rückseite übernahm Peter von seiner Vorgängerin. Um den russischen Doppeladler sind die Wappen von Moskau, Kasan, Sibirien und Astrachan angeordnet.

Was immer Peter III. gewollt haben mag, seine Gattin Katharina teilte seine Wünsche nicht. Ihr Geliebter, Grigori Grigorjewitsch Orlow, putschte. Er war als Anführer des Garderegiments dazu in der Lage. Der Hof flüsterte, das Kind, das Katharina wenige Wochen zuvor zur Welt gebracht hatte, sei in Wahrheit seines, und Peter habe deswegen die Scheidung geplant. Tatsächlich hatte der junge Zar brieflich in genau dieser Frage Friedrichs Rat eingeholt.

Katharina II. im Ornat der regierenden Zarin, Gemälde von Vigilius Eriksen, 1778.

Das, was er gedacht und geplant haben mag, hat kaum einen Niederschlag in den Quellen gefunden. Seine eloquente Witwe Katharina bestimmte die Überlieferung. So halten manche heute noch Peter III. für einen schwärmerischen Wirrkopf, dessen Sturz zum Wohle Russlands notwendig war. Dass seine Zeitgenossen dies nicht so sahen, zeigen die fünf Aufstände nach seinem Tod, die Katharina brutal niederschlagen ließ, ehe ihr Ruhm von den von ihr reich beschenkten Philosophen Frankreichs in der ganzen aufgeklärten Welt bekannt gemacht wurde.

Direkt zur Sommer-Auktion von Künker, wo der vorgestellte Rubel Peters III. angeboten wird, kommen Sie hier.

Den Vorbericht zur Auktion, den wir in der MünzenWoche veröffentlicht haben, finden Sie hier.