Rätsel um Togodumnus gelöst?

von Chris Rudd
übersetzt von Teresa Teklic

Am Samstag, den 05. Oktober 2013, entdeckte der 19-jährige Sondengänger Tom Lesurf eine kleine Goldmünze, die große Fragen aufwirft. Diese kleine Goldmünze wurde von einem längst vergessenen Prinzen geprägt, der bei der Verteidigung Britanniens gegen römische Angreifer umkam – oder zumindest glauben dies einige Fachleute.

„Das ist mein erster Goldmünzenfund überhaupt“, sagt Straßenbauingenieur Tom Lesurf. „Ich war erst 15 Minuten auf dem Feld, als ich sie fand.“

Tom und etwa 400 weitere Sondengänger, unter denen auch sein Vater Eddie Lesurf war, nahmen zu dem Zeitpunkt an einer dreitägigen Schatzsuche auf einem Bauernhof in Bourne End, Bedfordshire, teil.

Der Goldviertelstater, hier noch mit Lehmklumpen. „Zuerst dachte ich es sei ein Messingknopf“, erzählt Tom, der einen XP Goldmaxx Power Detektor benutzte. Foto: Tom Lesurf.

Die Goldmünze ist die erste Münze, die Tom gefunden hat, und womöglich auch die wichtigste, die er jemals finden wird.

CVNO/DVBN-Goldviertelstater, ca. 43 v. Chr., ABC 3008. Nur drei weitere Exemplare sind bekannt. Gefunden von Tom Lesurf in Bourne End, Bedfordshire, 05.10.2013. Verkauft am 13.01.2014 für 10.200 GBP. Foto: Elizabeth Cottam & Chris Rudd.

Es handelt sich um einen 2.000 Jahre alten Goldstater, der von einem Prinzen der Catuvellauni („herausragende Krieger“) geprägt wurde, vermutlich um 43 v. Chr., als der römische Kaiser Claudius Britannien eroberte.

Die ersten drei CVNO/DVBN-Viertelstatere kommen alle aus Hallaton, Leicestershire, nur knapp 60 km von Bourne End entfernt. Cunobelinus prägte seine Münzen in Camulodunon, Essex. Quelle: Elizabeth Cottam & Chris Rudd.

Nur drei weitere Münzen dieses Prinzen, alle vom selben Typus, sind bekannt, und alle drei stammen aus dem riesigen Hallaton-Hort im östlichen Leicestershire. Diese mehr als 5.000 Münzen, größtenteils Silbermünzen der Corieltavi („Heer des weiten Landes“), wurden möglicherweise gesammelt, um den Widerstand gegen den römischen Vormarsch in die East Midlands um 45-46 v. Chr. zu finanzieren, und erstmals von Sondengänger Ken Wallace entdeckt.

Einige der 5.000 Münzen aus dem Hallaton-Münzhort, erstmals von Ken Wallace entdeckt und von Chris Rudd auf ca. 550.000 Euro geschätzt. Quelle: Nachrichtenmeldung des British Museum vom 7. April. © The British Museum.

Die entscheidende Frage ist die: Wer gab Toms außerordentlich seltenen Goldviertelstater aus? Auf den ersten Blick scheint die Antwort auf diese Frage leicht. Auf der Münze sind nur zwei Namen (oder vielmehr Abkürzungen) eingeprägt – CVNO und DVBN. Dass dies Herrschernamen sein müssen, steht außer Frage, da im vorrömischen Britannien nur königliche Personen Goldmünzen prägten und diese üblicherweise nur zwei Verwendungen fanden: als Sold oder als Tribut.

Der erste Name ist unumstritten und wirft keinerlei Probleme auf. Cuno, kurz für Cunobelinus („Hund des Belinus“), kommandierte wahrscheinlich drei Jahrzehnte lang die Catuvellauni in Hertfordshire, die Trinovantes in Essex und die Cantiaci in Kent, von etwa 8 n. Chr. bis 41 n. Chr. Cuno war der tonangebende Herrscher im Südosten Britanniens und wahrscheinlich der mächtigste Stammesführer seiner Zeit – man könnte sogar sagen der mächtigste Stammesführer im atlantischen Europa – der eigenhändig über mehr Grundbesitz, Untergebene und Reichtum verfügte als irgendein anderer Stammesführer westlich des Rheins um 41 n. Chr. Cuno, von Suetonius als Britannorum rex („König der Britannier“) betitelt (Caligula 44) und von Shakespeare als Cymbeline verewigt, ist eine wohlbekannte historische Figur und scheint mehr Goldmünzen geprägt zu haben als irgendein anderer Stammesführer seiner Zeit; Schätzungen Derek Allens zu Folge soll er mehr als eine Million Goldstatere geprägt haben.

Goldstater des Dubnovellaunos, ABC 2392, in Camulodunon geprägt. Dieser wurde von Cunobelinus um 8 bis 10 n. Chr. entthront und es ist unwahrscheinlich, dass er die CVNO/DVBN-Viertelstatere geprägt hat. Foto: Elizabeth Cottam & Chris Rudd.

Der andere Name auf Toms Münze ist umstrittener und bereitet weitaus mehr Schwierigkeiten. Die von ihm gefundene Münze weist als einzige die Namen CVNO und DVBN in Kombination auf. Das Überraschende an dieser Feststellung ist die Tatsache, dass die beiden Herrscher bisher als Feinde oder sogar Erzfeinde galten. Aber lassen Sie mich das kurz erläutern. Bis vor sieben Jahren wurde grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Inschrift DVBN auf den drei Hallaton-Viertelstateren Dubnovellaunos („Weltherrscher“) bezeichnet, der etwa 20 Jahre lang, ca. 10 v. Chr. bis 10 n. Chr., über die Cantiaci und die Trinovates herrschte, bis – und das ist der springende Punkt – er offensichtlich von Cunobelinus entthront wurde. Diese Lesart der Abkürzung DVBN wurde von Fachleuten des British Museum vorgeschlagen, Dr. Jonathan Williams und Richard Hobbs, Autor von „British Iron Age coins in the British Museum“ (BMP 1996), und es ist kein Wunder, dass sie sich durchgesetzt hat, obwohl Dr. Ian Leins, Kurator für eisenzeitliche und römische Münzen am British Museum, vor nicht allzu langer Zeit zugegeben hat, dass Dubn auch einen „unbekannten, späteren Herrscher gleichen Namens“ bezeichnen könnte („Hoards, Hounds and Helmets: A conquest-period ritual site at Hallaton“, Leicestershire, Hrsg. Vicki Score, University of Leicester, 2011).

Bei allem Respekt für meine Kollegen am British Museum, bin ich doch sehr, sehr skeptisch. Ich glaube keine Sekunde daran, dass die CVNO/DVBN-Viertelstatere von Cunobelinus geprägt wurden. Ich glaube nicht, dass sie von Dubnovellaunos geprägt wurden, der zur Zeit um die Geburt Christi in Essex und Kent Geld herstellte und bei dem es sich ohne Zweifel um denjenigen Dumnobellau[nus] handelt, der um 13 n. Chr. in den „Res Gestae“ des Augustus zitiert wird. Und ich glaube auch nicht, dass sie von einem „unbekannten, späteren Herrscher gleichen Namens“ geprägt wurden. Meine Skepsis ergibt sich aus den folgenden sechs Beobachtungen:

1. Der Stil der CVNO/DVBN-Viertelstatere passt nicht zu dem von Cunos üblicher Goldprägung. Die Ähre besteht aus drei und nicht, wie sonst üblich, aus zwei Reihen Körnern. Auf jeder Seite der Ähre ist eine aufblühende Mohnblumenblüte zu sehen, und im Unterschied zu Cunos anderen Goldmünzen fehlt der Palmzweig über dem Pferd.

Dr. John Sills geht davon aus, dass die CVNO/DVBN-Viertelstatere nach dem Tode Cunobelinus‘ geprägt wurden, des mächtigsten Stammesführers seiner Zeit. Bronzemünze, ABC 2957. Foto: Elizabeth Cottam & Chris Rudd.

2. Dr. John Sills, Autor von „Gaulish and early British gold coinage“ (Spink, 2003) und Mitverfasser von  „Ancient British Coins“ (Chris Rudd, 2010), hat eine umfangreiche Stempeluntersuchung von Cunos Goldmünzen unternommen. Er glaubt, dass die CVNO/DVBN-Viertelstatere nach Cunos Tod geprägt wurden, möglicherweise um 43 v. Chr.

3. Selbst wenn die CVNO/DVBN-Viertelstatere noch zu Lebzeiten Cunos geprägt worden wären, wäre dies unmittelbar vor dem Ende seiner Herrschaft geschehen, und es stellt sich die Frage, warum der mächtigste Herrscher Britanniens (und das war Cuno) einen Rivalen wieder einsetzen würde, den er fast 30 Jahre zuvor besiegt hatte.

4. Selbst wenn Dubnovellaunos die vernichtende Niederlage bei seiner vermeintlichen Hauptstadt Camulodunon (Colchester, Essex) 8 bis 10 n. Chr. überlebt hätte, was an sich schon unwahrscheinlich ist, wie plausibel ist die Erklärung, dass er nach drei Jahrzehnten plötzlich wieder anfing Münzen zu prägen, noch dazu im Namen eines Königs, der ihn zuvor entthront hatte? Wäre Dubno nicht viel mehr ein alter Tattergreis und zu senil, um ein solches Comeback zu inszenieren? Und wie wahrscheinlich ist es, dass die jungen, starken Söhne Cunos, unerschrockene Krieger wie Caratacus, einem alten Rivalen ihres Vaters, oder auch einem gleichnamigen Sohn Dubnos gestatten würden, ihre Position einzunehmen?

5. Es wurde weiterhin vorgeschlagen, dass Cunobelinus die CVNO/DVBN-Viertelstatere geprägt haben soll, um an seinen Sieg über Dubnovellaunos in Essex zu erinnern. Wenn man jedoch bedenkt, dass jegliche numismatische Hinweise auf eine sehr späte Prägeserie deuten, die nach der Hauptserie von Goldmünzen im sogenannten Classic-type (ABC 2795, 2798, 2822), hergestellt wurde, fragt man sich, warum er einen Sieg 27 bis 30 Jahre nach dem eigentlichen Ereignis feiern sollte. Warum zeigen die Münzen keine Siegespalme? Warum wurden bisher so wenige dieser „Siegesmünzen“ gefunden? Und warum wurde nicht eine einzige dieser Münzen in Essex gefunden, wo Dubno die Niederlage erlitt?

6. Können wir überhaupt sicher sein, dass das DVBN auf Toms Münze für Dubnovellaunos steht? Nein, keineswegs. Mit Sicherheit nicht. Dubnos, Dubnus, Dubna (weiblich), Dubnacos, Dubnia, Dubnocoveros, Dubnorix und Dubnotalos sind alles Eigennamen, die in gallischer Sprache nachgewiesen wurden und deshalb als mögliche Erweiterungen von Dubn- in Britannien in der späten Eisenzeit in Betracht gezogen werden müssen.

Die ungeschönte Wahrheit ist, dass wir vielleicht niemals herausfinden werden wie „Dubn aus Hallaton“ wirklich hieß. Ich nenne ihn so, weil er nach zwei Jahrtausenden im Verborgenen erstmals in Hallaton wieder ans Licht kam und weil ich ihn eindeutig von Dubno aus Essex und Kent unterscheiden will. Nichtsdestoweniger gab es vor sieben Jahren einen Durchbruch; einen Durchbruch, der zumindest teilweise zu einer Wiederherstellung von Dubns wahrer Identität beitragen könnte.

2006 vermutet der Numismatiker Rainer Kretz, dass die CVNO/DVBN-Viertelstatere von Togodumnus, Sohn und Erben des Cunobelinus geprägt worden sein könnten. Foto: Rainer Kretz.

Dieser Durchbruch ist Rainer Kretz zu verdanken, ausgewiesener Kenner der keltischen Philologie und anerkannte Autorität, wenn es um die beschrifteten Münzen der Catuvellauni und Trinovantes geht. Rainer bemerkte drei wichtige Punkte:

Von dem römischen Geschichtsschreiber Cassius Dio ist überliefert, dass Cunobelinus einen Sohn hatte, der Togodumnus hieß und anscheinend zur Zeit der römischen Eroberung starb.
Dokumente römischer Geschichtsschreibung, ebenso wie die im Mittelalter von ihnen angefertigten Kopien, enthalten oftmals fehlerhafte Versionen britannischer Namen, so dass der letzte Teil von Togos Namen ohne weiteres -dubnus und nicht -dumnus gewesen sein könnte. Das ausgesprochen späte Entstehungsdatum des CVNO/DVBN-Viertelstaters deutet darauf hin, dass die Münze von Cunos Erben geprägt worden sein könnte, und zwar entweder kurz vor oder, was vielleicht wahrscheinlicher ist, unmittelbar nach dessen Tod irgendwann zwischen 40 bis 43 v. Chr.

In Anbetracht dieser und weiterer Hinweise, kam Rainer zu dem Schluss, dass „auf jeden Fall die Möglichkeit besteht, dass der CVNO/DVBN-Viertelstater mit Togodumnus und nicht mit  Dubnovellaunos in Verbindung gebracht werden sollte und dass Togodumnus Cunobelinus kurz vor der Eroberung durch Claudius als Thronerbe und Herrscher über die Trinovantes für einen kurzen Zeitraum gefolgt sein könnte, wenn auch nur für wenige Monate“ (R. Kretz, „A new take on Togodumnus“, Chris Rudd List 86, März 2006, S. 2-4). Kurz, Dubn aus Hallaton könnte vielleicht der Togodumnus von Cassius Dio sein. Eine herausragende Schlussfolgerung, die weitaus mehr Anerkennung verdient, als sie bisher erhalten hat.
 
Rainer erläutert: „ Eine mögliche Erklärung besteht darin, dass Togidubnus [Rainers korrigierte Version des Namens] umgangssprachlich als Dubnus bekannt war (so wie aus Herbert Bert und aus Anthony Tony wird) und diese Variante später als offiziellen Namen behielt.“ Keine schlechte Idee. Aber es gibt da noch eine, vielleicht überzeugendere, Möglichkeit: Dubns vollständiger Name könnte so etwas wie Dubnotogios („tief(schneidende) Axt“)  oder Dubnotagus („Weltherrscher“) gewesen sein, was überaus gut zu dem Namen seines Bruders Caratacus („geliebter Häuptling“) passt. Es fällt mir wesentlich leichter, mir vorzustellen, dass ein Cassius Dio und/oder ein achtloser mittelalterlicher Schreiberling den Namen Dubnotogios oder Dubnotagus als „Togodumnus“ falsch schrieb, als dass Togidubnus, ein stolzer Prinz, den wichtigsten und einzigartigsten Teil seines königlichen Namens (den Togi- Teil) zu Gunsten eines informellen Rufnamens opferte.

Von den fünf möglichen Söhnen des Cunobelinus ließen lediglich Agr und Dubn Goldmünzen prägen, eine Tatsache, die möglicherweise ihre übergeordnete Stellung andeutet. Quelle: Jane Bottomley & Chris Rudd.

Seltene, von Sondengängern gefundene Münzen haben schon einmal dazu beigetragen, zwei weiteren möglichen Söhnen des Cunobelinus – Agr[icu?] und Solidu[s] – wieder zu altem Ruhm zu verhelfen. Dank Tom Lesurf, Ken Wallace und Rainer Kretz wissen wir jetzt vielleicht ein bisschen mehr über einen britannischen Prinzen, der sein Leben gab, um sein Land zu verteidigen. Toms CVNO/DVBN-Goldviertelstater wurde am 13. Januar 2014 von Elizabeth Cottam und Chris Rudd versteigert. Sie erzielte den Rekordpreis von 10.200 Pfund und ist damit der teuerste bisher verkaufte britische Goldviertelstater!

Für mehr Informationen zu Chris Rudd und seinen Auktionen, schauen Sie auf seine Website.

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