Sammlermünzen als Wertanlage: Chancen und Risiken

von Hubert Ruß

8. Januar 2015 – „Historische Münzen sind das bessere Geldgeschenk. Die Eurokrise kann Münzen mit Sammlerwert nichts anhaben“, so titelte die Welt in ihrer Online-Ausgabe vom 4. Dezember 2011.
Solche Schlagzeilen finden sich wiederkehrend in den Finanzteilen der Presse, meist ohne genaue Hintergrund-Recherchen, die – bildlich gesprochen – beide Seiten der Münze beleuchten und auch die Risiken aufzeigen.

Unterschiedliche Werthaltigkeit
Beginnen wir mit einem Beispiel. Wenn Sie sich mit Anlagegold beschäftigt haben, sind Ihnen sicherlich auch die 10- und 20-Goldmark-Stücke des Königreichs Preußen aus der Zeit zwischen 1871 und 1914 bekannt.

Kaiserreich, Preußen 10 Mark: Welchen Wert haben beide Münzen? Aus Auktion Künker 256 (2014), 7393.

Was ist der Unterschied zwischen den beiden Münzen? Die obere Münze erzielte auf der Auktion 150,- Euro, die untere 2.200,- Euro. Das entscheidende Kriterium in diesem Fall ist der Jahrgang, denn die untere Münze besitzt bei gleichem Erhaltungszustand eine wesentlich geringere Auflagenhöhe als die obere. Bereits diese kurze Gegenüberstellung lässt erahnen, dass es nicht so einfach ist, historische Sammlermünzen sinnvoll als Investment, als Wertanlage, zu nutzen.
Hätten Sie mich vor 20 Jahren gefragt, ob Sammlermünzen generell eine Wertanlage-Klasse sein könnten, hätte ich Ihnen davon abgeraten und Sie auf den Hobby-Charakter des Münzsammelns verwiesen, den ich übrigens auch heute noch immer betone. Doch inzwischen befeuert die Wiederentdeckung von Gold und Silber als Wertaufbewahrungsmittel seit der Jahrtausendwende auch eine steigende Nachfrage nach historischen Geldstücken.

Kunst als Wertanlage – ein Trend
Hierbei handelt es sich um einen Teilaspekt eines viel größeren Trends: Gerade angesichts der aktuellen Wirtschaftslage ist zu beobachten, dass Kunstobjekte immer mehr in den Fokus von Anlegern geraten. Verfolgt man die Schlagzeilen, so scheint auf den Kunstauktionen ein Superlativ den nächsten zu jagen. Immer höhere Preise auf dem Kunstmarkt stehen geringen Zinsen gegenüber sowie Börsen die sich wie auch die Edelmetallmärkte augenblicklich nur seitwärts bewegen, was eine Reihe von führenden Kunsthändlern bestätigte, die in der BR Abendschau von 31. Oktober 2014 anlässlich der Kunstmesse in der Hopfenpost befragt wurden. Sie bestärken viele in der Idee, in Kunstwerke und speziell auch in Sammlermünzen zu investieren.

Wer sammelt warum?
Betrachten wir zunächst das Phänomen des Sammlers. Lässt sich sagen, nach welchen Kriterien sie beim Sammeln vorgehen? Im März 2014 veröffentlichte die AXA-Versicherung ihre AXA-ART-Sammlerstudie „Kunst sammeln und besitzen“, an der sich international fast 1.000 Sammler beteiligten. Der Bereich der Sammlermünzen wurde hierbei leider nicht erfasst, doch förderte die Studie aussagekräftige Ergebnisse zum Thema Sammeln zutage.

Auch wenn alle Sammler die Freude am Sammeln teilen, so zeigen sich dennoch sehr unterschiedliche Motivationen.

  • Mit 37 % bildete der klassische Kunstliebhaber die größte Sammlergruppe.
  • Es folgen Sammler, die wie Investoren agieren und Kunst zur Diversifizierung ihrer sonstigen Anlagen sammeln. Diese mit 24% zweitgrößte Gruppe beurteilt Kunst unter dem Gesichtspunkt der Wertentwicklung und als Möglichkeit zum Ausdruck der eigenen gesellschaftlichen Position.
  • Sammler, die nach sehr vielfältigen Motiven sammeln, stellen mit 23% die drittstärkste Gruppe dar.
  • Weit abgeschlagen sind die Bewahrer mit 16%, die mit ihrer Sammeltätigkeit eine Familientradition fortsetzen.

Von welchen Kriterien, von welcher Motivation lassen sich Sammler leiten? An erster Stelle stehen die Ästhetik und Qualität der Objekte, der Aspekt der Wertsteigerung folgt laut dieser Studie erst an vierter Stelle. Die Seltenheit des Objekts landet auf Rang fünf und findet für meinen Geschmack zu wenig Beachtung; wir werden später sehen, warum ich der Rarität einen höheren Stellenwert beimessen möchte.

Historische Münzsammler
Lassen sich diese Ergebnisse nun auch auf den Bereich der Münzen und Medaillen übertragen? Bergen historische Münzen, vor allem Goldmünzen, auch ein spekulatives Potential? Fragen in dieser Richtung werden immer wieder gestellt.
Grundsätzlich lässt sich sagen: Münzen als geprägte Geschichte haben als anlagetaugliches Sammelgebiet eine lange Tradition! Münzsammler befinden sich seit jeher in guter Gesellschaft.

Papst Bonifatius VIII. (+1303), Grabmal geschaffen von Arnolfodi Cambio, Museo dell’Opera del Duomo, Florenz. Wikipedia.

Über Jahrhunderte hinweg war das Sammeln von Münzen ein Privileg des Adels und der wohlhabenden Bürgerschicht. Der wirtschaftlich und politisch äußerst engagierte Papst Bonifatius VIII. (1294-1303) gilt als der erste historisch belegte Münzsammler des Hochmittelalters. Aber auch der Kaufmann Jakob Fugger, der Reiche (1459-1525), der flämische Maler Peter Paul Rubens (1577-1640), der Gründer des gleichnamigen Bankhauses Mayer Amschel Rothschild (1744-1812) und Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) trugen umfangreiche Münz- und Medaillensammlungen zusammen.
Die Faszination für Münzen und Medaillen ist nicht zuletzt durch die breite Palette an Motiven und geschichtlichen Anlässen zu erklären, bei der für jeden Geschmack etwas dabei ist. Darüber hinaus machen Münzen Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes „begreifbar“ und erlauben es jedem, sich ein Stück Historie nach Hause zu holen. Natürlich spielt auch die nie nachlassende Faszination des Geldes und vor allem des Goldes eine Rolle, dessen Wandelbarkeit die Menschheit schon immer in ihren Bann gezogen hat.

Wertsteigerungen bei Bullion- und Sammlermünzen
Gemessen an dieser Exklusivität ist das Sammeln von Münzen mittlerweile zum „Breitensport“ geworden; doch der „Leistungssport“, d.h. das Sammeln von numismatischen Raritäten abseits von Gedenkmedaillen und modernen Euro-Sonderserien, fordert heute mehr denn je einen finanzkräftigen Sammler.

In Top-Qualität bereits mit erheblichem Aufschlag: 1 oz 1967 Krügerrand, Qualität: Polierte Platte, Zuschlag 2014: 1.300,- Euro. Künker 245 (2014), 671.

Wie steht es nun um die eingangs angesprochene Wertanlage? Bereits bei Bullion-Münzen sind teilweise erstaunliche Wertsteigerungen zu verzeichnen. So erzielte beispielsweise ein Krügerrand des Jahrgangs 1967 in der Topqualität „Polierte Platte“ in der Sommerauktion von Künker einen Zuschlag von 1.300,- Euro. Ausschlaggebend für den Preis war zu einem die hervorragende Erhaltung, zum anderen die Seltenheit des Jahrgangs.
Betrachten wir das Potenzial historischer Sammlermünzen. Schon vor dem Börsencrash waren Münzen eine gute Geldanlage. In den vergangenen 20 Jahren waren in vielen Bereichen kontinuierlich steigende Münzpreise zu verzeichnen.

Preisentwicklung ausgewählter Reichsgoldmünzen. © Künker am Dom und F. R. Künker GmbH & Co. KG.

Das gilt zum Beispiel für seltene Goldmünzen des Deutschen Kaiserreichs (1871-1918). Aus den Zuschlagspreisen in Auktionen der vergangenen vierzehn Jahre ist abzulesen, dass einige dieser Münzen ihren Preis in dem genannten Zeitraum sogar verdoppeln konnten. Wichtig zu wissen für die Interpretation dieser Grafik: bei dieser Auswahl wurde die Entwicklung von Münzen sowohl in Topqualität wie auch in schwächerer Erhaltung berücksichtigt.
Diese langjährige positive Entwicklung führt dazu, dass bereits seit geraumer Zeit in Internetforen diskutiert wird, ob es sich hier um eine Blasenbildung handelt bzw. wann die Blase platzt.
Sammlungen mit Reichsgold werden immer wieder auf Auktionen angeboten. Viele aktive Sammler im In- und Ausland sorgen dafür, dass diese Sammlungen gut am Markt aufgenommen werden. Für Unruhe sorgen allerdings Auktionen, auf denen Reichsgold in großen Mengen mit sehr niedrigen Schätzungen angeboten wird. Für Sammler, die gewohnt sind, sich am Schätzpreis zu orientieren, entsteht der Eindruck fallender Preise. Doch auch in solchen Fällen wird der Markt für die richtigen Preise sorgen.
Der geschilderte Trend bei Reichsgold-Münzen lässt sich natürlich nicht verallgemeinern, doch generell kann man sagen, dass eine gut gepflegte Spezialsammlung mit ansprechenden Erhaltungen und einigen Seltenheiten ihren Wert oftmals steigert.

Sammlertrends und Spitzenzuschläge
Natürlich gibt es auch bei historischen Münzen Zeiten verstärkter Nachfragen und Flauten. Einige Beispiele aus dem europäischen Markt sollen dies veranschaulichen: Nach einem Boom Mitte des 1970er Jahre waren antike griechische Münzen Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre wesentlich weniger nachgefragt als heute. Mangels vernünftiger Zinsen und alternativer Anlageformen gerieten sie wieder verstärkt in den Fokus.

Sizilien, Akragas, Dekadrachmon, Zuschlag: 2.300.000,- SFR. NAC 66 (2012), 6.

2012 erzielt diese – zugegeben außergewöhnlich schöne – griechische Münze einen Zuschlag von 2,3 Mio. SFR; mit dem fälligen Aufgeld kostete sie den Käufer letztendlich 2,83 Mio. SFR – ein Preis, der wohl kaum mehr erzielbar sein wird. Derartige Ergebnisse sind bei den griechischen Münzen derzeit kein Einzelfall. Hinterfragt man diesen Trend, so stößt man auf den „Scheich“, wie er genannt wird. Es wird kolportiert, er kaufe im Auftrag eines arabischen Herrscherhauses Kunstschätze für ein neues Museumszentrum.

Mehr Informationen zum Scheich finden Sie natürlich in der MünzenWoche.

Selbstverständlich berichtete die MünzenWoche auch über seinen Tod.

Auf den Top-Auktionen der vergangenen Jahre wurden viele der bemerkenswerten griechischen Münzen diesem Bieter zugeschlagen. ARTNews kürte ihn 2011 zum Sammler des Jahres. Händler freuten sich über die Finanzkraft, viele Sammlern hingegen wurden so verärgert oder verunsichert, dass sie sich mit dem Gedanken trugen, mit dem Sammeln aufzuhören. Eine ungute Situation, denn je weniger breit die Basis der Münzsammler ist, umso krisenanfälliger werden die Preise.
Hier drängt sich der Vergleich zu den Hunt-Brüdern auf, die versuchten, den (Silber-)Markt zu dominieren. Auch sie konnten damals auf ein Vermögen zurückgreifen, das ihre Vorfahren mit Öl gemacht hatten. Das Ende ist hinlänglich bekannt. In den 90er Jahren konnten man die Schätze der Hunt-Brüder auf Auktionen der Firma Sotheby’s zurückkaufen – für einen Bruchteil dessen, was die Hunt-Brüder dafür gezahlt hatten.

Die MünzenWoche publizierte kürzlich einen Artikel über den 2014 verstorbenen Nelson Bunker Hunt, in dem auch das Schicksal der Dekadrachme von Akragas behandelt wurde, an der der Investor mehr als eine halbe Million Dollar verlor.

Rom, Octavianus and Marcus Antonius. Aureus, Gallia Transalpina and Cisalpina 43, Zuschlag 170.000,- SFR. NAC 80 (2014), 50.

Ein weiteres Beispiel aus dem Antikenbereich: Aktuell erzielen exzellent erhaltene Goldmünzen der römischen Kaiserzeit, sog. Aurei, überdurchschnittlich hohe Preise. Auch in diesem Bereich sind derzeit verstärkt Käufer aktiv, die diese seltenen Goldmünzen wohl als Anlageobjekt entdeckt haben.

Russland, Nikolaus I., 1 1/2 Rubel 1836, Zuschlag: 650.000,- Euro. Künker 203 (2012), 1621.

Kommen wir zum Beispiel Russland. Bis 2008 gab es einen Boom bei russischen Münzen; auch für schwache Erhaltungsqualitäten waren enormen Wertsteigerungen zu verzeichnen. Mit der Finanzkrise fiel alles in sich zusammen. Erst nach und nach erholte sich der Markt. So erzielte beispielsweise der 1836 geprägte Familienrubel des russischen Zaren Nikolaus I. in unserer Auktion 2012 einen Zuschlag in Höhe von 650.000,- Euro.

Russland, Alexander III., Probe-Rubel 1886, Zuschlag: 1.300.000,- SFR. Sincona 19 (2014), 880.

Russland, Alexander III., regulärer Rubel 1886, Zuschlag: 1.800,- Euro. Künker 239 (2013), 7246.

Abgelöst wurde dieses Highlight vergangene Woche in der Schweiz bei einer Auktion von Sincona, als für einen Probe-Rubel des Jahrgangs 1886 1,3 Mio. SFR bezahlt wurden. Im Vergleich dazu eine nahezu identische Normalprägung, die 2013 in einer Künker-Auktion mit 1.800,- Euro zugeschlagen wurde. Gefragt sind nur Münzen aus der Zarenzeit, interessanterweise ist für moderne Gold- und Silberprägungen aus der Zeit der Sowjetunion keinerlei Nachfrage zu verzeichnen.

China, Hsuang Tung, 1908-1911, Probe-1 Dollar o.J. (1911), Tientsin, Zuschlag: 460.000,- Euro. Künker 180 (2011), 694.

Etwas anders gelagert ist die Entwicklung im Bereich der chinesischen Münzen. Lange Jahre wurden die modernen Gold- und Silberprägungen der Jahre nach 1980 von Sammlern und Anlegern überhaupt nicht beachtet; niedrige Auflagenzahlen – sonst ein wichtiges Kriterium für eine Preisentwicklung – wurden nicht registriert; wenn, dann wurden sie oftmals zum reinen Metallwert gehandelt.

China, 100 Yuan 1995, Einhorn. 31,10 g Feingold. Nur 1.500 Exemplare geprägt. Polierte Platte, Zuschlag: 7.000,- Euro. Künker 198 (2011), 9492.

Mit der Erstarkung der Wirtschaftsmacht China erwachte auch das Interesse an der chinesischen Münzgeschichte, sowohl im In- wie im Ausland. Nach 2010 mehren sich die Auktionen, in denen die modernen chinesischen Gold- und Silberprägungen rasante Preissteigerungen verzeichnen konnten. Allerdings ist auch hier die Begeisterung für die hübschen Motive mit niedrigen Auflagenzahlen wieder etwas am abklingen; ihren Preis halten können derzeit eigentlich nur die seltenen, großen Nominale.

Deutsch-Ostafrika, 15 Rupien 1915, Tabora. © Künker.

Im Preis angezogen haben aktuell die 15 Rupien-Stücke, die 1916 in der deutschen Kolonie in Ostafrika geprägt wurden. Diese Münzen stellen ein besonderes Kuriosum dar, handelt es sich doch um die einzige deutsche Notmünze in Gold. Es ist kaum zu glauben, mangelte es den vom Reich abgeschnittenen Deutschen 1916 in Ostafrika so ziemlich an allem, Gold war jedoch reichlich vorhanden.
Derzeit hat sich die Nachfrage nach solchen Stücken in den Erhaltungsstufe „vorzüglich“ deutlich erhöht und sofort reagiert der Markt auf diese Nachfrage. Bis zu 4.000,- Euro muss man derzeit für ein solches Stück investieren.
Wegen solcher Trends ist die Preisentwicklung von historischen Münzen unberechenbar. Sammler dürfen sich nicht darauf verlassen, dass sie in einem Jahr genau den gleichen Betrag erhalten, den sie heute für ihr gutes Stück zahlen.

Ungarn, Maria von Anjou (1382-1387), Goldgulden o. J. (nach 1385), Kaschau, Zuschlag: 2.200,- Euro. Künker 244 (2014), 575.

Preisabstürze können auch durch Funde ausgelöst werden. Ein Beispiel: Mitte der 1990er Jahre wurde bei Restaurierungsarbeiten im alten Judenviertel in Regensburg unter einer alten Treppe ein Tongefäß gefunden. Es enthielt Goldgulden der ungarischen König Maria von Anjou. Dieser Münztyp war bis zu diesem Zeitpunkt relativ selten auf dem Markt angeboten worden. Obwohl dieser Fund direkt ins Museum kam, fiel der Preis im Handel – rein aufgrund der Tatsache, dass mehr Münzen dieses Typs die Jahrhunderte überlebt hatten, als man bisher angenommen hatte. Ähnliches kann jederzeit bei antiken und mittelalterlichen Münzen passieren.
Hier schließt sich auch der Kreis zu den Wertpapieren. Wer in Aktien investiert, kennt ebenfalls nie alle Faktoren zur Wertsteigerung oder zum Verlust, selbst Branchenexperten sind nie zu 100 % sicher.

Preisfaktor Erhaltung und Seltenheit
„Um der Volatilität vorzubeugen und sich trotzdem eine werthaltige Reserve anzulegen, eignen sich besonders historische Goldmünzen“. Dieses Zitat stammt aus einem Beitrag der Website goldreporter.de vom 25. April diesen Jahres. Der Autor fährt dann richtigerweise fort: „Hier spielt natürlich nicht nur der Materialwert eine große Rolle, sondern auch die Seltenheit und natürlich der Zustand der Münze … denn die Kunst des Gewinnschöpfens liegt immer im günstigen Einkauf“.

Die entscheidenden Kriterien für die Preisbildung sind die Seltenheit – wie viele Münzen sind geprägt worden, wie viele verloren gegangen? – und der Erhaltungsgrad, also die Qualität, einer Münze. Je nach äußerer Erscheinung ergeben sich so Preisunterscheide bis zum Faktor 100 oder darüber hinaus.
Wie andere Wissenschaften hat auch die Numismatik ihre eigene Sprache: Die Beschreibung „schön“ bezeichnet bei Münzen der Neuzeit unglücklicherweise das Gegenteil, nämlich eher unansehnliche Metallplättchen (Schrötlinge genannt) in einem stark abgegriffenen, zerkratzten Zustand.

Hessen, Ludwig III., 5 Mark 1875, „schön-sehr schön“ = 80,- Euro (oben), „Stempelglanz“ = 8.000,- Euro (unten). © Künker.

Die nächstbessere Stufe lautet „sehr schön“, gefolgt von „vorzüglich“ und „Stempelglanz“. Münzen mit Stempelglanz sind begehrte, denn selbst nach hundert Jahren glänzen sie noch so, als wäre sie eben erst aus der Prägewerkstatt gekommen. Diese Abbildung zeigt deutlich, wie groß die Spannen bei unterschiedlicher Erhaltung sein können.
Allerdings haben wir es mit Rahmenbedingungen zu tun, exakt messbar sind die Erhaltungsgrade nicht, es bleibt ein subjektiver Beurteilungsspielraum des Betrachters, was zu mitunter weit voneinander abweichenden Erhaltungseinstufungen führen kann.

An dieser Stelle möchte ich auf einen Trend zu sprechen kommen, der auch in Europa immer mehr um sich greift: das Einschließen von Münzen in einen Kunststoffholder, auf dem die Erhaltung verzeichnet ist, das sog. „Slabben“.
Diese Slabs werden in erster Linie für Investoren kreiert; sie bieten eine trügerische Sicherheit hinsichtlich der Erhaltung, denn sie nehmen dem Käufer die Beurteilung der Erhaltung ab. Diese Entwicklung ist aus mehreren Gründen kritisch zu sehen: Zum einen besteht eine Diskrepanz zwischen dem europäischen und dem amerikanischen Erhaltungssystem. Während wir in Europa im Prinzip vier Erhaltungsstufen kennen, finden sich in den USA gerade im Bereich der Top-Erhaltungen viel mehr Abstufungen, und diese werden auch auf die europäischen Münzen übertragen. Dass diese Beurteilungen ebenso subjektiv sind wie die eines europäischen Sammlers oder Händlers zeigt sich bereits in der Tatsache, dass man in vielen Auktionskatalogen europäischer Auktionshäuser deutlich von der auf dem Slab angegebenen Erhaltung abweichende Erhaltungsangeben findet.
Eine Echtheitsprüfung in diesen Slabs ist leider nicht möglich, da der Rand nicht sichtbar ist. Öffnet man den Slab, erlischt die Garantie; selbst bei offensichtlichen Fälschungen kann kein Regressanspruch gestellt werden.
Mittlerweile werden die Slabs selbst gefälscht und mit Münzfälschungen bestückt. Zwar besitzt jeder Slab eine eigene Nummer, man kann anhand dieser Kennzeichnung feststellen, welche Münze im Original in dieser Hülle stecken sollte. Doch das ist sehr zeitaufwendig.

Fälschungen
Fälschungen werden derzeit v.a. aus Osteuropa und Chinas angeboten, meist auf Börsen oder im Internet. Wie kann man sich vor Fälschungen schützen? Der beste Schutz gegen Münz-Nepp ist eine ausführliche Beratung bei versierten Fachhändlern. In der Regel garantieren die deutschen Händler oder Münzauktionshäuser die Echtheit der von ihnen verkauften Münzen. Bitte achten sie darauf, dass es sich nicht nur um eine Gewährleistung handelt.
Münzkataloge bieten nur eine bedingte Hilfe, da sie bei der Herstellung eine zu lange Vorlaufzeit benötigen und deshalb auf kurzfristige Trends nicht reagieren können.
Lassen sie sich nicht von Werbeversprechen einfangen, die ihnen Wertsteigerungen vorgaukeln, oft gemessen an eigenen gestiegenen Verkaufspreisen: billige Massenware wird nie im Wert steigen.

Was soll man sammeln?
Was soll ich denn nun sammeln, werden Sie nach all diesen Ausführungen fragen? Der Rat an alle Interessierten: Münzsammler bauen auf die Zeit und jagen nicht kurzfristigen Trends nach. Antizyklisches Sammeln bietet sich an, denn Bereiche wie das deutsche Kaiserreich oder die Weimarer Republik sind derzeit wenig nachgefragt und bieten Einsteigern die Chance, bereits zu günstigen Preisen gut erhaltene, attraktive Stücke zu bekommen.
Eine andere Option wären beispielsweise steuerfreie Goldmünzen, deren Verkaufspreis nur etwas über dem Goldpreis liegt, wie Goldmünzen aus dem deutschen Kaiserreich, französische Goldmünzen oder US-Gold.

Chancen und Risiken
Chancen und Risiken, so lautet der Untertitel des Beitrags. Abschließend sollen nun die wichtigsten Argumente nochmals zusammengefasst werden.

  • Spekulative Anleger können Märkte und Preisentwicklungen auch längerfristig manipulieren.
  • Sammlermünzen lassen sich selten ohne Verlust schnell wieder verkaufen, im Gegensatz zu reinen Anlagemünzen, die oftmals sofort konvertibel sind.
  • In Krisenzeiten fällt der historische Wert unter den Tisch, es zählt der reine Metallwert.
  • Gute Erhaltungen wachsen nicht auf den Bäumen und sind irgendwann nicht mehr verfügbar.

Fazit
Ich stehe Sammlermünzen auch als Wertanlage sehr positiv gegenüber, wenn man die erläuterten Fallstricke berücksichtigt. Oder um es mit Johann Wolfgang von Goethe zu sagen: „Wo viel verloren wird, ist manches zu gewinnen.“
Grundsätzlich sollte der Hobby-Charakter im Vordergrund stehen. Dann ermöglichen lange Sammelzeiten den Ausgleich von Schwankungen. Der Haupttenor muss auf den guten Erhaltungen liegen, denn Qualität wird immer weniger. Dass die Beschäftigung mit Münzen den Wissenshorizont erweitert und ggf. auch das gesellschaftliche Ansehen steigern, wurde ebenfalls erwähnt.
Während andere Anlageobjekte oder Wertpapiere im Depot „schlummern“, besitzt man mit Münzen haptisch erfahrbare Kleinkunstwerke, die man im „Notfall“ auch in der Hosentasche transportieren kann.

Kurzvita von Dr. Hubert Ruß
1982-1987: Diplomstudium der Geschichte an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg mit den Schwerpunkten Mittelalterliche Geschichte, Hilfswissenschaften und Denkmalpflege

1987: Preis des Praxisforums der Universität Bamberg für hervorragende Studienleistungen

1991: Promotion an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg bei Prof. Gerd Zimmermann mit dem Thema „Die Grafen von Truhendingen“, einem Thema aus der mittelalterlichen Landesgeschichte Frankens

1987-1989: Wissenschaftlicher Volontär und Mitarbeiter am Historischen Museum in Bamberg

1990-1995: Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Numismatischen Abteilung des Bankhauses Partin in Bad Mergentheim

10.1995-9.2010: Verantwortlicher Numismatiker für die Bereiche Mittelalter und Neuzeit in der Numismatischen Abteilung von Hauck & Aufhäuser Privatbankiers in München

seit 2000: Von der IHK für München und Oberbayern öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Münzen und Medaillen des Mittelalters und der Neuzeit.

2006: Eligius-Preis der Deutschen Numismatischen Gesellschaft (DNG) sowie Prix d’honneur der internationalen Münzhändlervereinigung AINP für das Korpuswerk „Die Münzen des Fürsten- und Herzogtums Coburg von 1577 bis 1918“

seit September 2010: Geschäftsführender Vorstand der Künker Numismatik AG (Künker am Dom) in München

Derzeit Erstellung eines Korpuswerkes über die Münzen und Medaillen des Hochstiftes Würzburg von 900 bis 1806.

Wenn Sie sich von Herrn Dr. Ruß persönlich beraten lassen wollen, können Sie ihn in Künker am Dom treffen.