Was sind Ausbeuteprägungen? Der Bergbau vor der industriellen Revolution

Der Bergbau beziehungsweise die Gewinnung von Metall- oder Mineralien sowie die Textilproduktion gehören zu den ältesten arbeitsteilig organisierten Herstellungskomplexen, bei denen es um die Bereitstellung einer ganzen Palette von unterschiedlichen Gegenständen des individuellen wie des gesellschaftlichen Bedarfs in größeren Mengen geht.

Gewebtes Tuch ist nicht allein der Grundstock für Kleidung, sondern spielt auch in vielen anderen Zusammenhängen, etwa bei der Fertigung von Behältnissen für Transport und Lagerung von Gütern oder bei der Ausrüstung von Schiffen, eine wichtige Rolle.

Aus Erzen erschmolzenes Metall wird für die Herstellung von Waffen und Werkzeugen benötigt; es gelangt außerdem bei der Errichtung von Gebäuden sowie nicht zuletzt bei der Prägung von Münzen zum Einsatz.

Und in Bergwerken geförderte Mineralien können zum einen Konservierungsmittel und unverzichtbarer Nahrungszusatz (Salz) und zum anderen ein überaus wirksamer fossiler Brennstoff (Kohle) sein. Die Vielfalt und Wichtigkeit der genannten Güter haben den Prozessen zu ihrer Herstellung seit je her eine zentrale gesellschaftliche Bedeutung verliehen.

Komplexe Arbeitsprozesse führten zu starker Differenzierung

Dabei erforderte die Komplexität der Fertigungsprozesse bald eine starke Differenzierung der verschiedenen Arbeitsschritte und einen hohen Grad von Spezialisierung. Bei der Organisation des Arbeitsprozesses wurden die verschiedenen in der Produktion notwendigen Funktionen gegliedert und in eine hierarchische Ordnung gestellt. Seit dem hohen Mittelalter war diese Gliederung der Funktionsebenen auch in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeitenden abgebildet: Berg- und Hüttenleute waren in Knappschaften zusammengeschlossen, während die Textilarbeiter (Kämmer, Spinner, Färber, Weber etc.) in verschiedenen Zünften organisiert waren. Alle diese Körperschaften entwickelten eine eigene innere Ordnung und eigene kulturelle Traditionen; als politische Verbände spielten sie schließlich eine wichtige Rolle beim Übergang zur Neuzeit.

Georg Agricola verfasste 1556 das Standardwerk zum Bergbau: De re metallica. Zahlreiche Illustrationen unterstützten die erklärenden Texte und sind heute eine wertvolle historische Quelle.

Silber für Deutschlands Münzen

In Deutschland wurde seit dem Mittelalter die überaus gewinnträchtige Förderung von Silber als dem wichtigsten Metall für die Herstellung von Münzen vor allem im Oberharz, der in weiten Teilen zum Herzogtum Braunschweig-Lüneburg gehörte, und in dem im Kurfürstentum Sachsen gelegenen Erzgebirge in großem Umfang betrieben.

Zu Beginn des 15. Jahrhunderts waren die leichter abzubauenden höheren Lagerstätten allerdings weitgehend erschöpft. In der Folge mussten die Schächte erheblich vertieft und die Stollen auf weniger leicht zugänglichen Ebenen (Teufen) vorgetrieben werden. Das brachte eine Reihe von zusätzlichen Problemen beim Abtransport von Ausbeute und Abraum sowie bei der Belüftung und Entwässerung der Gruben mit sich, denen nur mit innovativen technischen Lösungen zu begegnen war.

Ingenieurskunst und Bergbau: ein erfolgreiches Wechselspiel

Vom 17. Jahrhundert an wurde der Bergbau (wie zuvor schon die Waffentechnik) zu einem der wichtigsten Impulsgeber für die Wissenschaft von der Mechanik und für die davon abgeleitete Ingenieurskunst. Komplexe mechanische Konstruktionen verbesserten nach und nach die Effizienz von Förderanlagen wie Pumpwerken. Die Maschinen blieben freilich nach wie vor auf externe Energiezufuhr angewiesen, wobei zunächst nur die Kraft von Menschen und später dann auch die von Pferden zum Einsatz gebracht wurde. Erst die Verwendung von Wasserkraft ermöglichte schließlich auch den Betrieb von größeren Anlagen mit einem deutlich höheren Energiebedarf, wobei allerdings die Zu- und Abführung des fließenden Wassers über wie unter Tage einen enormen baulichen Aufwand bedeutete.

Kurfürstentum Sachsen: Johann Georg III. (1680-1691), Medaille (Silber, 80,98 mm, 232,92 g – Stempel von M.H. Omeis) 1690, Freyberg, auf den Bau des Aquaedukts zur Wasserversorgung der Gruben St. Annen und Altvater. Müseler 56.1.1/10a; Auktion Künker / London Coin Galeries 2, 2016, 1464.

Ausbeuteprägungen: Zeugnisse des eigenen Reichtums

Bei Staaten, die sowohl über eigene Edelmetallquellen als auch über das Recht zur Herausgabe eigenen Geldes verfügten, war es üblich geworden, einen Teil des Reinertrages aus den jeweiligen Bergwerken für die Prägung von speziellen Münzen oder auch von größeren Schaustücken mit einer Angabe der Herkunft des Metalls zu verwenden.

Die vorliegende große Medaille im Gewicht von 8 Reichstalern (ca. 233 g), die im Jahr 1690 im kursächsischen Freiberg entstanden ist, ist eine solche „Ausbeuteprägung“. Sie feiert die (freilich bloß vorübergehende) Aufnahme der Silberförderung in den Gruben St. Anna und Altvater bei Rothenfurt im Erzgebirge, welche überhaupt nur mit dem Einsatz von modernster Bergbautechnik in Betrieb genommen werden konnten. Für den Antrieb der großen „Wasserkunst“ zur Abführung des reichlich vorhandenen Sickerwassers aus dem bis zu 260 Meter tiefen Bergwerk musste der auf dem jenseitigen Ufer der Mulde entspringende Münzbach umgeleitet und über einen Aquädukt an die Gruben herangeführt werden. Dort hielt er ein riesiges unter Tage gelegenes Wasserrad in Bewegung, welches das Grubenwasser in Schöpfbehältern bis kurz unter das Niveau der Radstube hob, wo es zusammen mit dem Betriebswasser über den Anna-Stollen abfloss.

Die Vorderseite des Gepräges zeigt eine Ansicht der oberirdischen Anlagen des Bergwerks mit dem noch nicht ganz fertig gestellten Aquädukt über dem tief eingeschnittenen Tal der Mulde. Auf der linken Seite oberhalb des Aquädukts ist eine Gruppe von Gebäuden um eine kegelförmige Zuganlage zu sehen, die Pferdegöpel genannt wurde. Unter dem Niveau des Aquädukts wird das Wasser über eine Rinne zu einem zweistöckigen Gebäude am unteren Bildrand geleitet, das offenbar ein über Tage installiertes Wasserrad beherbergt. Von diesem Bau aus führt ein offenes Feldgestänge zur Bewegungsumkehr zu einem kleineren Haus weiter links. Ganz links ist ein Handgöpel mit zwei Kurbeln über einem offenen Schacht abgebildet, der durch eine Pleuelstange mit dem kleinen Haus sowie mit einer weiteren Schachtöffnung verbunden ist. Im Hintergrund sind bewaldete Hügel mit Feldern und weiteren Grubengebäuden sichtbar.

Im Abschnitt steht der Name „ST. ANNA“ in einer ornamentalen Kartusche und am Himmel ist der Satz „WAS MENSCHENHAND DURCH GOTT THUN KAN DAS SIEHT MAN HIER MIT WUNDER AN“ zu lesen.

Die Rückseite zeigt einen Aufriss des Bergwerkes mit den unterirdischen Anlagen. An der Oberfläche sind Pferde- und Handgöpel im Betriebsmodus dargestellt. Rechts ist ein Schacht, in welchem eine an einer Kette befestigte Fördertonne nach oben gezogen wird. In der Mitte ist der Hauptschacht mit Leitern für den Ein- und Ausstieg sowie der Radstube und dem Schöpfwerk zu sehen. Von diesem Schacht gehen auf verschiedenen Ebenen Stollen ab, in welchen sich Bergleute bei der Arbeit befinden. Oben ragt eine Hand aus den Wolken, die eine Münze mit den gekreuzten Schwertern des kursächsischen Wappens hält.

Auf dem Rand der Medaille steht „*ZUM MEISNER ROTHENFURTH, HAT AUF ST. ANNEN SCHACHT *BEY FREYBERG, GOTT UND FLEIS, UNS DIESE AUSBEUT BRACHT. A°. 1690“.

Die Nutzung der Dampfkraft führte auch im Bergbau zu völlig neuen Möglichkeiten, die im Zuge der Industriellen Revolution erschlossen wurden.

Der Mensch feiert sich als Beherrscher der Natur

Die Darstellung, eine Arbeit des kursächsischen Stempelschneiders Martin Omeis, weist mit ihrer auffälligen Vorliebe für technische Details in dieselbe Richtung wie die stolze Devise auf der Vorderseite des Gepräges: Sie feiert die Beherrschung und Umgestaltung der Natur durch den Menschen und ist damit Ausdruck eines ganz neuen Blickes auf die Welt, welche als ein zu berechnender und damit grundsätzlich handhabbarer Wirkungszusammenhang gesehen wird. Genau so eine Perspektive wurde von den rationalistischen Philosophen der Aufklärung wie Isaac Newton in England, Gottfried Wilhelm Leibniz in Deutschland und Jaques Leclerc du Buffon in Frankreich vertreten, die alle auch ein großes Interesse an der praktischen Nutzbarmachung und technischen Umsetzung ihrer Theorien vereinte. Das führte in der Folge zu einem (bis heute anhaltenden) Primat der Naturwissenschaften sowie zu einem ungeheuren Entwicklungsschub im Ingenieurwesen und beim Maschinenbau.

Bald nach Beginn des 18. Jahrhunderts wurde in England die Nutzung der Dampfkraft für den Antrieb von größeren Maschinen entdeckt, welche im Gegensatz zu den bis dahin genutzten natürlichen Energiequellen wie Wasser und Wind unabhängig und bei konstanter Leistung zum Einsatz gebracht werden konnte. In großem Stil gelangte diese Erfindung zunächst vor allem im Bergbau zur Anwendung; aber mit der Entwicklung von dampfgetriebenen Spinnmaschinen und mechanischen Webstühlen griff sie bald auch auf die Textilindustrie über. Der Bau der ersten fahrtüchtigen Lokomotiven stellte schließlich das gesamte Verkehrs- und Transportwesen auf eine neue Basis. Dies war der Auftakt zu jener „industriellen Revolution“, die sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts über ganz Europa ausbreiten und die Gesellschaft nachhaltig verändern sollte.

Zum Weiterlesen

  • Paulinyi / U. Troitzsch, Propyläen-Technikgeschichte Bd. III, Ulm 1997
  • K. Müseler, Bergbaugepräge, dargestellt auf Grund der Sammlung der Preussag AG, Bd. I+II, Hannover 1983

 

Das Thema Bergbaugepräge können Sie auch in diesem Film vertiefen, in dem Münzen der Preussag AG vorgestellt werden.

In unserem Who’s who haben wir auch den Autor dieses Beitrags, Wilhelm Müseler, vorgestellt.