Blaschegg, Dr. med. Max (1930-2021)

Sammlungen erzählen nicht nur Kulturgeschichte, sondern oft auch persönliche Geschichte. Auf kaum eine Sammlung trifft das mehr zu als auf jene von Dr. Max Blaschegg, einem Freund der Firma Leu Numismatik, der letzten Dezember (2021) nach einem langen und erfüllten Leben von uns gegangen ist. In der Trauer liegt ein gewisser Trost darin, dass die spannende Biografie und der liebenswürdige Charakter von Dr. Blaschegg in seinem numismatischen Lebenswerk fortleben werden – seine Artikel zu Brakteaten, aber auch die tausende liebevoll gestalteten Münzumschläge bleiben der Nachwelt erhalten und fügen seiner eigenen Geschichte nun postum ein weiteres Kapitel hinzu. Es war der ausdrückliche Wunsch des Sammlers, seine Münzen nach seinem Tod durch eine online-Versteigerung der Leu Numismatik wieder in den numismatischen Kreislauf zurückzuführen. Dies ist nun in der Webauktion 22 vom 20.-21. August 2022 geschehen.

Max Blaschegg kam am 13. August 1930 in Linz, Österreich, als jüngstes von drei Kindern von Dr. Karl Blaschegg (1891-1951) und Wilhelmine Blaschegg geb. Hainbucher (1898-1981) zur Welt. Geboren in eine Arztfamilie – Vater Karl war Zahnarzt, der Großvater ein Bader (Chirurg) aus Salzburg – wurde ihm früh ein Medizinstudium ans Herz gelegt. Trotz seiner durch das humanistische Gymnasium geprägte Liebe zur Geschichte und Numismatik folgte der junge Max der väterlichen Empfehlung und studierte in Innsbruck und Wien Medizin. Als ausgebildeter Arzt und Facharzt für Zahnheilkunde zog es ihn 1959 in die Schweiz, wo er sich in der Psychiatrischen Klinik Oberwil/ZG und an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie weiterbildete. Nach weiteren Stationen in der Inneren Medizin und in der Neurologie am Kantonsspital Luzern kehrte er 1969 als Oberarzt nach Oberwil zurück und arbeitete von dort aus auch in der Kinderpsychiatrie. Anfang 1977 übernahm er eine Oberarztstelle in der neu gegründeten Psychiatrischen Klinik Hard in Embrach und baute dort die akutpsychiatrische Station auf. Von 1988 bis zu seiner Pensionierung 1995 war er zuletzt noch als psychiatrisch-psychotherapeutischer Oberarzt in der Psychiatrischen Klinik Hohenegg in Meilen tätig.

1972 lernte er im Beruf seine zukünftige Ehefrau Dr. med. Irma Honsalek kennen. Neben dem gemeinsamen beruflichen Interesse verband das Ehepaar Dr. Max Blaschegg und Dr. Irma Blaschegg-Honsalek die Liebe zur Geschichte und Kunst, zur alten Musik und zum Reisen, und so begleitete seine Gattin ihn auch zu numismatischen Tagungen und Referaten. Im Jahr 1995 ging Dr. Max Blaschegg schließlich nach einem erfüllten Berufsleben in den wohlverdienten Ruhestand.

Dr. Karl Blaschegg (1891-1951).

Dr. Max Blaschegg war zeitlebens historisch interessiert und begann schon früh, sich mit Geschichte im Allgemeinen und der Numismatik im Besonderen auseinanderzusetzen. Zwei seiner ersten Münzen erwarb er, wie seine minutiösen Aufzeichnungen ergeben, 1942 im Alter von zwölf Jahren, es handelt sich um einen Bayerischen und einen Braunschweiger Taler (Lose 973 und 1045). Von da an sollte ihn die Passion ein Leben lang begleiten und so baute Dr. Max Blaschegg in den folgenden fast acht Jahrzehnten – anfänglich zusammen mit seinem Vater Karl, nach dessen Tod 1951 allein – eine umfangreiche Sammlung von mehreren tausend Münzen auf. Vater und Sohn teilten sich die gemeinsame Passion auf: Karl konzentrierte sich auf römische und habsburgische Münzen, Max auf das antike Griechenland und das neuzeitliche Deutschland.

Nach dem Ableben von Dr. Karl Blaschegg übernahm sein Sohn dessen Sammlung und integrierte sie in die seine. In den folgenden Jahren weitete Dr. Max Blaschegg nach und nach seine Sammelgebiete aus, zu den alten Schwerpunkten Deutschland und Habsburg kamen neue wie Byzanz, italienisches Mittelalter und Neuzeit und insbesondere Brakteaten hinzu. So entstand über viele Jahrzehnte eine klassische Universalsammlung, von der griechischen Antike bis hin zu aktuellen Euro-Kursmünzen. Römische Sesterzen, Brakteaten des Mittelalters, normannische Prägungen, italienische Renaissance, Habsburger Taler, Münzen des deutschen Kaiserreiches und aller Herren Länder, es ist ein vielfältiges Panorama der abendländischen Numismatik. Fast noch bemerkenswerter ist, dass Herr Dr. Blaschegg für jede einzelne seiner Münzen – ob wertvoller Rheingolddukat oder einfacher 10 Euro Cent – von Hand einen eigenen Münzumschlag zuschnitt, faltete und zusammenklebte, und diesen dann vorne mit seiner Schreibmaschine mit einer exakten Bestimmung und hinten handschriftlich mit einer Provenienz versah. Vielseitig begabt, lagerte er die tausenden von Münzen in ihren selbstgebastelten Umschlägen nach einer stringenten Ordnung in fünfzig von ihm mit thematisch passenden Motiven handbemalten Holzboxen.

Von besonderem Interesse sind insbesondere die akribisch angegebenen Provenienzen der Münzen, bilden sie doch verschiedenste Epochen aus der Geschichte des Münzhandels der vergangenen acht Jahrzehnten ab. Während des Krieges kaufte der junge Max Blaschegg ab 1942 seine frühen Münzen beim Dorotheum in Wien und bei O. Helbing in München. Dass der Münzhandel auch durch die Zerstörungen des 2. Weltkrieges nicht dauerhaft unterbrochen wurde, zeigen weitere Münzkäufe beim Dorotheum in Wien ab November 1945. Nach seinem Umzug in die Schweiz im Jahr 1959 kam Herr Dr. Blaschegg bald mit Dr. F. Sternberg in Kontakt, den er fortan jährlich ein- bis zweimal besuchte und der ihn numismatisch über Jahrzehnte hinweg beraten sollte. Herr Dr. Blaschegg besuchte zudem regelmäßig die bekannten Schweizer Münzbörsen und kaufte dort von den verschiedenen renommierten Häusern wie die Münzen & Medaillen AG und der Leu Numismatik. In späteren Jahren erwarb er auch in internationalen Versteigerungen neue Stücke, und verschloss sich selbst im hohen Alter nicht technologischen Innovationen wie dem aufkommenden Internethandel.

Eine besondere Liebe verband Herr Dr. Max Blaschegg mit mittelalterlichen Brakteaten und Pfennigen. Auf Anregung von Prof. H.-U. Geiger publizierte er 2000 eine ausführliche Arbeit über die Freiherren von Krenkingen und ihre Münzstätte Tiengen, sowie in der Folge Aufsätze zum Münzschatz von Wolsen mit St. Galler Pfennigen und zu den Strassburger Lilienpfennigen. Eng verbunden war er zudem mit dem Münzkabinett Winterthur, wo er über viele Jahre ehrenamtlich Münzfunde bearbeitete, u.a. den Münzfund von Winterthur-Haldengut.

Die Vita von Herrn Dr. Max Blaschegg wäre unvollständig, würden wir nicht auch sein umfangreiches soziales Engagement hervorheben. Über viele Jahre hinweg unterstützte er gemeinnützige Organisationen wie die Caritas, Ärzte ohne Grenzen, IKRK, Ärzte für soziale Verantwortung, WWF, Pro Natura und viele weitere Tier- und Umweltschutzorganisationen. Seine Maxime lautete, den gleichen Betrag an soziale Zwecke zu spenden, wie er für die Numismatik ausgab. Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft zeichneten ihn Zeit seines Lebens aus – und darüber hinaus: in seinem Testament legte Herr Dr. Blaschegg nämlich fest, dass die Erlöse aus dem Verkauf seiner Münzsammlung, die er der Leu Numismatik AG kurz vor seinem Ableben zur Versteigerung anvertraut hat, zur Hälfte an gemeinnützige Organisationen gehen sollen.

Herr Dr. Max Blaschegg wohnte in Freienstein ZH, nur rund 20 Fahrminuten von unseren Geschäftsräumen an der Stadthausstrasse 143 in Winterthur entfernt. Immer wenn er bei uns Münzen ersteigerte, kam er persönlich vorbei und genoss es, sich mit uns über die ersteigerten Stücke und aktuelle Themen auszutauschen. Auch im hohen Alter stieg er noch langsam, aber bestimmt die Treppe hoch und begrüßte die Mitarbeiter mit der ihm eigenen, freundlichen Stimme. Anekdoten aus seinem spannenden Leben erheiterten die Stimmung und führten uns den unermesslichen Erfahrungsschatz eines Zeitzeugen der vergangenen neun Jahrzehnte vor Augen.

Herr Dr. Max Blaschegg ist am 9. Dezember 2021 im Alter von 91 Jahren nach einem langen und erfüllten Leben verstorben. Er war ein passionierter Sammler und ein erfahrener Numismatiker, vor allem aber ein ungemein liebenswürdiger und hilfsbereiter Mensch. Max Blaschegg wird uns allen sehr fehlen.

 

Dieser Artikel wurde zuerst in einem Auktionskatalog des Auktionshauses Leu Numismatik veröffentlicht.