Ägypten war schon unter den Pharaonen das am intensivsten verwaltete Gebiet der alten Welt. Alles war geregelt. Wer wie viel Steuern abführte, welcher Bauer auf welchem Feld welche Frucht säte und – später, unter den Ptolemaiern – mit welchem Geld im Basar, auf dem Markt gezahlt wurde.
Satellitenbild des Nildeltas. Foto: NASA / Wikipedia.
Gleichzeitig war Ägypten ein Land, in dem sich die Aus- und Einreise fremder Händler bequem überwachen ließ. Im Sumpf des Nildeltas gab es nur wenige Häfen, in denen ein Handelsschiff bequem ankern konnte. Im Westen und Osten hielt die Wüste Handelskarawanen ab. So musste also, wer immer nach Ägypten kommen wollte, um hier Getreide oder die kostbaren Erzeugnisse der Handwerker einzukaufen, das Land an einer offiziellen Grenze betreten – in der Antike ein ziemlich einzigartiger Zustand.
ÄGYPTEN. Ptolemaios I., 305-282. Tetradrachmon, 295/4-293/2, Alexandria. Gewicht: 14,16 g. Aus Auktion Gorny & Mosch, München 165 (2008), 1435.
Er gab dem Herrscher von Ägypten die Möglichkeit, nicht nur die Einreise zu kontrollieren, sondern auch den Geldumlauf. Ptolemaios I. hatte als erster die unglaubliche Chance gewittert, die sich ihm im Sonderfall Ägypten für eine unauffällige Steuer bot. Er ließ seine Münzstätte Tetradrachmen prägen, deren Gewicht weit unter dem der anderen Tetradrachmen lag, die für Handelszwecke gefertigt wurden.
ATHEN. Tetradrachmon, 337-294. Gewicht: 17,09 g. Slg. Dewing 1634. Aus Auktion Gorny & Mosch, München 165 (2008), 1260.
Wer immer in sein Reich kam, musste die eigenen Münzen in ägyptische umtauschen und das im Verhältnis 1:1. Ein netter Verdienst für den Herrscher, eine Art Umsatzsteuer, die den Herrn des Landes Jahrhunderte lang reich machte, weil Ägypten eben das wichtigste Exportland der antiken Welt war.
Augustus erobert Ägypten
Wer Ägypten beherrschte, war also reich. Er war sogar sehr reich, so reich, dass keiner der ehrwürdigen Väter im römischen Senat seinen Kollegen zutraute mit diesem Reichtum verantwortungsvoll umgehen zu können. Dies soll der Grund gewesen sein, warum die Römer zögerten, das schwache Königreich am Nil zu annektieren.
ZYPERN. Kleopatra VII., 50-31. AE, 36/5, Orthosia. RPC 4501. Aus Auktion Künker, Osnabrück 133 (2007), 8276.
Erst Augustus unterwarf Ägypten nach der Schlacht von Actium im Jahre 31 v. Chr. Nach seinem Sieg über die ägyptische Flotte und das Landheer des Marcus Antonius marschierte er an der Spitze seiner Soldaten nach Alexandria. Am 1. August des folgenden Jahres vernichtete er die letzten Überreste der Streitmacht des Marcus Antonius. Der Rest ist bekannt. Ägypten wurde erobert. Marcus Antonius und Kleopatra endeten durch Selbstmord. Kaisarion, der leibliche Sohn Caesars, wurde ermordet.
NUMIDIEN. Juba II., 25 v.-23 n. Chr. und Kleopatra Selene. Denar, 11 n. Chr. Aus Auktion Künker, Osnabrück 133 (2007), 8295.
Nur die drei minderjährigen Kinder der ägyptischen Königin von Marcus Antonius überlebten. Sie wurden nach Rom geschleppt, um dort den Triumphzug zu schmücken. Kleopatra Selene ist die einzige von ihnen, von der wir nach dem Sieg des Octavian über Ägypten noch Nachricht haben: Sie wurde nach Ende des Triumphzugs Octavia, der Schwester des Octavian, zur Erziehung übergeben und um 20 v. Chr. als Belohnung an den loyalen Fürsten Juba II. von Numidien weitergereicht.
Augustus, Herrscher über Ägypten 30 v.-14 n. Chr. AE, ohne Jahreszahl. Rv. Weinkanne. Künker 89 (2004), 1731.
Nach seinem Sieg stand Octavian vor dem Problem, wie er den Reichtum Ägyptens für seine Zwecke ausnutzen konnte, ohne die Kontrolle über die immensen Ressourcen teilen zu müssen. Theoretisch hatte alles ägyptische Land dem Pharao gehört und Augustus schlüpfte in dessen Rolle. Er übernahm das Land zwar als Teil des römischen Reiches, aber gleichzeitig als seinen persönlichen Besitz, der nicht durch einen Senator, sondern durch einen von ihm selbst ernannten Ritter verwaltet wurde. Gleichzeitig wurde es jedem Angehörigen der senatorischen Schicht verboten, die Provinz Ägypten ohne Sondererlaubnis zu betreten. Ägypten sollte den Kaisern in Zukunft all das Korn liefern, das sie brauchten, um die römische Plebs zu ihren Klienten zu machen und Ruhe zu halten in der Hauptstadt am Tiber.
Augustus, Herrscher über Ägypten 30 v.-14 n. Chr. AE, ohne Jahreszahl. Rv. Halbmond und Stern. MMDe 12 (2003), 454.
Dafür war es aber nötig, das Verwaltungszentrum Alexandria zu verschonen. Das kostete Octavian eine enorme Summe. Er soll jedem Soldaten 1.000 Sesterze haben auszahlen lassen, um sein Heer für die entgangene Plünderung zu entschädigen. Gleichzeitig war es wichtig, Alexandria unter römischer Kontrolle zu halten. Die Bürger der Stadt durften sich deshalb, anders als in den meisten anderen Städten, nicht selbst verwalten. Octavian nahm den Alexandrinern ihre zentrale Institution weg, den Stadtrat, so dass den Bürgern jede legale Möglichkeit fehlte, auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen.
Livia, Gemahlin des Augustus. AE, 11/2. Rv. Athena. Heidelberger Münzhandlung 20/I (1997), 146.
Dass Octavian gleichzeitig die angehäuften Schätze des Landes durch Konfiskationen und Sondersteuern abschöpfte, ist wohl selbstverständlich. Der zukünftige Augustus tat dies so gründlich, dass er seine Soldaten bezahlen und alle in Italien aufgelaufenen Schulden begleichen konnte, und trotzdem eine gewaltige Summe übrig behielt. Der Zinssatz in Rom soll wegen des enormen Zustroms an Kapital von 12 auf 4 % zurückgegangen sein.
Germanicus in Ägypten
Ägypten blieb wohl gehüteter kaiserlicher Besitz. Und die Anordnung, die Senatoren das Betreten des Landes verbot, war sehr, sehr ernst gemeint. Wie ernst, zeigt der Fall des Nero Claudius Germanicus, des Adoptivsohns des Tiberius, der im Jahre 19 n. Chr. aus Dummheit oder berechnendem Machthunger das kaiserliche Gesetz brach.
Tiberius, 14-37. Tetradrachmon, 20/1. Rv. Kopf des Augustus mit Strahlenkrone n. r. Münzhandlung Basel 6 (1936), 6.
Germanicus musste sofort einen Rückzieher machen. Tiberius rügte seinen potentiellen Nachfolger so scharf, dass dieser per Dekret die von ihm hingerissenen Ägypter aufforderte, von weiteren Sympathiekundgebungen ihm gegenüber abzusehen. Was auch immer Germanicus mit seiner Reise nach Ägypten vorhatte, er konnte es nicht mehr ausführen. Denn ein halbes Jahr später war er tot. Die Gerüchteküche wollte wissen, dass ihn der Statthalter von Syrien vergiftet hatte.
Die Griechen, die Juden und Rom
Alexandria war eine Weltstadt, Menschen aus aller Herren Länder lebten in dieser antiken Metropole. Ägypter allerdings gab es wenig in der Stadt. Sie lebten eher auf dem Land, bauten das Getreide an, das den wahren Reichtum des Landes ausmachte. Handel und Verwaltung lagen seit der Eroberung Ägyptens durch Alexander in den Händen der griechischen Oberschicht. Daneben spielte noch die sehr große und extrem reiche jüdische Gemeinde im städtischen Leben eine Rolle. Sie genoss die besondere Förderung der römischen Kaiser, konnte aber trotzdem sozial nicht mit den griechischen Einwohnern Alexandrias konkurrieren. Grund dafür war das Bürgerrecht: Während die griechischen Einwohner Alexandrias, die wir kurz als Alexandriner bezeichnen wollen, ein Bürgerrecht besaßen, das ihnen nicht nur Steuererleichterungen bot, sondern auch Schutz vor Übergriffen der römischen Justiz, waren die Juden trotz all ihres Reichtums rechtlich gesehen den einheimischen Ägyptern gleichgestellt.
Agrippa I., 37-44. AE, Jahr 6 (41/42), Jerusalem. Av. Sonnenschirm, Rev. Drei Ähren. Meshorer, Treasury 120. Aus Auktion Künker eLive Auction 19 (2013), 264.
Immer wieder kam es deshalb zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen zu schweren Ausschreitungen, so zum Beispiel im Sommer des Jahres 38 n. Chr. Damals besuchte der jüdische König Agrippa I. die jüdische Gemeinde. Er wurde mit allem Pomp empfangen, den die reichen Juden für Geld kaufen konnten. Dies sorgte für Unmut unter den griechischen Mitbürgern. Die Irritation über all das verschwendete Geld entlud sich in wilden Umzügen, in denen der Einzug des jüdischen Königs karikiert wurde.
Leider unterstützte der römische Statthalter die antisemitische Bewegung. Statt abzuwiegeln, schürte er das Feuer. Er ließ an 38 Mitgliedern des jüdischen Ältestenrats eine Körperstrafe mit der Peitsche vollziehen, um damit zu zeigen, dass die Mitglieder der jüdischen Gemeinde den Ägyptern gleichgestellt waren. Wäre ein Grieche bestraft worden, hätte er „nur“ mit dem Stock geschlagen werden dürfen.
Die Situation eskalierte, als eine Gruppe von Juden am 31. August des Jahres 38 unter Androhung der Todesstrafe und in Anwesenheit des Statthalters gezwungen wurde, Schweinefleisch zu essen. Doch damit hatte der Vertreter Roms seine Macht überschätzt. Er wurde verhaftet und musste sich in Rom vor dem Kaiser rechtfertigen.
Natürlich kühlte dies die aufgeheizte Stimmung nicht gerade ab. Weiterhin kam es zu Ausschreitungen auf beiden Seiten. Nun sollte der Kaiser eine Lösung finden, wie man in Alexandria friedlich miteinander leben könnte. Juden und Alexandriner schickten eine Gesandtschaft nach Rom, wobei die Alexandriner anscheinend besser das trafen, was Caligula hören wollte. Sie wiesen darauf hin, dass ihre Gegner „dem Kaiser nicht die gebührende Ehre erwiesen. Denn während dem Caius im ganzen römischen Reich Tempel und Altäre erbaut seien und er ebenso wie andere Götter verehrt werde, hielten sie allein es für unziemlich, ihm zu Ehren Statuen zu errichten oder bei seinem Namen zu schwören.“ Die Juden hatten also einen schweren Stand, doch die Ermordung des Caligula am 24. Januar des Jahres 41 befreite sie aus ihrer misslichen Lage.
Claudius, 41-54. Tetradrachmon, 45/6. Rv. Messalina frontal stehend. Münzhandlung Basel 6 (1936), 44.
Claudius, sein Nachfolger, weigerte sich in seinem Reskript vom 10. November 41, irgendeiner Partei den schwarzen Peter zuzuschieben. Er ordnete an, Frieden zu halten und nicht nach Privilegien zu streben, die einem nicht zustünden (das galt den Juden, die für sich das alexandrinische Bürgerrecht reklamierten). Doch damit war ein Frieden zwischen den zwei streitenden Parteien noch lange nicht in Sicht.
Lesen Sie im zweiten Teil, wie die Spannungen zwischen Griechen und Juden eskalierten und blutige Folgen nach sich zogen.
Die anderen Teile dieser Reihe finden Sie hier.
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