Grausamer Caracalla?
Caracalla, der Sohn des Septimius Severus, sollte Alexandria unter wesentlich ungünstigeren Bedingungen besuchen als sein Vater. Und dabei freuten sich die Alexandriner auf sein Kommen, das für das Jahr 215 geplant war. Schließlich kannten sie Caracalla schon als Kind. Er hatte in Begleitung seines Vater das Land bereits bereist. Sein Einzug wurde prachtvoll gefeiert:
Caracalla, 198-217. AE, 212/3. Rv. Kaiser als Feldherr von Sarapis bekränzt. CNG 12 (1990), 287.
„[Caracalla] befahl, Hekatomben und vielfältige Sühneopfer vorzubereiten. Als dies den Alexandrinern gemeldet wurde, die von Natur aus äußerst leichtsinnig sind und sich bei den geringsten Anlässen zur Raserei steigern können, gerieten sie außer sich über das Vorhaben des Kaisers und seine Liebe zu ihnen. So wurde ihm ein Empfang bereitet, wie er angeblich noch nie einem Kaiser zuteil geworden sein soll. Überall waren sämtliche Arten von Chören aufgestellt und ließen allerlei Arten von Musik erschallen, Schwaden von Wohlgerüchen und Weihrauch wehten dem Einziehenden entgegen, und sie ehrten den Kaiser mit Fackelzügen und überhäuften ihn mit Blumen. Als er dann mit dem ganzen Heer in der Stadt eingezogen war, ging er zunächst zum Tempel [des Sarapis], brachte viele Hekatomben dar und opferte an den Altären reichlich Weihrauch; dann ging er zum Grabmal Alexanders und legte den Purpurmantel, seine mit kostbaren Edelsteinen besetzten Ringe, seine Militärgürtel und was er sonst Wertvolles trug, ab und weihte es auf dem Sarg.“ (Herodian 4, 8, 7-9).
Artabanos IV., 80-90 n. Chr. Drachme, Ekbatana. Aus Auktion Gorny & Mosch – Stuttgart 1 (2010), 298.
Für Feste waren die Alexandriner eben immer zu haben. Einem anderen Anliegen des Kaisers brachten sie weniger Verständnis entgegen: Caracalla sammelte sein Heer für den großen Feldzug gegen die Parther. Er sah sich als Nachfolger des Alexander, der das Reich im Osten besiegen würde. Und zu diesem Zweck hätte er zu gerne eine Reihe der Nachkommen der Makedonen dabei gehabt, die ja seinem Wissen nach einst das Ptolemaierreich besiedelt hatten. Doch die Alexandriner der Zeit Caracallas hatten nichts mit den kriegerischen Makedonen gemein, im Gegenteil: Sie entzogen sich der Rekrutierung, warfen gar aus Protest gegen diese Zumutung ein paar Kaiserstatuen um. So etwas ist immer ein Fehler, wenn gerade ein kaiserliches Heer mitten in der Stadt steht.
Büste Caracallas. Pergamonmuseum, Berlin. Foto: UK.
Caracalla ließ sich die Magistrate kommen – schließlich besaß die Stadt seit Septimius Severus wieder einen politisch verantwortlichen Stadtrat – und bestrafte sie stellvertretend für ihre Mitbürger. Das löste weitere Unruhen aus, die von Caracalla mit Gewalt beantwortet wurden, was wieder Unruhen auslöste und so weiter und so fort bis es schließlich zu dem berüchtigten Blutbad kam, das die antiken Autoren so genüsslich schildern, um damit die Bösartigkeit des Caracalla zu illustrieren: „Weiter reiste er nach Alexandria, berief das Volk in das Gymnasium und beschimpfte es; er befahl auch, die Tauglichen zum Kriegsdienst auszuheben. Er ließ jedoch die Rekrutierten niedermachen … Außerdem richtete er in Alexandria ein großes Blutbad an, indem auf ein Signal die Soldaten ihre Quartiergeber niedermachen mussten.“ (Historia Augusta, Caracalla 6, 2-3)
Wie auch immer, der Aufstand wurde niedergeschlagen. Caracalla erließ besondere Regelungen, um in Zukunft solche Ausschreitungen zu verhindern. Dazu gehörte die Anordnung, dass sämtliche Schauspiele und öffentlichen Gastmähler verboten seien, weil sie zu große Menschenmassen anlocken würden und dadurch einen guten Nährboden für Aufstände böten. Ferner teilte der Kaiser die gewaltige Stadt durch mehrere Mauern in verschiedene Stadtteile, die leichter zu überwachen waren. Und nicht zu vergessen, nach seinem Besuch verließ keine alexandrinische Münze mehr die Münzstätte, jedenfalls unter seiner Herrschaft. Erst unter Macrinus wurde vorsichtig die Prägung wieder aufgenommen.
Ardashir I. empfängt den Ring der Macht von Ahuramazda. Felsenrelief von Naqsh-e-Rostam. Foto: Ginolerhino / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en
Neuanfang mit römischer Hilfe
In den 20er Jahren des 3. Jahrhunderts hatte der Sasanide Ardaschir I. den alten Gegner des römischen Reichs, die Parther besiegt, und ein eigenes Reich eingerichtet, das eine wesentlich aggressivere Außenpolitik betrieb als seine Vorgänger es je getan hatten. Man wird in Rom sehr bald gesehen haben, dass im Osten eine neue Auseinandersetzung unmittelbar bevorstand. Um diese logistisch vorzubereiten, galt es, die Infrastruktur auf den neuesten Stand zu bringen, und dazu gehörte es eben auch, die alte Münzstätte von Alexandria wieder in Stand zu setzen. Vorläufig waren die wenigen übrig gebliebenen Arbeiter nicht in der Lage, all die Münzen herzustellen, die nötig waren, um die Mobilmachung Ägyptens zu bezahlen.
Severus Alexander, 222-235. Tetradrachmon, 224/5, Münzstätte Alexandria. Rv. Büste des Sarapis n. r. Blancon, Liste 31 (1999-2000), 344.
Deshalb stellte man in den Jahren 4, 5 und 7, also 224/5, 225/6 und 227/8, alexandrinische Tetradrachmen in Rom her und verschiffte sie nach Ägypten. Für uns sind die römischen von den einheimischen Tetradrachmen leicht zu unterscheiden. Sie zeigen einen völlig anderen Stil und die Jahreszahl der Rückseite erscheint nie abgekürzt, sondern immer ausgeschrieben.
Severus Alexander, 222-235. Tetradrachmon, 224/5, Münzstätte Rom. Rv. Büste des Sarapis n. r. Dürr-Michel (1998), 645.
Es gelang den Römern unter Führung ihres Kaisers Severus Alexander in den Jahren 232 und 233, den sasanidischen Angriff zurückzuschlagen. Doch bereits kurz nach der Ermordung des jungen Kaisers 235 fielen die Reiter des Ardashir wieder in Mesopotamien ein.
Ein Felsrelief im iranischen Naqsh-e Rostam zeigt den Triumph Schapur I. über den römischen Kaiser Valerian. Foto: Fabienkhan / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/deed.en
Die geteilte Stadt
Die Sasaniden sollten fortan eines der größten Probleme der römischen Außenpolitik darstellen. Im Jahr 260 geriet sogar erstmals ein Kaiser in Gefangenschaft, Valerianus, der im Osten gekämpft hatte, während sein Sohn Gallienus den Westen hielt.
Macrianus, 260-261. Tetradrachmon, 260/1. Rv. Adler n. l. stehend. Auctiones 26 (1996), 491. Während die reichsrömischen Münzen des Macrianus und Quietus ziemlich selten sind, begegnet man ihren Prägungen in der alexandrinischen Münzprägung zwar nicht häufig, aber doch gelegentlich.
Gegen letzteren erhoben sich Macrianus …
Quietus, 260-261. Tetradrachmon, 260/1. Rv. Adler n. l. stehend. Blancon, Liste 31 (1999-2000), 622.
… und Quietus. Sie fanden große Unterstützung im Osten. Ihre Herrschaft auch auf den Westen auszudehnen, gelang allerdings nicht. Ihr Heer wurde 261 in Thrakien geschlagen. Macrianus kam während des Kampfs ums Leben. Quietus wurde auf seiner Flucht von Septimius Odaenathus von Palmyra, dem Ehemann der berühmten Zenobia, getötet.
Damit hatten die Anhänger der beiden Usurpatoren ihren Rückhalt verloren. Ihnen stand auf jeden Fall eine strenge Bestrafung durch Gallienus bevor. Kein Wunder, dass Mussius Aemilianus, der Präfekt von Ägypten, die Flucht nach vorne antrat. Statt sich widerstandslos dem Gallienus zu unterwerfen, ließ er sich zum Kaiser ausrufen.
Gallienus, 253-268. Tetradrachmon, 261/2. Rv. Adler mit Kranz und Palmzweig n. l. stehend. Blancon Liste 31 (1999-2000), 542. Auch wenn trotz der Unruhen in Alexandria im Jahr 261 geprägt wurde, ist die Emission wesentlich kleiner, sind die Münzen dieses Jahrgangs wesentlich seltener als die gleich aussehenden anderen Stücke. Nur fünf verschiedene Münztypen wurden 260/1 geprägt, im darauf folgenden Jahr, aus dem unser Stück stammt, sind es dann schon wieder 18 Typen.
Alexandria bekam dies schlecht. Gallienus schickte nämlich ein Heer, dem es sofort gelang, einen Teil der Stadt zu erobern. Mussius Aemilianus konnte aber das Griechenviertel und die Gegend um den Palast halten, so dass die berühmte Prachtstraße von Alexandria auf einmal zur Demarkationslinie wurde zwischen den reichsrömischen Truppen und denen des ägyptischen Usurpators.
Wir haben eine zeitgenössische Quelle, die uns den unhaltbaren Zustand schildert, und zwar schrieb Dionysios, Bischof von Alexandria, im Jahre 261: „Es wäre leichter … von Ost nach West zu reisen, als von einem Ende Alexandrias zum anderen Ende Alexandrias zu gehen. Die Straße, die durch das Zentrum der Stadt verläuft, ist schwierig zu überqueren und noch unzugänglicher als die große, weglose Wüste, die Israel zwei Generationen lang durchzog.“ (Eusebius, Kirchengeschichte 7, 21, 4).
Irgendwann vor dem 30. März 262 setzte sich die römische Zentralmacht durch. Alexandria wurde erobert, Mussius Aemilianus getötet. Doch wiederum erhob sich ein Anhänger des vernichteten Thronprätendenten, Memor, ein hochrangiger Provinzbeamter unter Mussius. Auch er wurde von der Zentralmacht vernichtet, was erneut hohe Opfer an Menschen forderte.
Von Zenobia, der Königin Palmyras, erfahren Sie mehr in der nächsten Folge.
Die anderen Teile dieser Reihe finden Sie hier.
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