Die Königin von Palmyra
Mit der Niederschlagung des Aufstands des Mussius Aemilianus waren die Auseinandersetzungen um Alexandria noch lange nicht beendet. Schon neun Jahre später kam das nächste Invasionsheer, um sich in den Besitz dieser wichtigen Handelsmetropole zu setzen.
Blick auf die Hauptstadt des Königreichs von Palmyra. Foto: diemert / http://creativecommons.org/licenses/by/1.0/deed.en
Vorausgegangen war ein großer Machtzuwachs für die Stadt Palmyra. Sie gehörte seit dem Anfang des 1. Jahrhunderts n. Chr. zum römischen Reich. Dieses hatte aber im 3. Jahrhundert immer mehr Probleme, Palmyra und die hier vorbeilaufende Seidenstraße in den Fernen Osten zu schützen. So setzten die Palmyrer auf Eigeninitiative. Sie erhoben Septimius Odaenathus, einen ihrer führenden Mitbürger zum Exarchen, zum Stadtoberhaupt. Die Römer unternahmen nichts dagegen, im Gegenteil: Odaenathus wurde um 250 zum Senator gemacht, 257/8 ernannte ihn Valerianus zum Statthalter der Provinz Syrien Phoenice. Auch Gallienus praktizierte die Zusammenarbeit. Er ernannte den Klientelkönig zum dux Romanorum (= Feldherr der Römer) und zum corrector totius Orientis (= Aufrichter des ganzen Ostens). In dieser Funktion gelang es Odaenathus 262/3, die römische Provinz Mesopotamien zurückzuerobern und bis Ktesiphon vorzudringen. Dieser gewaltige Erfolg war für ihn der Grund, sich für selbstständig zu erklären und den Titel „König der Könige“ anzunehmen.
Lange konnte er sich dessen nicht freuen. Denn als ihn ein Einfall der Goten nach Kleinasien rief, wurde er im Jahr 267 in Herakleia Pontika zusammen mit seinem ältesten Sohn ermordet.
Zurück blieben seine Witwe Zenobia und ihr unmündiger Sohn Vaballathus, der sofort zum Nachfolger des Odaenathus ausgerufen wurde. Zenobia übernahm für ihn die Regentschaft.
So war es also Zenobia, die im Jahre 270 ihre Truppen nach Ägypten schickte, um das Land zu erobern, solange der Präfekt an der Spitze des ägyptischen Heeres auf Befehl des Claudius Gothicus Piraten jagte. Tatsächlich gelang es Zenobia, kurzfristig das Land am Nil zu erobern. Doch ihre Truppen wurden schon im Sommer wieder verjagt: Der Präfekt hatte seinen Feldzug abgebrochen, um seine Provinz zurückzuerobern.
Noch im gleichen Jahr schickte Zenobia ein zweites Heer, wesentlich größer und wesentlich besser ausgerüstet. Diesmal musste der Präfekt fliehen und Zenobia übernahm die Kontrolle in Alexandria.
Aurelianus, 270-275, und Vaballathus. Tetradrachmon, 270/1. Av. Büste des Aurelianus mit Lorbeerkranz n. r. Rv. Büste des Vaballathus mit Diadem und Lorbeerkranz n. r. G. 3056. Blancon, Liste 31 (1999-2000), 746.
Zunächst beschränkte sie sich darauf, diese im Namen des Kaisers Aurelianus auszuüben. Doch Aurelianus wollte nichts von einem unabhängigen Osten wissen. Er setzte sein Heer gegen Alexandria in Bewegung.
Vaballathus. Tetradrachmon, 272. Rv. Büste des Sol n. r. D. 5508. Blancon, Liste 31 (1999-2000), 756.
Zenobia machte sich zu einem Krieg bereit und ließ Münzen in ihrem …
Zenobia. Tetradrachmon, 272. Rv. Büste der Selene in Mondsichel. BMC 2398. Münzhandlung Basel 6 (1936), 1281.
… und ihres Sohnes Namen ausgeben. Anfang des Jahres 272 besiegte Aurelianus das Heer der Zenobia bei Antiochia. Er marschierte weiter über Emesa nach Palmyra, das nach einer Belagerung kapitulierte.
Zenobia blickt ein letztes Mal über Palmyra. Gemälde von Herbert Schmalz.
Zenobia wurde gefangen. Während wir nichts über das weitere Schicksal ihres Sohnes Vaballathus hören, überliefert uns die Historia Augusta 30, 27, dass Zenobia ihren Lebensabend unweit von Tivoli verbrachte, nachdem sie den Triumphzug des Aurelian geschmückt hatte.
Aurelianus, 270-275. Tetradrachmon, 274/5. Rv. Nike mit Kranz und Palmzweig n. r. laufend. D. 5459. Blancon, Liste 31 (1999-2000), 741.
Sein Sieg brachte Aurelianus auch die Herrschaft über Ägypten zurück. Zenobias Statthalter wechselte die Fronten und wurde vom neuen Kaiser in Gnaden aufgenommen.
Doch schon im Frühjahr 273 gab es den nächsten Aufstand in Alexandria. Es werden wohl die unzufriedenen Anhänger Palmyras gewesen sein, die sich unter Firmus, über den wir zwar sehr viele erfundene Anekdoten kennen, aber nichts historisch Verwertbares wissen, versammelten. Aurelianus musste noch einmal nach Ägypten und schlug den Aufruhr nieder.
Diocletian gegen Domitius Domitianus
Gegen Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr. erwies sich das römische Reich in seiner damaligen Form als unregierbar. Zu viele Soldaten mussten zu viele Einfälle abwehren, immer weniger Steuerzahler hatten die hohen Verteidigungskosten zu tragen. Alte Privilegien und die uneffektive Verwaltung waren schuld daran, dass die Mittel, die in die kaiserlichen Kassen flossen, bei weitem nicht ausreichten.
Diocletianus, 284-305. Tetradrachmon, 292/3. Rv. Nike, das Regierungsjahr des Kaisers auf einen Schild schreibend. G. 3266. Heidelberger Münzhandlung 20/I (1997), 580.
Diocletian beschloss, dagegen vorzugehen. Besonders hart wurde Ägypten von seinen Reformen getroffen. Zwar hatte die Münzreform von 293 noch nicht die Abschaffung der alten alexandrinischen Tetradrachmen gebracht, aber ihre Ausgabe sollte 297 enden. Für dasselbe Jahr war eine Revision des Steuerwesens angekündigt. Zunächst fielen alle bisherigen steuerlichen Privilegien weg. Jeder war nun der Kopfsteuer unterworfen und musste Abgaben auf seine Produkte zahlen, gleich ob landwirtschaftlich oder handwerklich erzeugt. Dazu forderte Diocletian pünktliche Zahlung. Das bedeutete, dass die Ägypter nicht nur die hohen aktuellen Steuern sofort entrichten mussten, sondern auch die großen, über Jahre angehäuften Steuerschulden.
Maximianus, 286-305. Tetradrachmon, 290/1. Rv. Herakles mit Nike und Keule. D. 5904-5907. Blancon, Liste 31 (1999-2000), 1028.
Dazu erlitt vor allem Alexandria einen großen Prestigeverlust. Mit dem 30. August 297 trat die neue Einteilung der Provinz Ägypten in Kraft, die in Aegyptus, Thebais und Libya aufgespalten wurde. Alexandria verlor seinen Status als Provinzhauptstadt, konnte sich lediglich als regionales Zentrum behaupten.
Unter Wissenschaftlern ist es umstritten, ob sich Domitius Domitianus aus diesen Gründen gegen die römische Zentralmacht erhob. Überhaupt ist so ziemlich alles umstritten, was mit dem Aufstand dieses Usurpators zusammenhängt. Er könnte sich in der Thebais im Juni / Juli des Jahres 297, vielleicht aber auch schon 296 zum Gegenkaiser ausrufen haben lassen. Er scheint dabei mit dem Statthalter von Alexandria, Aurelius Achilleus, zusammengearbeitet zu haben. Wie auch immer, Diocletianus kam, und das ist wissenschaftlich gesichert, persönlich nach Ägypten. Gegen Ende des Jahres 297 scheint er Domitius Domitianus unterworfen zu haben, Alexandria und Aurelius Achilleus wohl erst 298.
Bezeichnend ist eine wohl gut erfundene Anekdote über die Bestrafung der Alexandriner, die uns bei Malalas überliefert ist: Diocletianus habe befohlen, das Morden der Alexandriner nicht eher zu beenden als bis das Blut seinem Pferd ans Knie reichen würde. Doch die Alexandriner hatten Glück. Das Pferd strauchelte und seine dadurch mit Blut befleckten Knie hielten der Überlieferung nach den Kaiser von weiteren Gewalttaten ab.
Ägypten in der Spätantike
Alexandria hatte in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts viel von seinem Wohlstand eingebüßt. Trotzdem, es erholte sich wieder. Die reichen, fruchtbringenden Fluten des Nil sorgten dafür, dass Ägypten eine Kornkammer blieb, aus der sich auch die Herrscher in Konstantinopel bedienten. Alexandria, und vor allem sein christlicher Bischof, behielten eine Sonderstellung.
Athanasius von Alexandria in einem Ikonenbildnis. Quelle: Wikipedia.
Wenn heute Christen in aller Welt das katholische Glaubensbekenntnis beten, dann geht es zurück auf den Patriarchen von Ägypten, Athanasius, persönlich wohl eher ein unangenehmer Zeitgenosse, der nichtsdestotrotz den christlichen Glauben Jahrhunderte lang prägte. Genauso übrigens wie das abendländische Mönchsleben von ägyptischen Idealen abgeleitet wurde. Auch hier hatte Athanasius die Hand im Spiel, der den ägyptischen Eremiten Antonius zum Musterbeispiel eines Monachos, eines allein dem Glauben Hingegebenen machte. Und nicht zuletzt sehen wir heute noch eine Erbin der großen, ihr Kind stillenden Muttergottheit Isis, wenn wir die wunderschönen gotischen und barocken Darstellungen der Madonna lactans betrachten. Ägypten hat vor allem in der Spätantike unser Abendland geprägt, aber das liegt schon außerhalb unseres Zeitrahmens, denn numismatisch gesehen spielte Ägypten seit Mitte des Jahres 298 keine Sonderrolle mehr im römischen, später byzantinischen Reich.
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