Die Zürcher und ihr Geld 11: Ziegler – the soldier millionaire, who would not know him?

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mit freundlicher Genehmigung des MoneyMuseum

In unserer Serie „Die Zürcher und ihr Geld“ nehmen wir Sie mit in die Welt des vergangenen Zürich. Leonhard Ziegler flüchtete 1802 als Bankrotteur nach Indien, wo er zu einem der reichsten Männer Indiens wurde – seinen Landsleuten empfahl er auch Englisch zu lernen und ins Ausland zu gehen. Dazu gibt es wie auf einer guten DVD ein Making of, also welcher numismatisch-historische Hintergrund zu diesem Gespräch gehört.

Indien 1826. Leonard Ziegler spricht auf seiner Farm mit seiner einheimischen Dienerin. Gezeichnet von Daniel Pelagatti / Atelier bunterhund. Copyright MoneyMuseum / Zürich.

Ziegler: (aus dem Häuschen vor Freude) Ich hab’s geschafft, Naikan! Ich hab’s geschafft! Endlich sind die Schulden bezahlt. Ich kann zurück nach Zürich. Das hat niemand geglaubt, als ich vor fast einem Viertel Jahrhundert Konkurs gemacht habe.

Dienerin: (schüchtern) Ja, Ziegler Sahib.

Du hättest mich sehen sollen, wie ich damals in Indien angekommen bin. Als einfacher Soldat. Aber ich habe mich hochgearbeitet. Unentbehrlich habe ich mich gemacht mit meinen Sprachkenntnissen. Sprachen können sie ja nicht, diese Engländer. Aber sonst, ein verdammt cleveres Volk! Schicken ihre Söhne in die Kolonien, damit die dort ein Vermögen verdienen. Die eine Hälfte kommt dabei um, die andere schafft’s und bringt den Reichtum heim ins Vaterland. Verdammt clever. (Stolz) Und ich habe es ihnen nachgemacht.

Ja, Ziegler Sahib.

Ich habe meine Chancen genutzt. War mir gleich klar, dass das eine einmalige Gelegenheit war, als mich dieser Major Grace seinem Freund Bond vorstellte. Der hatte eine Indigopflanzung und brauchte einen Mann, der sich drum kümmert. Da war ich genau der Richtige. 100 Rupien hat er mir im Monat gezahlt. Verdammt, das war viel Geld! Als Soldat habe ich bloß 40 Rupien bekommen.

Ja, Ziegler Sahib.

Ach ja, das waren Zeiten. Ich wäre beinahe vor Heimweh gestorben. Aber trotzdem! Weißt du, was ich getan habe, als mir meine Verwandten die 50 Louis d’or für die Heimfahrt schickten?

Nein, Ziegler Sahib.

Ich habe sie zurückgeschickt. Geschrieben habe ich ihnen, dass ich nicht komme! Der Leonhard kommt mit leeren Händen nicht wieder heim! Punktum! Und dann habe ich geschuftet. Zuerst bei dem guten Mr. Bond, als der starb bei Mr. Wyatt. Und als der an einen Bankier in Kalkutta verkaufen musste, da habe ich meine Chance gekriegt: Mr. Colvins hat mich als den alleinigen Verwalter der Plantage eingesetzt. 350 Rupien im Monat hat er gezahlt und außerdem ein Drittel vom Gewinn.

Ja, Ziegler Sahib.

Und von diesem Geld habe ich jetzt die Gläubiger befriedigt. 27.824 Gulden und 20 Schilling habe ich zurückgezahlt, genau die Hälfte von meinen 55.649 Gulden Schulden. Einen Scheck über 2000 Pfund habe ich dafür nach Zürich geschickt. Das ist eigentlich zu viel, aber meinem Bruder geht es sowieso derart dreckig, der soll das Übrige für sich verbrauchen.

(flehend) Bitte, Ziegler Sahib, was ist mit meinem Kind? Und was ist mit mir?

Ach, halt den Mund! Ich werde schon für euch sorgen.

Indigofera tinctoria. Dieser Indigo-Pflanze verdankte Ziegler seine finanzielle Sanierung auf Indiens Plantagen. Foto: Kurt Stüber / Wikipedia.

Making of:
Die Lebensgeschichte Leonhard Zieglers (*1770, †1846) führt uns in eine Zeit, in der die Händler und Fabrikanten Zürichs begannen, über Europa hinauszublicken und in fernen Kolonien gute Geschäfte zu machen. Ziegler war ein Vorreiter, der nicht müde wurde, den Zürcher Vätern ans Herz zu legen, ihre Söhne Englisch lernen zu lassen, damit die in den von England kontrollierten Ländern ihr Glück machen konnten. Tatsächlich erkundeten viele Schweizer Firmen den neuen Markt in Übersee und machten gute Geschäfte auf fernen Kontinenten.

Leonhard war der jüngere der beiden Söhne des Rentiers Jakob Christoph Ziegler. Während sein Bruder die militärische Laufbahn ergriff, eröffnete der erst 19-Jährige 1789 eine Mousselinhandelsfirma. Nach ersten Erfolgen verstrickte sich der junge Mann in riskante Geschäfte mit der Regierung. Die Franzosen hatten die alten schweizerischen Stadtstaaten zu Gunsten einer Zentralregierung abgeschafft. In ihrem Auftrag handelte Ziegler mit österreichischen Staatsanleihen, welche aber von Wien nicht anerkannt wurden, weil sie aus dem beschlagnahmten Berner Staatsschatz stammten. Dies trieb Leonhard Ziegler in den Ruin. Er hinterließ, wie man einer Liste der Gläubiger aus dem Jahr 1824 entnehmen kann, 55.649 Gulden Schulden. Das war damals zwar viel Geld – der Tageslohn eines Zürcher Zimmermanns im Rang eines Meisters betrug zwischen 1790 und 1800 etwa einen Gulden pro Tag ?, trotzdem lag dieser Konkurs eher im unteren Bereich. Die Schuldsummen, welche bankrotte Firmen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zurückließen, konnten sich zwischen 100.000 und 800.000 Gulden pro Firma bewegen.

Leonhard Ziegler musste Zürich verlassen und seine Frau reichte die Scheidung ein. Damit waren für den inzwischen 32-Jährigen alle Verbindungen zur Heimat erst einmal abgerissen. Ziegler beschloss, nach Indien zu gehen, um dort sein Glück zu versuchen. Allerdings war es schon schwierig, überhaupt nach Indien zu gelangen, weil die East India Company jedem ausländischen Privatmann das Betreten des Subkontinents strengstens untersagte. Leonhard Ziegler erreichte sein Ziel, indem er sich von der East India Company als Soldat anheuern ließ. Im Jahr 1803 betrat Ziegler Indien als gemeiner Soldat. Er konnte sich aber dank seiner Sprachkenntnisse schnell emporarbeiten. Er gewann die Protektion des einflussreichen Major Grace, der ihm eine Stellung als Verwalter bei einem Indigopflanzer vermittelte.

Indigo, ein in Europa heiß begehrter Farbstoff, war nach dem Opium, auf das die East India Company das Monopol hielt, das wichtigste Produkt Indiens. Europäische „Farmer“ gewannen es, indem sie Land kauften oder mieteten, auf dem bereits einheimische Bauern ihre Produkte anbauten. Diese Männer wurden gezwungen, einen Teil ihres Landes für die Indigoproduktion zu reservieren. Sie mussten die Saat für den Indigo zu einem von ihrem Auftraggeber festgelegten Preis kaufen und ihm die Ernte zu einem ebenfalls festgelegten Preis verkaufen. Da nur ihr Auftraggeber die Bücher führte, konnte ein gewiefter Verwalter leicht den Gewinn seines Herrn erhöhen, indem er zu dessen Gunsten abrechnete.

Leonhard Ziegler wurde ein „dschuta saab“, ein Mann, der die Verbindung zwischen dem britischen Pflanzer und den Einheimischen herstellte. Zu seinen Aufgaben gehörte es, die Indigopflanzungen zu inspizieren, wobei er gegenüber den Einheimischen durchaus Gebrauch von der Reitpeitsche machte. Auch wenn das heute auf uns moralisch mehr als bedenklich wirken mag, galt Ziegler seinen Standesgenossen als hervorragender Verwalter, weil er nicht nur die Landessprache fließend beherrschte, sondern auch zu härtester Arbeit bereit war.

In seiner neuen Stellung sah Leonhard Ziegler endlich die Möglichkeit, genug Geld zu verdienen, um all seine Gläubiger auszuzahlen und als rehabilitierter Mann nach Zürich zurückzukehren. So war er nicht mehr bereit, Almosen anzunehmen, auch wenn sie von Freunden kamen. Er retournierte im Dezember 1806 einen Wechsel über 50 neue Louis d’or und lehnte eine vorzeitige Rückkehr nach Zürich mit folgenden Worten ab: „Geduld ein wenig, wenns beliebt, und nehmt dies einstweilen als mein Ultimatum: Leonhard kommt mit leeren Händen nicht wieder heim und damit punctum.“

1808 wechselte Leonhard Ziegler auf eine andere Plantage, die von einem Mr. Wyatt geführt wurde. Zu diesem Zeitpunkt scheinen sich seine finanziellen Verhältnisse so positiv gestaltet zu haben, dass er seinem Bruder, der in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte, regelmäßig 1.000 Rupien im Jahr schickten konnte.

Britische Ostindische Kompanie. Rupee, nach 1803, Arkat. Überprägt auf einem 8 Reales-Stück von 1803 aus Peru. Künker 131 (2007), 4466.

Als Wyatt 1815 sein Land für 150.000 Rupien an einen Bankier in Kalkutta abtreten musste, war Zieglers Stunde endgültig gekommen. Er wurde zum alleinigen Leiter der Plantage und erhielt für seine Arbeit nicht nur ein Monatssalär von 350 Rupien, sondern auch eine jährliche Gewinnbeteiligung in Höhe eines Drittels des Gesamtertrags. Drei gute Ernten hintereinander brachten Ziegler genug Bargeld ein, sodass er 1818 erstmals an eine Begleichung seiner Schulden denken konnte. 1824 bot er seinen Gläubigern an, 50 Prozent der Gesamtschulden in Höhe von 55.649 Gulden zurückzuzahlen, wenn sie dafür auf alle weiteren Ansprüche verzichten würden. 1826 erhielt er ihre Zustimmung und im gleichen Jahr stellte Leonhard Ziegler einen Scheck über 2000 englische Pfund aus. Dieser Scheck dürfte damals der größte gewesen sein, den die Bürger von Zürich jemals zu Gesicht bekommen hatten.

Ostindische Kompanie. 1/3 Mohur (5 Rupees), o. J. (1820), Bombay. Künker 207 (2012), 6616.

Auch nach der Rückzahlung der Schulden summierte sich das Ziegler’sche Vermögen in Indien noch auf stolze 100.000 Rupien in bar. Außerdem hatte er für den gleichen Betrag die Wyatt’sche Plantage erworben. Und es sollte noch mehr werden. Ziegler wurde bekannt als „the soldier millionaire“, sehr zur Freude der Zürcher Verwandtschaft, der er jährlich zwischen 100 und 400 englische Pfund zur Unterstützung überwies.

Die Zürcher wurden erst unruhig, als sie auf Umwegen erfuhren, dass Leonhard Ziegler eine leibliche Tochter in Indien gezeugt hatte. Es wird sich bei diesem Mädchen wohl um das Ergebnis einer Liaison mit einer Einheimischen gehandelt haben. Dies war damals die Regel und wurde von den Kolonialherren als unwichtig betrachtet. Der Verwandtschaft, die schon ernsthaft um ihr Erbe zu fürchten begann, teilte Leonhard Ziegler zu ihrer Beruhigung mit, dass er gar nicht daran dächte, dieses vom ihm „adoptierte“ Mädchen als Erbin zu betrachten. Er komme für Erziehung und Ausstattung auf. Darüber hinaus werde er nichts für sie tun.

Leonhard Ziegler starb am 18. Dezember 1846 in Seetulpore als einer der reichsten Männer Indiens.

In der nächsten Folge kehren wir wieder nach Zürich zurück, wo wir die Reaktionen auf eine ungeheuerliche Ankündigung hören: Zürichs Stadtmauern sollen niedergerissen werden!

Alle anderen Folgen der Serie finden Sie hier.

Die Texte und Zeichnungen entstammen der Broschüre zur gleichnamigen Ausstellung im MoneyMuseum Zürich. Vertonte Auszüge sind als Video hier erhältlich.

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