Die Zürcher und ihr Geld 12: Die ummauerte Stadt

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mit freundlicher Genehmigung des MoneyMuseum

In unserer Serie „Die Zürcher und ihr Geld“ nehmen wir Sie mit in die Welt des vergangenen Zürich. Im April 1833 erklärt ein junger Mann seiner Braut, warum die Zürcher Befestigungsanlage, auf der sie spazierengehen, unbedingt abgerissen werden muss. Dazu gibt es wie auf einer guten DVD ein Making of, also welcher numismatisch-historische Hintergrund zu diesem Gespräch gehört.

April 1833. Jakob, ein junger Mann, geht mit seiner Braut Berta auf den Zürcher Befestigungsanlagen spazieren. Gezeichnet von Daniel Pelagatti / Atelier bunterhund. Copyright MoneyMuseum / Zürich.

Jakob: Jetzt ist es also eine beschlossene Sache, Berta. Sie werden die Befestigungsanlagen abreißen.

Berta: Papa hat mir davon erzählt. Er hält es für einen Skandal, dass Zürich in Zukunft den Angriffen seiner Feinde schutzlos ausgeliefert sein wird. Und die Kosten! Papa hat mir Zahlen genannt, von denen hat mir nur der Kopf geschwirrt.

Ja, es gibt Schätzungen, die davon sprechen, dass die Einebnung der Schanzen die Stadt Zürich fast eine halbe Million Franken kosten werde.

Eine halbe Million! Mein Gott.

Aber Berta, das darfst du doch nicht glauben. Das sind Schätzungen von Leuten, die sich gegen den Fortschritt sperren. Die wollen andere damit abschrecken! Wir haben ausgerechnet, dass es die Stadt keinen Rappen kostet, die Wälle einzuebnen.

Wieso denn, Jakob?

Nun sieh, Berta, diese Schanzen, über die wir hier laufen, die nehmen doch eine Menge Platz weg.

Ja, Jakob.

Und diesen Platz könnte man gut für andere Zwecke verwenden. Da können Häuser entstehen, Fabriken und natürlich Straßen. Die Zürcher werden sich darum reißen, die Grundstücke zu kaufen. Und mit dem Geld, das aus diesen Verkäufen in die Staatskasse fließt, können wir den Abriss finanzieren. Und natürlich dürfen wir die politische Dimension nicht vergessen.

Nein, Jakob.

Jahrhunderte lang hat die Stadt Zürich das Umland beherrscht und bedrückt. Nun sind die umliegenden Gemeinden gleichberechtigt. Sie fürchten, dass reaktionäre Kräfte unter den Zürcher Bürgern versuchen könnten, die Verhältnisse umzustürzen. Sie empfinden die befestigte Stadt als eine ständige Bedrohung. Und dann denke doch auch einmal an die Unterhaltskosten.

Ja, Jakob.

Der Abgeordnete Rieter hat ausgerechnet, dass in den vergangenen 30 Jahren der Unterhalt der Schanzen 600.000 Franken gekostet hat, während für Bildung im gleichen Zeitraum gerade mal 200.000 Franken zur Verfügung standen. So etwas darf doch nicht sein.

Nein, Jakob.

Und wie gut es für die Wirtschaft sein wird, wenn alle Waren nun ungehindert in die Stadt strömen können. Wie viel Zeit wird hier gespart, wie viele Kosten. Wir können damit beweisen, wie fortschrittlich Zürich ist. Und wer weiß, vielleicht können wir ja günstiges Bauland erwerben. Und dann baue ich meiner Berta ein Häuschen.

Ach Jakob, wie klug du bist. Aber trotzdem, diese gewaltigen Schanzen. Ist es nicht traurig, dass sie jetzt nutzlos sind? Ihr Bau muss doch damals viel Arbeit gemacht haben. Und viel Geld haben sie sicher auch gekostet.

Zürich. Schanzentaler, Ende 17. / Anfang 18. Jahrhundert. Künker 184 (2011), 5753.

Making of:
„Und viel Geld haben sie sicher auch gekostet“, so endet unser Hörspiel über den Abriss der Befestigungsanlagen von Zürich. Tatsächlich wissen wir exakt, was ihr Bau in den Jahren zwischen 1642 und 1677 kostete, nämlich 1.863.800 Pfund, 17 Schillinge und 9 Heller, was uns heute natürlich wenig sagt. Rechnen wir also anders. Ein einfacher Erdarbeiter, wie sie zu Hunderten am Bau mitwirkten, verdiente im Jahre 1642 16 Schilling am Tag. Dies war ein außergewöhnlich guter Lohn, was damit zusammenhing, dass gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges überall ein Mangel an Arbeitskräften herrschte. Für die Gesamtkosten des Baus hätten also zu diesem hohen Lohn 1.000 Arbeiter 6 Jahre und 4 Monate ununterbrochen an den Festungswerken bauen können – was sie natürlich nicht taten. Im Gegenteil, es gab immer wieder längere Phasen, in denen sich die Stadt den Bau an den Befestigungsanlagen nicht leisten konnte. Auch im Jahr 1677 waren die Schanzen nicht endgültig fertig. Noch im Jahrzehnt vor dem Beschluss, die Befestigungswerke von Zürich abzureißen, wurden Arbeiten an den Mauern durchgeführt.

Es handelte sich also bei den Schanzwerken, welche das Stadtbild von Zürich prägten, um ein kostspieliges Prestigeobjekt. Der militärische Nutzen war dagegen umstritten. Kein Wunder, dass im 19. Jahrhundert, in einer Zeit, in der Kosten und Nutzen sorgfältig gegeneinander abgewogen wurden, Pläne zu einem Abbruch der Festungsmauern diskutiert wurden.

Ansicht der Stadt Zürich aus dem Jahr 1724 nach Johann Melchior Füssli. Die Ansicht war Teil eines Wandkalenders, der seit 1724 mehrfach wieder aufgelegt wurde. Quelle: David Herrliberger / Wikipedia.

Die erste öffentliche Forderung nach einer Beseitigung der Wallanlagen wurde im Rahmen einer Budgetdebatte im Großen Rat am 3. September 1828 erhoben. Dieser Antrag stand eindeutig im Zusammenhang mit einem Versuch, die Kosten einzusparen, welche der Erhalt der Befestigungsanlagen für das städtische Budget verursachte. Doch bald überlagerten andere, politische Argumente die Debatte.

Jahrhunderte lang hatte eine starke Stadt Zürich die umliegenden Gemeinden unterdrückt. Und nach dem Scheitern der Helvetischen Republik im September 1802 zeigte die städtische Aristokratie von Zürich noch einmal, zu welcher Brutalität sie fähig war, um ihre Macht zu sichern. Die Mauern wurden dabei zu einem Symbol der städtischen Zwangsherrschaft. So war es kein Wunder, dass nach den Demonstrationen des Jahres 1830 und dem Erlass einer neuen, liberalen Verfassung für den Kanton Zürich im März 1831 die Beseitigung der Stadtmauern gefordert wurde als ein greifbares Zeichen für die Gleichberechtigung von Stadt und Land.

Die Aufdeckung einer Verschwörung reaktionärer Kräfte im liberalen Bern veranlasste die Zürcher Landgemeinden zu glauben, auch in der Stadt Zürich seien konservative Kräfte am Werk, die man nur durch die Schleifung der Befestigungsanlagen unter Kontrolle halten könne. Und so häuften sich seit 1832 die Petitionen, man möge die Mauern von Zürich
endlich beseitigen.

Diese Eingaben wurden am 28. September 1832 im Großen Rat verlesen. Sie setzten eine sehr emotional geführte Diskussion in Gang, in der auf der einen Seite liberale Politiker die wirtschaftlichen Vorteile betonten, welche eine Beseitigung der Befestigungen mit sich brächten. Sie bezeichneten die Schanzen als ein Verkehrshindernis, welches das Wachstum von Industrie und Handel behindere. Ihre Gegner, die große Unterstützung innerhalb der Stadtgemeinde von Zürich genossen, wiesen auf die militärische Bedeutung Zürichs für die Sicherheit der gesamten Schweiz hin. Und sie versuchten, ihre an wirtschaftlichen Erwägungen so interessierten Gegner mit den eigenen Mitteln zu schlagen. In der Abschlussdebatte um das Schicksal der Zürcher Mauern argumentierte Altregierungsrat von Muralt mit den hohen Kosten, welche ein Abbruch der Stadtmauern für Zürich bringen würde: Er berechnete 596.031 Franken. Dieser Summe standen in seiner Kalkulation höchstens 104.500 Franken Einnahmen gegenüber, welche die Stadt für den Verkauf der Grundstücke, auf denen bis dahin die Befestigungen gestanden waren, erlösen könnte. So verblieben der Stadt Zürich also Kosten in Höhe von 491.531 Franken. Dies war eine beträchtliche Summe: Zum Vergleich, nur drei Jahre später standen Johannes Baur für den Bau seines Hotels Baur en Ville 257.000 Schweizer Franken zur Verfügung.

Schanzensystem um den heutigen Paradeplatz im 18. Jh. ZB Zürich. Quelle: Wikipedia.

Doch die Kalkulation der Befestigungsbefürworter schreckte die Mitglieder des Großen Rats nicht ab. Sie nahmen am 30. Januar 1833 mit 131 zu 53 Stimmen den Antrag an, die Festungswerke abzureißen. Mit der Arbeit wurde am 2. April 1833 begonnen.
Fast 27 Jahre dauerte es, bis die Zürcher erfuhren, wie viel sie der Abbruch der Schanzen tatsächlich gekostet hatte. Das Ergebnis war überraschend. 1.715.621,89 Franken waren ausgegeben worden – also mehr als das Dreifache der Schätzung der Schanzengegner! Dem standen allerdings 1.719.908,33 Franken gegenüber, welche durch den Verkauf von Baugrundstücken auf dem ehemaligen Schanzengrund erzielt worden waren, und dies obwohl die Zürcher Käufer sich mehr als zurückhaltend gezeigt hatten. Damit konnte Zürich 4.286,44 Franken Gewinn verbuchen und besaß zusätzlich noch Gebäude im Wert von etwa 150.000 Franken auf Schanzenland, sowie 600.000 Quadratfuß, also fast 53.000 Quadratmeter Bauland. Der Abbruch der Schanzen war also ein gutes Geschäft.

Hören Sie in der nächsten Folge, wie es einem gewieften Kassier 1869 gelingen konnte, die Zürcher Filiale der Eidgenössischen Bank auszuräumen.

Alle anderen Folgen der Serie finden Sie hier.

Die Texte und Zeichnungen entstammen der Broschüre zur gleichnamigen Ausstellung im MoneyMuseum Zürich. Vertonte Auszüge sind als Video hier erhältlich.

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