mit freundlicher Genehmigung des MoneyMuseum
In unserer Serie „Die Zürcher und ihr Geld“ nehmen wir Sie mit in die Welt des vergangenen Zürich. Hans Vogler war an der Vermarktung einer die Münzprägung revolutionierenden Maschine beteiligt – verdient hat er daran nicht. Dazu gibt es wie auf einer guten DVD ein Making of, also welcher numismatisch-historische Hintergrund zu diesem Gespräch gehört.
Spätsommer 1568. Ein Innsbrucker Kanzleiangestellter informiert Hans Vogler den Jüngeren über die Summe, die er für den Bau seiner Walzprägemaschine von Kaiser Maximilian II. noch zu Gute hat. Gezeichnet von Daniel Pelagatti / Atelier bunterhund. Copyright MoneyMuseum / Zürich.
Vogler: Das ist nicht Euer Ernst!
Kanzleiangestellter: Aber Meister Vogler, seht Euch die Rechnungen an. Sie sind völlig korrekt.
796 Gulden für all meine Mühen! Das kann einfach nicht wahr sein! Ich habe Eurem Herrn ein funktionsfähiges Walzprägewerk gebaut! Mit meiner Maschine besitzt die Tiroler Münzstätte die modernste Technologie in ganz Europa! Und dann soll ich für dieses Wunderwerk der Technik nur 796 Gulden erhalten?
Meister Vogler, es tut mir leid. Ich habe den größten Teil der Gelder bereits an andere ausgezahlt.
Dieser verfluchte Rordorf! Der hat sich meinen Lohn unter den Nagel gerissen. Damals, als wir vor 7 Jahren unsere Gesellschaft gründeten, hätte ich nie gedacht, dass wir uns einmal so heillos zerstreiten würden.
Wieso habt Ihr Euch überhaupt mit so einem zusammen getan?
Wir waren damals fünf, als wir 1561 in Zürich unsere Gesellschaft zur Vermarktung der neuen Walzprägewerke gründeten. Jakob Stampfer, der Münzmeister von Zürich, benutzte bereits so eine Maschine. Die Münzen, die er damit herstellte, waren besser und billiger als die mit dem Hammer geprägten. So eine Technik musste sich doch vermarkten lassen!
Aber natürlich, damals stieg der Münzbedarf eklatant. Alle Fürsten, mit denen wir zu tun hatten, überlegten sich, wie sie ihre Münzstätten rationalisieren könnten.
Ja, viele Erfinder zogen von Hof zu Hof, in der Tasche Pläne von Maschinen, die meist nicht funktionierten. Sie kassierten ab bei den Fürsten Europas. Da musste sich doch mit einer wirklich funktionsfähigen Walzprägemaschine auch ein Geschäft machen lassen!
Und dann habt Ihr Euch zerstritten?
Und wie – Stampfer und Rordorf wollten beide ans große Geld. Jeder versuchte dem anderen die Kunden auszuspannen, statt vereint die Preise zu diktieren! Und der Zürcher Rat stand natürlich voll und ganz hinter Stampfer.
Ja, der Herr von Rappoltstein hat mir den Brief der Zürcher gezeigt, in dem sie ihn vor Rordorf warnten.
Ihr habt ihn dann aber doch engagiert.
Ja, Ferdinand II. – Gott sei seiner Seele gnädig – hat Rordorf beauftragt, ein Walzprägewerk zu bauen. Aber wir waren vorsichtig. Wir versprachen ihm neben den Unkosten eine Belohnung von 1.500 Gulden, die er aber erst erhalten sollte, wenn das neue Prägewerk funktioniert hätte.
Ja, und das hat er nicht auf die Reihe gebracht.
Aber seine Bemühungen haben gekostet. Er hat Vorschüsse bekommen.
Ja, mein Geld hat er aufgefressen. Und ich gehe bankrott mit diesen lächerlichen 796 Gulden.
Rekonstruktion eines Walzprägewerks, gebaut von Werner Nuding, heute im Münzmuseum der Stadt Hall in der Burg Hasegg.
Making of:
Im Sommer 1562 schlossen sich fünf Zürcher zusammen, um eine Technologie zu vermarkten, die damals große Gewinne versprach, ein neues Walzprägewerk, mittels dessen bessere Münzen in kürzerer Zeit mit weniger Arbeitsaufwand hergestellt werden konnten. Zu diesem Konsortium gehörten Jakob Stampfer, Zürcher Münzmeister seit 1561, der bereits mit diesem neuen Prägewerk arbeitete, Rudolf Rordorf, ein Ingenieur, der sich mit der Konstruktion von Walzprägewerken beschäftige, Martin Rosentaler, ein weiterer Münztechniker, Jakob Bluntschli, ein Zimmermann – schließlich bestanden Walzprägewerke zu größtem Teil aus Holz – und Hans Vogler der Jüngere.
Wieso letzterer in diese Gemeinschaft aufgenommen wurde, bleibt schleierhaft. Seiner Ausbildung nach hätte er eher als Schreiber in eine Kanzlei gepasst. Er hatte unter Heinrich Bullinger in Zürich und Simon Grynäus in Basel studiert, sich dabei aber nicht besonders ausgezeichnet. Grynäus bestätigte dem jungen Mann, dass er zwar über eine rasche Auffassungsgabe verfüge, aber bei nichts verweilen könne und ständig neuen Impulsen folge. Diese Wetterwendigkeit bestätigte der weitere Lebensweg Voglers. Er führte ihn an die verschiedenen Höfe Europas, ehe er im Jahr 1558 kläglich bei Heinrich Bullinger anfragte, ob der nicht in Zürich ein gutes Wort für ihn einlegen könne. Zu gerne hätte Vogler ein Amt in der Heimatstadt Zürich bekleidet. Und er war sich auch sicher, den Zürchern gute Dienste leisten zu können. Schließlich hatte er sich auf seinen Reisen fundierte Kenntnisse über den Umgang mit den Großen der Welt erworben. Eine Stelle wartete in Zürich zwar nicht auf Hans Vogler, aber vielleicht war es sein gewandtes Auftreten, welches die Mitgesellschafter bewegte, ihn in ihren Kreis aufzunehmen.
Dass es wichtig sein würde, die eigene Maschine den Fürsten angemessen zu präsentieren, dürfte allen Mitgliedern des Konsortiums klar gewesen sein. Die Zürcher waren nämlich nicht die einzigen, die ein Walzprägewerk gebaut hatten. Nachdem die Streckbank sich im 2. Viertel des 16. Jahrhunderts in Mitteleuropa verbreitet hatte, war der Schritt zum Walzprägewerk nur noch klein. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts traten vermehrt sogenannte Münzkünstler auf, die an den europäischen Fürstenhöfen neue Maschinen zur Münzprägung anboten. Sie alle beruhten auf dem Prinzip der Walzenprägung: Dabei wurde ein langer Metallstreifen durch zwei Walzen geführt, welche den Metallstreifen vorne und hinten mit Münzbildern „bedruckten“. Die Schwierigkeit dieser neuen Technik lag im Detail: Wie war der nötige Druck zu erzeugen, um eine ausreichende Prägetiefe zu erreichen? Wie mussten die Stempel geschnitten sein, damit ein runder Aufdruck erzielt wurde? Wie konnte man es erreichen, dass die Walze für die Vorderseite genau gleich schnell lief wie die Walze für die Rückseite?
Kaiser Ferdinand I. (1503-1564), Porträt von Hans Bocksberger dem Älteren (1510-1561). Kunsthistorisches Museum Wien. Quelle: Wikipedia.
Jakob Stampfer hatte die meisten dieser Probleme mehr oder minder gelöst. Als er allerdings im Jahr 1563 von Ferdinand I., deutscher Kaiser von 1556 bis 1564, die Gelegenheit erhielt, seine Prägemaschine vorzuführen, bezeichneten die Verantwortlichen seine Technik als noch nicht ausgereift, da die Maschine täglich ausgebessert und repariert werden musste. Der Kaiser schloss daraufhin nicht mit Stampfer den Vertrag zum Bau eines Walzprägewerks ab, sondern mit Rudolf Rordorf, der allerdings noch keine Probe seines Könnens geliefert hatte. Dies dürfte einen Streit zwischen Rordorf und Stampfer ausgelöst haben, der im Februar des Jahres 1564 den Zürcher Rat beschäftigte. Bei diesem Streit stand Stampfer mit seinen Söhnen alleine da, auch die anderen Mitglieder des kurzlebigen „Prägekonsortiums“ strengten einen Prozess gegen den Zürcher Münzmeister an.
Diese Auseinandersetzungen brauchen uns hier nicht weiter zu interessieren. Wenden wir uns lieber Rordorf und seiner Walzprägemaschine zu, die er den Tirolern zu bauen versprochen hatte. Der vorsichtige Kaiser hatte mit dem Zürcher Erfinder einen Vertrag ausgehandelt, der Rordorf eine Belohnung von 1.500 Gulden zusicherte, falls es ihm gelänge, zwei Prägemaschinen zu bauen und in Betrieb zu setzen. Für die angestrebte Prägezahl wurden genaue Vorgaben erlassen. Mit den neuen Maschinen sollten acht Gesellen in der Lage sein, in einer Woche 1.500 Mark Silber zu verprägen. Dies hätte – wären nur Großsilbermünzen ausgeprägt worden – mehr als 15.000 Stücken entsprochen. Dies war eine gewaltige Anzahl! Rordorfs Versprechungen sollten sich als unrealistisch herausstellen.
Hall in Tirol, im Vordergrund der Münzerturm. Foto: Herbert Ortner / Wikipedia.
1564 reiste Rordorf nach Tirol. Nach ersten Misserfolgen verlor der Erfinder das Interesse – wahrscheinlich erkannte er, dass die eigenen Vorgaben sich nicht verwirklichen ließen. Um sich mit Anstand aus der Affäre zu ziehen, ließ er einen weit entfernten Verwandten zurück, der eigentlich Orgelbauer war, nun aber den Auftrag erhielt, die Walzprägewerke in Gang zu setzen. Als ihm dies nicht gelang, setzte er sich im April 1565 ab und hinterließ in Tirol nichts als Schulden. Dem Beauftragten Maximilians II. gelang es, für die beiden lustlosen Erfinder in Hans Vogler einen Ersatz zu finden.
Vogler reiste also 1566 nach Innsbruck ab und tatsächlich gelang ihm, der in der praktischen Münzprägung bisher keine Erfahrung gehabt hatte, das, woran seine Vorgänger gescheitert waren. In nur zwei Monaten setzte er ein Walzprägewerk in Gang, das alles übertraf, was man bisher in Tirol gesehen hatte. Während einer Vorführung prägte Vogler mit seinen Gehilfen innerhalb eines einzigen Tages 2.057 Stück Guldentaler. Dies war eine beachtliche Zahl, doch leider war sie von der mit dem Kaiser abgesprochenen noch weit entfernt. Vogler musste noch zwei weitere Jahre an der Entwicklung des Prägewerks arbeiten, ehe die Beamten des Kaisers bereit waren, seine Maschinen als funktionstüchtig zu bezeichnen und mit Vogler abzurechnen.
Nun folgte die böse Überraschung, die wir in unserem Hörspiel thematisiert haben. Die Kammerräte hatten zwar die Belohnung für den Bau der Walzprägewerke von 1.500 Gulden auf 2.000 Gulden erhöht, aber sie waren nicht bereit, Voglers Unkosten, die er mit 2.000 Gulden in Rechnung stellte, anzuerkennen. Lediglich 500 Gulden gestanden sie ihm dafür zu. Außerdem wurde von dem Endbetrag alles abgezogen, was bereits an Rordorf und seinen Verwandten gezahlt worden war. So stand Vogler am Schluss mit 796 Gulden für eine Arbeit von fast zwei Jahren da, wovon – und das war das wirkliche Problem – noch die restlichen 1.500 Gulden Unkosten zu decken waren.
Quasi als Entschädigung erhielt Vogler 1569 auf den Bau seines Münzprägewerks eine Art kaiserliches Patent. Doch wie wenig dies ihm nutzte, zeigte sich bereits drei Jahre später. In einem Rechtsstreit konnte der Konstanzer Münzmeister Konrad Kürschner beweisen, dass sein eigenes Walzprägewerk nichts mit dem des Voglers zu tun hatte und bereits 1565 in Gebrauch gewesen war.
Das große Geschäft machte der „Erfinder“ Hans Vogler also nicht, im Gegenteil. Bei seinem Tod hinterließ er seinen Erben Schulden in Höhe von 14.000 Gulden. Die Technologie des Walzprägewerks aber breitete sich aus. Die „Tiroler“ Technologie wurde nicht nur nach Spanien exportiert, sondern von dort aus auch in die Neue Welt.
Anscheinend hatten sogar die Tiroler Beamten ein schlechtes Gewissen wegen der Bezahlung des unglücklichen Vogler. Jedenfalls gewährten sie seiner Witwe und seinem Sohn, der sich als nicht allzu erfolgreicher Maler durchs Leben schlug, eine Gnadenpension.
In der nächsten Folge springen wir ins Jahr 1701 und hören staunend, was ein Henker für seine Dienste verlangen konnte: „Eine Person lebendig mit Feuer abzutun: 7 Pfund 10 Schilling“.
Alle anderen Folgen der Serie finden Sie hier.
Die Texte und Zeichnungen entstammen der Broschüre zur gleichnamigen Ausstellung im MoneyMuseum Zürich. Vertonte Auszüge sind als Video hier erhältlich.