mit freundlicher Genehmigung des MoneyMuseum, Zürich
Warum galt der Kopf jahrhunderte-, nein, jahrtausendelang als das Motiv einer Münzseite schlechthin? Und warum hat sich dies in den letzten 200 Jahren geändert? Das fragt Ursula Kampmann in ihrem Buch „MenschenGesichter“, dem die Texte unserer Serie entnommen sind.
Frankreich. Medaille, ausgegeben auf Veranlassung der Künstler von Lyon im Jahre 1792. Kopf der Freiheit mit wehenden Haaren n. l., über der Schulter Stab, darauf Freiheitshut, darunter Inschrift (in Übersetzung) „Jahr 1 der Französischen Republik“. Rs. Inschrift (in Übersetzung) „Der Nationalversammlung von den vereinigten Künstlern von Lyon, geprägt aus reinem Glockenmetall im Jahr 1792“ in Eichenkranz. © MoneyMuseum, Zürich.
Am 10. August 1792 erklärte die Nationalversammlung Ludwig XVI. für abgesetzt. Dies war ein Ereignis, das zu Beginn der Revolution unmöglich geschienen hatte. Im ganzen Land wurde darüber diskutiert, und das nicht nur auf der Straße. Ort der politischen Auseinandersetzung waren die Clubs, in denen sich Gleichgesinnte in ganz Frankreich austauschten. Darüber hinaus organisierten deren Mitglieder gemeinsam Aktionen zur Verbreitung revolutionären Gedankenguts.
Ein Lyoner Club zum Beispiel hatte im Herbst 1792 die Idee, seine Begeisterung für die Geschehnisse des Jahres in einer Medaille zum Ausdruck zu bringen. Eine offizielle Delegation der Künstler von Lyon sollte dieses Stück, dessen Vorderseitenmotiv sich durchaus für die überfällige neue Münzemission ohne Königsporträt geeignet hätte, dem Nationalkonvent übergeben.
Thema der Medaille war die Freiheit. Sie hatte für diese Medaille ein neues Gesicht bekommen. Wurde sie bisher als züchtiges Mädchen mit geordneten Haaren im antiken Gewand dargestellt, so drückte sich in ihr nun die ganze Begeisterung einer jungen Generation aus, die bereit war, für ihre Ideale zu kämpfen. Und mit offenen Haaren, nach hinten geweht, als ob sie eilig liefe, sah die Personifikation der Freiheit genauso aus wie die Zeitgenossen, die mitgezogen waren, um die Bastille zu erstürmen. Menschen wie sie verfügten über genug Begeisterung, um die neuen Ideale unter allen Völkern zu verbreiten. Tatsächlich herrschte ja 1792 noch ein unbegrenzter Optimismus. Und nach den ersten Siegen der französischen Armee versprach der Nationalkonvent allen unterdrückten Völkern der Welt die Hilfe Frankreichs.
Jakobinermütze im Heeresgeschichtlichen Museum Wien. Quelle: Wikicommons.
Getragen wurde diese missionarische Bewegung vor allem von den Jakobinern und Sansculotten, die als Zeichen ihrer revolutionären Gesinnung die phrygische Mütze trugen. Und eben diesen „bonnet rouge“ gaben die Künstler von Lyon ihrer Freiheit als Attribut.
Doch in Lyon herrschte nicht mehr lange Begeisterung für die Ideale der Französischen Revolution. Denn im März 1793 entsandte der Nationalkonvent in alle Provinzen Kommissare, die dafür sorgen sollten, dass die Menschen außerhalb von Paris „auf Linie gebracht“ wurden. Das ging den Bewohnern von Lyon zu weit. Nicht alle waren radikale Jakobiner, aber viele waren bereit, ihre politische Überzeugung mit Gewalt durchzusetzen. So kam es im Juli 1793 in Lyon zu dem, was man in Paris einen konterrevolutionären Aufstand nannte. Er wurde blutig niedergeschlagen und Lyon mittels der Guillotine von allen „reaktionären“ Kräften gesäubert.
Auch in der nächsten Folge geht es um das Freiheitsmotiv, das auf so vielen Münzen zu finden ist, diesmal auf Schweizer Münzen.
Alle Teile der Reihe finden Sie hier.
Das Buch „MenschenGesichter“ gibt es in gedruckter Form und als ebook auf der Seite des Conzett Verlages.