MenschenGesichter Teil 47: Das frivole Vreneli

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mit freundlicher Genehmigung des MoneyMuseum, Zürich

Warum galt der Kopf jahrhunderte-, nein, jahrtausendelang als das Motiv einer Münzseite schlechthin? Und warum hat sich dies in den letzten 200 Jahren geändert? Das fragt Ursula Kampmann in ihrem Buch „MenschenGesichter“, dem die Texte unserer Serie entnommen sind.

Schweizerische Eidgenossenschaft. 100 Franken 1925, Bern. Büste einer Frau in ländlicher Tracht n. l. vor Bergwelt. Rs. Schweizer Kreuz in Glorie über Wert und Jahreszahl, darunter Zweig von Alpenrosen. © MoneyMuseum, Zürich.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts beschloss das Eidgenössische Finanzdepartement, ein neues Münzbild in Auftrag zu geben, das „durch ein schweizerisches, nationales Motiv, durch allegorische oder historisch-symbolische Darstellung der Schweiz die Helvetia zum allgemeinverständlichen Ausdruck“ bringen sollte.

Als sich im Mai 1895 eine Jury zusammensetzte, um über die 21 eingegangenen Entwürfe zu beraten, fand sie nichts, was voll und ganz ihren Vorstellungen entsprochen hätte. Am ehesten gefiel den ehrwürdigen Juroren noch der Entwurf des Neuenburger Medailleurs Fritz Landry, der ein junges, hübsches Mädchen als Helvetia modelliert hatte. Wenn es ihm gelänge, diese Frau ein wenig reifer und mütterlicher zu gestalten, dann, so dachten die Experten, würde vielleicht noch eine echte Helvetia daraus werden.

Landry machte sich an die Arbeit. Statt offener Haare stattete er sein Modell nun mit einem säuberlich geflochtenen Zopf aus, der das Haupthaar bändigte. Die Gesichtszüge wurden ein bisschen gerundet und statt des Rhododendron ein Kranz von Edelweiß um den Hals der Frau gelegt. Damit hätte man sich schon fast anfreunden können, aber ein besorgter Magistrat bemängelte die Stirnlocke der Dame, die „dem Frauenzimmer ein frivoles Aussehen“ gebe. Und dies sei nun wirklich nicht vereinbar mit der Würde einer Personifikation der Schweiz.

Die Stirnlocke wurde also weggelassen, und endlich war der Weg frei für das „Vreneli“. Aber dass nicht etwa einer glaube, die Fachleute hätten sich über ein so schönes neues Münzbild gefreut. Im Gegenteil, man bemängelte, dass die Heimat ja schließlich eine Mutter und Nährerin sei. Deshalb dürfe sie einzig durch eine Mutter zwischen Jugend und gereiftem Alter dargestellt werden. Außerdem fand man, dass die Münze dem unter Touristen weit verbreiteten Irrtum Vorschub leiste, die Schweiz sei ein Land der Berge und das Schweizer Volk setze sich hauptsächlich aus Hirten und Hoteliers zusammen.

Ernst Stückelberg, Wilhelm Tell. Illustration von 1880. Kritische Stimmen hätten lieber Wilhelm Tell statt des Vreneli auf der neuen Münze gesehen. Quelle: Wikicommons.

In der Schweizer Numismatischen Rundschau wurde damals geschrieben: „Besser wäre unser Land durch Wilhelm Tell oder die Mannen vom Rütli dargestellt worden.“ – Dies geschah übrigens tatsächlich im Jahre 1955. Die goldenen 50-Franken-Stücke mit den drei Eidgenossen und die 25-Franken-Stücke mit Wilhelm Tell, ebenfalls aus Gold, ruhten bis 2006 in den Tresoren der Nationalbank, als ein Bürokrat von der Nationalbank beschloss, sie einschmelzen zu lassen.

Was immer auch die Experten reden mochten, die Benutzer liebten „das Vreneli“, wie man die Dame auf den 10-, 20- und 100-Franken-Stücken seit dem Zweiten Weltkrieg liebevoll nannte.

Im Fokus der nächsten Folge stehen die Freiheitskämpfer der spanischen Kolonien in Südamerika und Sie erfahren, woher Bolivien seinen Namen erhielt.

Alle Teile der Reihe finden Sie hier.

Das Buch „MenschenGesichter“ gibt es in gedruckter Form und als ebook auf der Seite des Conzett Verlages.

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