Es war einmal der Sohn eines mächtigen Königs. Der wollte nicht regieren. Es machte ihm keinen Spaß, seinen Untertanen Befehle zu erteilen. Er wollte lieber in der Einsamkeit eines Klosters Gott dienen.
So etwas gibt es nicht? So fangen höchstens Märchen an? Gar nicht wahr, was hier berichtet wird, ist nichts als die Wahrheit.
Fotographie Mongkuts als Mönch. Quelle: Wikipedia.
Im Jahre 1851 verzichtete Prinz Mongkut auf den Thron von Siam. Er war der älteste Sohn von König Phutthalaetia, besser bekannt als Rama II. Mongkut überließ die Herrschaft seinem jüngeren Bruder Nangklao. Der trat sein Amt als Rama III. an und gab Mongkut damit die Gelegenheit, seinen größten Wunsch zu verwirklichen: Sich in der Abgeschiedenheit eines Klosters den Wissenschaften zu widmen.
Mongkut lernte Englisch und Latein, um neben den Klassikern seines Landes auch die neuesten wissenschaftlichen Schriften des Westens lesen zu können. Er beschäftigte sich mit den neuesten Entdeckungen Europas im Bereich der Technik, der Naturwissenschaften, der Geographie und der Astronomie; und er las die Überlegungen westlicher Wissenschaftler zu klassischen Fragen der Geschichte, der Ökonomie und der Sozialkunde.
Fotographie Mongkuts nach seiner Krönung als Rama IV. Quelle: Wikipedia.
Im Jahr 1851 starb König Rama III. und Mongkut kehrte nach 27 Jahren Klosterleben zurück an den Hof. Er folgte seinem jüngeren Bruder auf den Thron und nahm als König den Namen Rama IV. an. In den wenigen Jahren, die Mongkut blieben, verwirklichte er ein unglaubliches Modernisierungsprogramm. Er machte aus dem Entwicklungsland Siam mit seinen mittelalterlichen Einrichtungen den für damalige Zeiten modernsten Staat des asiatischen Kontinents.
Als Initiator einer modernen westlichen Bildung in Thailand steht die Statue Ramas IV. heute noch vor der Universität von Bangkok. Quelle: Wikipedia / Xiengyod.
Mongkut hatte genug Zeit gehabt, sich darüber zu informieren, was außerhalb Siams vor sich ging. Durch eine ausgedehnte Lektüre hatte er verstanden, daß sein Land nur dann eine Chance hatte, als eigenständiger Staat zu überleben, wenn er es behutsam in die moderne Zeit führte, ohne sich der einen oder der anderen Kolonialmacht all zu sehr zu verpflichten oder zu verfeinden. Sowohl England als auch Frankreich schielten begehrlich auf die reichen Provinzen des Königs. Die Engländer hatten ihren Einfluß auf Burma ausgedehnt, und im Osten von Siam saßen die Franzosen in Indochina. Es ging also darum, beiden Großmächten keinen Grund zu geben, in die königliche Politik einzugreifen. Mongkut mußte den friedlichen Handel so gestalten, daß England und Frankreich durch einen Krieg nur verlieren konnten. Das bedeutete, den Handel zu fördern und gleichzeitig die eigene Bevölkerung so auszubilden, daß sie den Geschäftspartnern Europas gewachsen war und nicht übervorteilt wurde. So schuf Mongkut ein thailändisches Bildungssystem nach westlichem Vorbild. Und er hatte damit sehr schnell Erfolg. Schon wenige Jahre nach seinem Herrschaftsbeginn begann der Handel derart zu blühen, daß das traditionelle Münzsystem Thailands nicht mehr ausreichte, die finanziellen Transaktionen im Land zu decken.
Siam. Silberne Pot Duang. Aus Auktion Baldwin, Hong Kong Coin Auction 50 (2011), 1039.
Bis dahin hatte man mit Kugelgeld gezahlt, oder „Pot Duang“ wie man in Siam sagte. Diese kleinen Stücke Metall wurden aus einem genau abgewogenen Barren von Silber hergestellt, den man faltete und mit einem Hammer so lange bearbeitete, bis er eine einigermaßen runde Form aufwies. Pot Duang gab es in unterschiedlichen Wertstückelungen, die beliebteste davon war der Baht, ein Nominal, das auch heute noch in der Thailändischen Währung die entscheidende Rolle spielt.
Leider eignete sich das Kugelgeld für den aufblühenden Handel nur in sehr beschränktem Maße: Seine Herstellung war schlicht und ergreifend zu aufwendig. Die königliche Münzstelle war nicht in der Lage, genug Pot Duang herzustellen, um die steigende Nachfrage des Handels nach Bargeld zu befriedigen. Nun hatte aber Mongkut gelesen, daß es im Westen Maschinen gab, mit denen man flache Münzen mit großer Schnelligkeit produzieren konnte. Und genau so eine Maschine wollte er in England erwerben.
Bereits 1856 gab es erste Kontakte mit englischen Herstellern von Prägemaschinen; und als Mongkuts Gesandte in England ihre erste offizielle Einladung erhielten, vor der Königin zu erscheinen, hatte die schon längst von den Plänen ihres „Kollegen“ gehört. Ein Austausch von Geschenken war Teil jeder Empfangszeremonie, und die englische Königin war glücklich, König Mongkut ein Geschenk verehren zu können, über das er sich sicher freuen würde: Sie ließ ihm eine kleine Prägemaschine übergeben, auf der der Monarch seine ersten modernen Münzen prägen konnte. Für eine Massenprägung war das hübsche Maschinchen natürlich viel zu klein. So bestellten die Botschafter bei der Firma Taylor & Co. in Birmingham eine geeignete Münzpresse. Doch wie das manchmal mit Bestellungen so geht, die Münzpresse kam nicht. Lieferschwierigkeiten würde man das heute nennen.
Im Februar des Jahres 1858 wurde in Thailand das Kugelgeld derartig knapp, daß König Mongkut die Einführung der neuen Münzen „zur Chefsache“ machte. Er beauftragte den englischen Botschafter in Bangkok, eine Prägemaschine zu erwerben. Der bestellte eine zum Preis von 2.000 Pfund und fand kurz darauf heraus, daß eigentlich schon eine Bestellung für eine Münzpresse lief. Man zog also den zweiten Auftrag wieder zurück und endlich – kaum glaubte man noch daran – wurde frühestens gegen Ende des Jahres 1858 die Maschine geliefert. Drei Handwerker kamen mit, um zu helfen, sie einzurichten. Alle drei starben an Unfällen oder tropischen Krankheiten. König Mongkut hatte schon ein Pech mit seiner Münzprägung!
Erst im Jahr 1860 gelang es einem einheimischen Techniker die Prägemaschine in Betrieb zu nehmen. Nun konnte Mongkut endlich damit beginnen, sein überaltertes Geldsystem zu modernisieren.
Mexiko. 8-Reales-Stück von 1857 mit siamesischen und chinesischen Gegenstempeln. Aus Auktion Dr. Busso Peus 394 (2007), 1682.
Am 11. Tag des zunehmenden Mondes im Jahr des Affen – oder etwas weniger poetisch am 17. September 1860 – gab Mongkut ein Edikt heraus, in dem er die alltäglichen Probleme beschrieb, mit denen sich ein Händler damals konfrontiert sah. Zum einen gab es unzählige Fälschungen des umlaufenden Kugelgeldes. Plattierte Stücke aus billigem Kupfer täuschten den Unaufmerksamen. Dann liefen überall Mexikanische Silberdollar um. Zwar hatte man ihren Wert offiziell auf 3 $ zu 5 Baht festgelegt, aber der Silbergehalt dieser Dollar war bei weitem niedriger als der der Siamesischen Münzen. Deshalb, so schrieb Mongkut, werde Siam nun auch mit der Prägung von flachen Silbermünzen beginnen, die „in allem der Münzprägung des Staates in Europa gleich sein sollten, den man Frankreich nennt.“
Siam. Rama IV. 2 Baht, ohne Jahr (ca. 1863). Aus Auktion St. James 14-15 (2010), 931.
Auf der Vorderseite sollte die königliche Krone zu sehen sein, links und rechts davon je ein Sonnenschirm. Auf der Rückseite würde man die Chakra finden, Symbol des Hindogottes Vishnu, eine Art rundes Sägeblatt, das der Gott durch die Luft warf, um seine Feinde zu töten. Im Mittelpunkt der Chakra symbolisierte der Elefant das Königreich Siam.
Siam. Spielmarke. Aus Auktion Hirsch 267 (2010), 2637.
Die neuen Münzen wurden ein voller Erfolg. Sie ersetzten die bis dahin immer noch umlaufenden Kaurimuscheln und die Porzellanmarken der Spielkasinos, die bis dahin in Bangkok noch als Kleingeld Verwendung gefunden hatten. Ein erster Schritt auf dem Weg zu einem modernen Geldwesen war gemacht. Aber warum sollte König Mongkut nur einen Schritt machen? So führte der fortschrittliche König ganz nebenbei auch noch das Papiergeld in seinem Reich ein – und er tat dies teilweise sogar zweisprachig!
Anna Leonowens, Porträt von Robert Harris um 1900. Quelle: Wikipedia.
König Mongkut bewirkte für Thailand in den 17 Jahren seiner Herrschaft durch seine Neuerungen viel Gutes. Ja, er hatte auch eine englische Erzieherin mit Vornamen Anna für seine Kinder angestellt. Aber daß sie entscheidend auf den König eingewirkt hat, ist ein moderner westlicher Mythos, der zu erklären versucht, was damals der Verstand nicht fassen konnte: Daß ein Monarch aus einem unterentwickelten Land so viel Weisheit und Klugheit in sich vereinte, daß er sein Volk aus der Vergangenheit in die Gegenwart führte, ohne dabei die Hilfe westlicher Politiker zu brauchen.
Siam. Rama V. (Chulalongkorn). Fuang, o. Jh. Aus Auktion Hirsch 264 (2009), 2259.
Mongkuts Sohn, Chulalongkorn, setzte die Politik seines Vaters fort. Er ebnete seinem Land endgültig den Weg in die Moderne und erwarb sich so die Achtung seines Volkes, das trotz Demokratisierungsbestrebungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch heute nicht auf sein Königshaus nicht verzichten will und König Bhumibol und seine Gemahlin Sirikit verehrt.